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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die Schlacht bei Pavia

geheime Botschaften immer dringlicher um Entsatz. Nur mit Anstrengung war
es gelungen, die spanischen Arkebusiere und die deutschen Landsknechte neuer¬
lich auf einige Tage zu verpflichten, wohl mit Hinweis auf das mit allem
versehene Lager der Franzosen, das die reichste Beute versprach. Bemerkt sei
noch, daß sich hier (wie es heißt) an Pescara französische Bestechungsversuche
heranwagten, die der Marchese mit den verächtlich-stolzen Worten abwies,
der König solle sein Geld behalten, er werde es bald zu seiner Freilösung
brauchen. Von Frundsberg aber wird erzählt, daß er schon im Lager von
Lodi einen päpstlichen Legaten, der zu unterhandeln kam, mit "blosem Schwerdt
abgefertiget und ja auß dem läger getrieben" habe.

So entschloß sich endlich Pescara. hauptsächlich durch die Geldnot ge¬
zwungen, den Tag des Apostels Matthias -- 24. März -- zum Losschlagen
zu bestimmen. Fünfundzwanzig Jahre vorher, genau auf den Tag, war die
Gattin des Erzherzogs Philipp, Johanna, zu Gent plötzlich von Geburtswehen
überfallen worden und hatte -- auf dem geheimen Gemache -- einem Knaben
das Leben geschenkt, der nun Kaiser Karl hieß und nach dem hyperbolischer
Worte des persischen Gesandten "die Sonne zum Hut" hatte.

Die Schlacht unter den Mauern Pavias, die weder zu den ganz großen
noch zu den Länder- und Völkergeschicke bestimmenden gehört, ist gleichwohl
eine der berühmtesten aller Zeiten geworden. Sie ist eben nach der militärischen,
nach der politischen und nach der menschlichen Seite hin interessant, reich an
ritterlichen Episoden und an die Einbildungskraft packenden Wendungen; merk¬
würdig auch durch die Zahl der Nationen (Deutsche, Franzosen, Spanier,
Italiener), die an ihr teilnahmen, und daß, wie leider so oft, auch hier Deutsche
gegen Deutsche fochten und den altbewährten Kriegsruhm ihres Volkes im
Bruderkampf gegeneinander maßen. Merkwürdig endlich ist auch die Mischung
zwischen ritterlicher und moderner Kampfesart und die Rolle, die der Feuerwaffe
nun beschieden war. Die Quellen über die Schlacht und ihre Literatur hat
Reinhard Thom in dem obenerwähnten Buche sorgfältig zusammengestellt. Wichtig
ist besonders der Schlachtbericht Frundsbergs, der in zahlreichen Flugschriften
verbreitet wurde und trotz seines ungelenken Stils den Eindruck der größten
Vertrauenswürdigkeit macht; ferner der Bericht Pescaras, der allerdings
speziell für den Kaiser geschrieben und auf diesen berechnet ist; die Briefe des
Abts von Najera, der Schatzmeister des kaiserlichen Heeres und dessen erster
Verwaltungsbeamter war, wie es scheint, ein ergebner Diener Karls und dessen
eifriger Korrespondent, sowie Berichte andrer Teilnehmer oder Zuseher am
Kampfe. Von spätern Darstellungen ist die Adam Reißners in seiner "Historia
Herrn Georgen und Herrn Kasparn von Frundsberg" (Frankfurt am Main, 1568)
bemerkenswert und reich an Einzelheiten, endlich von neuern Arbeiten die von
Konrad Häbler und Max Jähns; gegen diesen letzten polemisiert Thom in
mehreren Punkten. Die zeitgenössischen Darstellungen der Schlacht weichen,
wie dies ja in ähnlichen Fällen fast immer vorkommt, im einzelnen vielfach


Die Schlacht bei Pavia

geheime Botschaften immer dringlicher um Entsatz. Nur mit Anstrengung war
es gelungen, die spanischen Arkebusiere und die deutschen Landsknechte neuer¬
lich auf einige Tage zu verpflichten, wohl mit Hinweis auf das mit allem
versehene Lager der Franzosen, das die reichste Beute versprach. Bemerkt sei
noch, daß sich hier (wie es heißt) an Pescara französische Bestechungsversuche
heranwagten, die der Marchese mit den verächtlich-stolzen Worten abwies,
der König solle sein Geld behalten, er werde es bald zu seiner Freilösung
brauchen. Von Frundsberg aber wird erzählt, daß er schon im Lager von
Lodi einen päpstlichen Legaten, der zu unterhandeln kam, mit „blosem Schwerdt
abgefertiget und ja auß dem läger getrieben" habe.

So entschloß sich endlich Pescara. hauptsächlich durch die Geldnot ge¬
zwungen, den Tag des Apostels Matthias — 24. März — zum Losschlagen
zu bestimmen. Fünfundzwanzig Jahre vorher, genau auf den Tag, war die
Gattin des Erzherzogs Philipp, Johanna, zu Gent plötzlich von Geburtswehen
überfallen worden und hatte — auf dem geheimen Gemache — einem Knaben
das Leben geschenkt, der nun Kaiser Karl hieß und nach dem hyperbolischer
Worte des persischen Gesandten „die Sonne zum Hut" hatte.

