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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die Schlacht bei pavia

Kampfeslust bei Karls Scharen. Auch waren hier die bessern Führer. "Stand
doch an der Spitze der Landsknechte Frundsberg selbst, der seine Landsknechte
taktisch so weit ausgebildet hatte, daß sie an die Stelle der bis dahin für
unüberwindlich geltenden Schweizer traten. Führte doch Pescara in eigner
Person die Spanier."

An der Nordseite der alten langobardischen Krönungsstadt lag das von
mächtigen Ecktürmen verstärkte Kastell, die einstige Residenz der Visconti. Und
nördlich davor der Tiergarten, auch aus der Zeit der Visconti stammend, ein
mächtiger, fünfzehn Kilometer im Umfang messender Wildpark, das Gelände
sanft wellenförmig mit weiten Grasflächen und einigen Wäldchen. Er war von
einer starken Backsteinmauer umschlossen. Etwa in der Mitte des Tiergartens
lag das Jagdschlößchen (oder der Meierhof) Mirabell. Durch den Park floß
von Norden nach Süden der schmale Vernacula- oder Vernavolabach. Östlich
von Pavia lagerten, wie schon erwähnt worden ist. die Franzosen, nordöstlich
Pescaras beutelustige und sichessichere Armee. Da ein direkter Angriff auf das
starke Lager des Königs aussichtslos schien, beschloß Pescara in der Nacht
vom 23. auf den 24. März die Tiergartenmauer zu durchbrechen, das kaiserliche
Heer in den Park eindringen zu lassen und den König entweder zum Ver¬
lassen seines festen Lagers oder zum Rückzug über den Tessin gegen Süden
zu zwingen. Zugleich wurde Leyva durch Boten verständigt, falls er in der
Morgenfrühe drei Kanonenschüsse hören würde, mit voller Macht aus Pavia
zu brechen und gegen Mirabell vorzudringen. Pescara gab die Losung luala
Ausrig. aus, will sagen, es solle kein Pardon gegeben werden, eine grausame,
von den Schweizern in Übung gebrachte Kriegssitte. So war von kaiserlicher
Seite alles wohl überlegt und vorbereitet, während die Franzosen, sorglos
gemacht durch die lange Untätigkeit des Feindes, von dem bevorstehenden Ent¬
scheidungskampfe nichts ahnten.

Die Nacht vom 23. auf den 24. war mondlos sternenhell. Spanier und
Landsknechte erhielten, um im Dunkel der Nacht Freund und Feind zu unter¬
scheiden, Befehl, Hemden über ihre Rüstungen zu ziehen. "Eine Forderung,
die manchen frommen Landsknecht in Verlegenheit setzte. Weißes Papier mußte
dann aushelfen." Frundsberg soll nach einer Quelle in der Schlacht eine
Mönchskutte getragen haben.

In der Nacht warfen also Schanzarbciter der Kaiserlichen die Tier¬
gartenmauer an drei Stellen ihrer Nordseite ein. Geschütze wagte man des
Lärmes wegen nicht zu verwenden. Es war fast Tag, als man damit fertig
wurde. Im Morgennebel rückten dann zunächst etwa 3000 Mann in den
Wildpark ein. Nun wurden auch die drei Kanonenschüsse gelöst, und von Pavia
her dröhnte die Antwort. Schloß Mirabell wurde zunächst besetzt. Dann
rückte das Haupttreffen des kaiserlichen Heeres durch die drei Breschen nach.
Daß dies so unbehindert möglich war, erklärt sich daraus, daß König Franz
der Stärke der Tiergartenmauer allzusehr vertraut hatte, daß wohl französische


Die Schlacht bei pavia

Kampfeslust bei Karls Scharen. Auch waren hier die bessern Führer. „Stand
doch an der Spitze der Landsknechte Frundsberg selbst, der seine Landsknechte
taktisch so weit ausgebildet hatte, daß sie an die Stelle der bis dahin für
unüberwindlich geltenden Schweizer traten. Führte doch Pescara in eigner
Person die Spanier."

An der Nordseite der alten langobardischen Krönungsstadt lag das von
mächtigen Ecktürmen verstärkte Kastell, die einstige Residenz der Visconti. Und
nördlich davor der Tiergarten, auch aus der Zeit der Visconti stammend, ein
mächtiger, fünfzehn Kilometer im Umfang messender Wildpark, das Gelände
sanft wellenförmig mit weiten Grasflächen und einigen Wäldchen. Er war von
einer starken Backsteinmauer umschlossen. Etwa in der Mitte des Tiergartens
lag das Jagdschlößchen (oder der Meierhof) Mirabell. Durch den Park floß
von Norden nach Süden der schmale Vernacula- oder Vernavolabach. Östlich
von Pavia lagerten, wie schon erwähnt worden ist. die Franzosen, nordöstlich
Pescaras beutelustige und sichessichere Armee. Da ein direkter Angriff auf das
starke Lager des Königs aussichtslos schien, beschloß Pescara in der Nacht
vom 23. auf den 24. März die Tiergartenmauer zu durchbrechen, das kaiserliche
Heer in den Park eindringen zu lassen und den König entweder zum Ver¬
lassen seines festen Lagers oder zum Rückzug über den Tessin gegen Süden
zu zwingen. Zugleich wurde Leyva durch Boten verständigt, falls er in der
Morgenfrühe drei Kanonenschüsse hören würde, mit voller Macht aus Pavia
zu brechen und gegen Mirabell vorzudringen. Pescara gab die Losung luala
Ausrig. aus, will sagen, es solle kein Pardon gegeben werden, eine grausame,
von den Schweizern in Übung gebrachte Kriegssitte. So war von kaiserlicher
Seite alles wohl überlegt und vorbereitet, während die Franzosen, sorglos
gemacht durch die lange Untätigkeit des Feindes, von dem bevorstehenden Ent¬
scheidungskampfe nichts ahnten.

