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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die Schlacht bei Pavia

Posten aufgestellt waren, deren Wachsamkeit aber im Laufe der langen Be¬
lagerung nachgelassen haben mag.

Die Franzosen, die anfangs meinten, es handle sich wieder nur um eines
der gewöhnlichen nächtlichen Scharmützel, mußten die Gefahr ihrer Situation
bald einsehen. Im Westen hatten sie Pavia, im Osten die eignen Schanzen,
die einen Rückzug hinderten, im Süden den Tessin, im Norden den Feind.
Als sich die Morgennebel hoben, konnte König Franz von seinem Standorte
San Paolo das ununterbrochne Eindringen der Kaiserlichen in den Tiergarten
beobachten. Er ließ nun zunächst durch dreißig Geschütze den linken Flügel des
Feindes beschießen. Karls Artillerie hat in der ganzen Schlacht überhaupt
keinen Schuß abgegeben. Dann rückte der König persönlich an der Spitze
seiner Iwininss ä'armos vor. "Dieser Angriff nötigte die französischen Geschütze
sofort zum Einstellen des Feuers. Der König hatte sich somit selbst um den
Einfluß jener Waffe gebracht, in welcher er den Kaiserlichen außerordentlich
überlegen war, ja diese ihm gar nichts entgegensetzen konnten."

Der Anprall von Franzens schwerer Reiterei scheint furchtbar gewesen zu
sein. "Es war ein schwerer angriff, schreibt Reißner, zu beyden seit waren alte
Kriegsleut, die nicht allein umb Ehr sondern umb das Italisch Imperium
kriegten." Salm hat, wie dieselbe Quelle meldet, mit seinen Reisigen "tapffer
nachgedruckt", wurde aber zurückgedrängt. Es war ein kritischer Augenblick.
Der König ließ ein wenig halten, um die Pferde verschnaufen zu lassen. Zu
dem neben ihm reitenden Herrn von Lesen soll er gesagt haben: "Herr, heute
will ich mich Gebieter von Mailand nennen."

Nun ließ der im Zentrum der Kaiserlichen stehende Pescara etwa
1500 spanische Arkebusiere wider die siegreich vordringende französische Reiterei
los. Gedecke durch das wellige Terrain, durch die Wäldchen und Büsche, teil¬
weise auch durch den Bach, eröffneten die Scharfschützen ein mörderisches Feuer
auf die Ritter, die in ihren schweren Rüstungen gegen eine so leichtbewegliche
Kampfart schutzlos waren. Bald bedeckten zahlreiche Glieder des vornehmsten
französischen Adels mit ihren prächtigen Streitrossen das Schlachtfeld.

Nun trafen auch die auf dem linken Flügel der Kaiserlichen stehenden
Landsknechtregimenter des Frundsberg und Marx Sittich mit der Kemäs noirs
zusammen, der sie an Zahl wohl um das Doppelte überlegen waren. Hier
fochten Deutsche gegen Deutsche; vielleicht war gerade dies der Grund, warum
hier der Kampf am erbittertsten und erbarmungslosesten wütete. Frundsberg
ließ keinen Pardon geben; der biedere Schwabe sah in den Schwarzen Ver¬
räter an der Sache seines deutschen Vaterlands. So fielen Franz von Lothringen,
der Graf von Nassau, mehr als fünfzig deutsche Grafen und Herren. Die
tamas moll-6, bis dahin so gefürchtet, wurde nach löwentapferer Gegenwehr
vernichtet, schier bis auf den letzten Mann aufgerieben. Nun fielen auch die
dreiundfünfzig französischen Geschütze in die Hände der Kaiserlichen.

Da der 400 dommss ä'armes als Nachhut befestigende Herzog von


Die Schlacht bei Pavia

Posten aufgestellt waren, deren Wachsamkeit aber im Laufe der langen Be¬
lagerung nachgelassen haben mag.

Die Franzosen, die anfangs meinten, es handle sich wieder nur um eines
der gewöhnlichen nächtlichen Scharmützel, mußten die Gefahr ihrer Situation
bald einsehen. Im Westen hatten sie Pavia, im Osten die eignen Schanzen,
die einen Rückzug hinderten, im Süden den Tessin, im Norden den Feind.
Als sich die Morgennebel hoben, konnte König Franz von seinem Standorte
San Paolo das ununterbrochne Eindringen der Kaiserlichen in den Tiergarten
beobachten. Er ließ nun zunächst durch dreißig Geschütze den linken Flügel des
Feindes beschießen. Karls Artillerie hat in der ganzen Schlacht überhaupt
keinen Schuß abgegeben. Dann rückte der König persönlich an der Spitze
seiner Iwininss ä'armos vor. „Dieser Angriff nötigte die französischen Geschütze
sofort zum Einstellen des Feuers. Der König hatte sich somit selbst um den
Einfluß jener Waffe gebracht, in welcher er den Kaiserlichen außerordentlich
überlegen war, ja diese ihm gar nichts entgegensetzen konnten."

Der Anprall von Franzens schwerer Reiterei scheint furchtbar gewesen zu
sein. „Es war ein schwerer angriff, schreibt Reißner, zu beyden seit waren alte
Kriegsleut, die nicht allein umb Ehr sondern umb das Italisch Imperium
kriegten." Salm hat, wie dieselbe Quelle meldet, mit seinen Reisigen „tapffer
nachgedruckt", wurde aber zurückgedrängt. Es war ein kritischer Augenblick.
Der König ließ ein wenig halten, um die Pferde verschnaufen zu lassen. Zu
dem neben ihm reitenden Herrn von Lesen soll er gesagt haben: „Herr, heute
will ich mich Gebieter von Mailand nennen."