Die Schlacht unter den Mauern Pavias, die weder zu den ganz großen
noch zu den Länder- und Völkergeschicke bestimmenden gehört, ist gleichwohl
eine der berühmtesten aller Zeiten geworden. Sie ist eben nach der militärischen,
nach der politischen und nach der menschlichen Seite hin interessant, reich an
ritterlichen Episoden und an die Einbildungskraft packenden Wendungen; merk¬
würdig auch durch die Zahl der Nationen (Deutsche, Franzosen, Spanier,
Italiener), die an ihr teilnahmen, und daß, wie leider so oft, auch hier Deutsche
gegen Deutsche fochten und den altbewährten Kriegsruhm ihres Volkes im
Bruderkampf gegeneinander maßen. Merkwürdig endlich ist auch die Mischung
zwischen ritterlicher und moderner Kampfesart und die Rolle, die der Feuerwaffe
nun beschieden war. Die Quellen über die Schlacht und ihre Literatur hat
Reinhard Thom in dem obenerwähnten Buche sorgfältig zusammengestellt. Wichtig
ist besonders der Schlachtbericht Frundsbergs, der in zahlreichen Flugschriften
verbreitet wurde und trotz seines ungelenken Stils den Eindruck der größten
Vertrauenswürdigkeit macht; ferner der Bericht Pescaras, der allerdings
speziell für den Kaiser geschrieben und auf diesen berechnet ist; die Briefe des
Abts von Najera, der Schatzmeister des kaiserlichen Heeres und dessen erster
Verwaltungsbeamter war, wie es scheint, ein ergebner Diener Karls und dessen
eifriger Korrespondent, sowie Berichte andrer Teilnehmer oder Zuseher am
Kampfe. Von spätern Darstellungen ist die Adam Reißners in seiner „Historia
Herrn Georgen und Herrn Kasparn von Frundsberg" (Frankfurt am Main, 1568)
bemerkenswert und reich an Einzelheiten, endlich von neuern Arbeiten die von
Konrad Häbler und Max Jähns; gegen diesen letzten polemisiert Thom in
mehreren Punkten. Die zeitgenössischen Darstellungen der Schlacht weichen,
wie dies ja in ähnlichen Fällen fast immer vorkommt, im einzelnen vielfach


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[0613] Die Schlacht bei Pavia geheime Botschaften immer dringlicher um Entsatz. Nur mit Anstrengung war es gelungen, die spanischen Arkebusiere und die deutschen Landsknechte neuer¬ lich auf einige Tage zu verpflichten, wohl mit Hinweis auf das mit allem versehene Lager der Franzosen, das die reichste Beute versprach. Bemerkt sei noch, daß sich hier (wie es heißt) an Pescara französische Bestechungsversuche heranwagten, die der Marchese mit den verächtlich-stolzen Worten abwies, der König solle sein Geld behalten, er werde es bald zu seiner Freilösung brauchen. Von Frundsberg aber wird erzählt, daß er schon im Lager von Lodi einen päpstlichen Legaten, der zu unterhandeln kam, mit „blosem Schwerdt abgefertiget und ja auß dem läger getrieben" habe. So entschloß sich endlich Pescara. hauptsächlich durch die Geldnot ge¬ zwungen, den Tag des Apostels Matthias — 24. März — zum Losschlagen zu bestimmen. Fünfundzwanzig Jahre vorher, genau auf den Tag, war die Gattin des Erzherzogs Philipp, Johanna, zu Gent plötzlich von Geburtswehen überfallen worden und hatte — auf dem geheimen Gemache — einem Knaben das Leben geschenkt, der nun Kaiser Karl hieß und nach dem hyperbolischer Worte des persischen Gesandten „die Sonne zum Hut" hatte. Die Schlacht unter den Mauern Pavias, die weder zu den ganz großen noch zu den Länder- und Völkergeschicke bestimmenden gehört, ist gleichwohl eine der berühmtesten aller Zeiten geworden. Sie ist eben nach der militärischen, nach der politischen und nach der menschlichen Seite hin interessant, reich an ritterlichen Episoden und an die Einbildungskraft packenden Wendungen; merk¬ würdig auch durch die Zahl der Nationen (Deutsche, Franzosen, Spanier, Italiener), die an ihr teilnahmen, und daß, wie leider so oft, auch hier Deutsche gegen Deutsche fochten und den altbewährten Kriegsruhm ihres Volkes im Bruderkampf gegeneinander maßen. Merkwürdig endlich ist auch die Mischung zwischen ritterlicher und moderner Kampfesart und die Rolle, die der Feuerwaffe nun beschieden war. Die Quellen über die Schlacht und ihre Literatur hat Reinhard Thom in dem obenerwähnten Buche sorgfältig zusammengestellt. Wichtig ist besonders der Schlachtbericht Frundsbergs, der in zahlreichen Flugschriften verbreitet wurde und trotz seines ungelenken Stils den Eindruck der größten Vertrauenswürdigkeit macht; ferner der Bericht Pescaras, der allerdings speziell für den Kaiser geschrieben und auf diesen berechnet ist; die Briefe des Abts von Najera, der Schatzmeister des kaiserlichen Heeres und dessen erster Verwaltungsbeamter war, wie es scheint, ein ergebner Diener Karls und dessen eifriger Korrespondent, sowie Berichte andrer Teilnehmer oder Zuseher am Kampfe. Von spätern Darstellungen ist die Adam Reißners in seiner „Historia Herrn Georgen und Herrn Kasparn von Frundsberg" (Frankfurt am Main, 1568) bemerkenswert und reich an Einzelheiten, endlich von neuern Arbeiten die von Konrad Häbler und Max Jähns; gegen diesen letzten polemisiert Thom in mehreren Punkten. Die zeitgenössischen Darstellungen der Schlacht weichen, wie dies ja in ähnlichen Fällen fast immer vorkommt, im einzelnen vielfach

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/613>, abgerufen am 21.06.2024.