Die Nacht vom 23. auf den 24. war mondlos sternenhell. Spanier und
Landsknechte erhielten, um im Dunkel der Nacht Freund und Feind zu unter¬
scheiden, Befehl, Hemden über ihre Rüstungen zu ziehen. „Eine Forderung,
die manchen frommen Landsknecht in Verlegenheit setzte. Weißes Papier mußte
dann aushelfen." Frundsberg soll nach einer Quelle in der Schlacht eine
Mönchskutte getragen haben.

In der Nacht warfen also Schanzarbciter der Kaiserlichen die Tier¬
gartenmauer an drei Stellen ihrer Nordseite ein. Geschütze wagte man des
Lärmes wegen nicht zu verwenden. Es war fast Tag, als man damit fertig
wurde. Im Morgennebel rückten dann zunächst etwa 3000 Mann in den
Wildpark ein. Nun wurden auch die drei Kanonenschüsse gelöst, und von Pavia
her dröhnte die Antwort. Schloß Mirabell wurde zunächst besetzt. Dann
rückte das Haupttreffen des kaiserlichen Heeres durch die drei Breschen nach.
Daß dies so unbehindert möglich war, erklärt sich daraus, daß König Franz
der Stärke der Tiergartenmauer allzusehr vertraut hatte, daß wohl französische


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[0615] Die Schlacht bei pavia Kampfeslust bei Karls Scharen. Auch waren hier die bessern Führer. „Stand doch an der Spitze der Landsknechte Frundsberg selbst, der seine Landsknechte taktisch so weit ausgebildet hatte, daß sie an die Stelle der bis dahin für unüberwindlich geltenden Schweizer traten. Führte doch Pescara in eigner Person die Spanier." An der Nordseite der alten langobardischen Krönungsstadt lag das von mächtigen Ecktürmen verstärkte Kastell, die einstige Residenz der Visconti. Und nördlich davor der Tiergarten, auch aus der Zeit der Visconti stammend, ein mächtiger, fünfzehn Kilometer im Umfang messender Wildpark, das Gelände sanft wellenförmig mit weiten Grasflächen und einigen Wäldchen. Er war von einer starken Backsteinmauer umschlossen. Etwa in der Mitte des Tiergartens lag das Jagdschlößchen (oder der Meierhof) Mirabell. Durch den Park floß von Norden nach Süden der schmale Vernacula- oder Vernavolabach. Östlich von Pavia lagerten, wie schon erwähnt worden ist. die Franzosen, nordöstlich Pescaras beutelustige und sichessichere Armee. Da ein direkter Angriff auf das starke Lager des Königs aussichtslos schien, beschloß Pescara in der Nacht vom 23. auf den 24. März die Tiergartenmauer zu durchbrechen, das kaiserliche Heer in den Park eindringen zu lassen und den König entweder zum Ver¬ lassen seines festen Lagers oder zum Rückzug über den Tessin gegen Süden zu zwingen. Zugleich wurde Leyva durch Boten verständigt, falls er in der Morgenfrühe drei Kanonenschüsse hören würde, mit voller Macht aus Pavia zu brechen und gegen Mirabell vorzudringen. Pescara gab die Losung luala Ausrig. aus, will sagen, es solle kein Pardon gegeben werden, eine grausame, von den Schweizern in Übung gebrachte Kriegssitte. So war von kaiserlicher Seite alles wohl überlegt und vorbereitet, während die Franzosen, sorglos gemacht durch die lange Untätigkeit des Feindes, von dem bevorstehenden Ent¬ scheidungskampfe nichts ahnten. Die Nacht vom 23. auf den 24. war mondlos sternenhell. Spanier und Landsknechte erhielten, um im Dunkel der Nacht Freund und Feind zu unter¬ scheiden, Befehl, Hemden über ihre Rüstungen zu ziehen. „Eine Forderung, die manchen frommen Landsknecht in Verlegenheit setzte. Weißes Papier mußte dann aushelfen." Frundsberg soll nach einer Quelle in der Schlacht eine Mönchskutte getragen haben. In der Nacht warfen also Schanzarbciter der Kaiserlichen die Tier¬ gartenmauer an drei Stellen ihrer Nordseite ein. Geschütze wagte man des Lärmes wegen nicht zu verwenden. Es war fast Tag, als man damit fertig wurde. Im Morgennebel rückten dann zunächst etwa 3000 Mann in den Wildpark ein. Nun wurden auch die drei Kanonenschüsse gelöst, und von Pavia her dröhnte die Antwort. Schloß Mirabell wurde zunächst besetzt. Dann rückte das Haupttreffen des kaiserlichen Heeres durch die drei Breschen nach. Daß dies so unbehindert möglich war, erklärt sich daraus, daß König Franz der Stärke der Tiergartenmauer allzusehr vertraut hatte, daß wohl französische

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/615>, abgerufen am 21.06.2024.