Nun ließ der im Zentrum der Kaiserlichen stehende Pescara etwa
1500 spanische Arkebusiere wider die siegreich vordringende französische Reiterei
los. Gedecke durch das wellige Terrain, durch die Wäldchen und Büsche, teil¬
weise auch durch den Bach, eröffneten die Scharfschützen ein mörderisches Feuer
auf die Ritter, die in ihren schweren Rüstungen gegen eine so leichtbewegliche
Kampfart schutzlos waren. Bald bedeckten zahlreiche Glieder des vornehmsten
französischen Adels mit ihren prächtigen Streitrossen das Schlachtfeld.

Nun trafen auch die auf dem linken Flügel der Kaiserlichen stehenden
Landsknechtregimenter des Frundsberg und Marx Sittich mit der Kemäs noirs
zusammen, der sie an Zahl wohl um das Doppelte überlegen waren. Hier
fochten Deutsche gegen Deutsche; vielleicht war gerade dies der Grund, warum
hier der Kampf am erbittertsten und erbarmungslosesten wütete. Frundsberg
ließ keinen Pardon geben; der biedere Schwabe sah in den Schwarzen Ver¬
räter an der Sache seines deutschen Vaterlands. So fielen Franz von Lothringen,
der Graf von Nassau, mehr als fünfzig deutsche Grafen und Herren. Die
tamas moll-6, bis dahin so gefürchtet, wurde nach löwentapferer Gegenwehr
vernichtet, schier bis auf den letzten Mann aufgerieben. Nun fielen auch die
dreiundfünfzig französischen Geschütze in die Hände der Kaiserlichen.

Da der 400 dommss ä'armes als Nachhut befestigende Herzog von


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[0616] Die Schlacht bei Pavia Posten aufgestellt waren, deren Wachsamkeit aber im Laufe der langen Be¬ lagerung nachgelassen haben mag. Die Franzosen, die anfangs meinten, es handle sich wieder nur um eines der gewöhnlichen nächtlichen Scharmützel, mußten die Gefahr ihrer Situation bald einsehen. Im Westen hatten sie Pavia, im Osten die eignen Schanzen, die einen Rückzug hinderten, im Süden den Tessin, im Norden den Feind. Als sich die Morgennebel hoben, konnte König Franz von seinem Standorte San Paolo das ununterbrochne Eindringen der Kaiserlichen in den Tiergarten beobachten. Er ließ nun zunächst durch dreißig Geschütze den linken Flügel des Feindes beschießen. Karls Artillerie hat in der ganzen Schlacht überhaupt keinen Schuß abgegeben. Dann rückte der König persönlich an der Spitze seiner Iwininss ä'armos vor. „Dieser Angriff nötigte die französischen Geschütze sofort zum Einstellen des Feuers. Der König hatte sich somit selbst um den Einfluß jener Waffe gebracht, in welcher er den Kaiserlichen außerordentlich überlegen war, ja diese ihm gar nichts entgegensetzen konnten." Der Anprall von Franzens schwerer Reiterei scheint furchtbar gewesen zu sein. „Es war ein schwerer angriff, schreibt Reißner, zu beyden seit waren alte Kriegsleut, die nicht allein umb Ehr sondern umb das Italisch Imperium kriegten." Salm hat, wie dieselbe Quelle meldet, mit seinen Reisigen „tapffer nachgedruckt", wurde aber zurückgedrängt. Es war ein kritischer Augenblick. Der König ließ ein wenig halten, um die Pferde verschnaufen zu lassen. Zu dem neben ihm reitenden Herrn von Lesen soll er gesagt haben: „Herr, heute will ich mich Gebieter von Mailand nennen." Nun ließ der im Zentrum der Kaiserlichen stehende Pescara etwa 1500 spanische Arkebusiere wider die siegreich vordringende französische Reiterei los. Gedecke durch das wellige Terrain, durch die Wäldchen und Büsche, teil¬ weise auch durch den Bach, eröffneten die Scharfschützen ein mörderisches Feuer auf die Ritter, die in ihren schweren Rüstungen gegen eine so leichtbewegliche Kampfart schutzlos waren. Bald bedeckten zahlreiche Glieder des vornehmsten französischen Adels mit ihren prächtigen Streitrossen das Schlachtfeld. Nun trafen auch die auf dem linken Flügel der Kaiserlichen stehenden Landsknechtregimenter des Frundsberg und Marx Sittich mit der Kemäs noirs zusammen, der sie an Zahl wohl um das Doppelte überlegen waren. Hier fochten Deutsche gegen Deutsche; vielleicht war gerade dies der Grund, warum hier der Kampf am erbittertsten und erbarmungslosesten wütete. Frundsberg ließ keinen Pardon geben; der biedere Schwabe sah in den Schwarzen Ver¬ räter an der Sache seines deutschen Vaterlands. So fielen Franz von Lothringen, der Graf von Nassau, mehr als fünfzig deutsche Grafen und Herren. Die tamas moll-6, bis dahin so gefürchtet, wurde nach löwentapferer Gegenwehr vernichtet, schier bis auf den letzten Mann aufgerieben. Nun fielen auch die dreiundfünfzig französischen Geschütze in die Hände der Kaiserlichen. Da der 400 dommss ä'armes als Nachhut befestigende Herzog von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/616>, abgerufen am 21.06.2024.