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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die Schlacht bei pavia

sammelte sich so um Lodi eine kaiserliche Streitmacht, recht ansehnlich nach den
Begriffen jener Zeit. In Franz Ferdinand von Avalos, Marchese von Pescara,
hatte Karl den richtigen Führer eines so vorzüglichen Heeres. Pescara, der
am Siege von Bicocca hervorragenden Anteil genommen hatte, war, damals
erst fünfunddreißigjährig, wohl der bedeutendste General seiner Zeit, der "un¬
bestritten überlegne Kopf im Heere", wie Thom sagt, dabei "ein fein wägender
Geist, der wie kein andrer Feldherr Karls des Fünften der Welt und Zeit
eines Macchiavell anzugehören scheint".

König Franz hatte sein Hauptquartier von San Lcmfrcmco nach dem
Kloster San Paolo verlegt und konzentrierte seine Hauptmacht auf der Hügel¬
reihe östlich von Pavia bis an den Tessin hinab. Das kaiserliche Heer aber
brach am 24. Januar von Lodi auf und schien auf Mailand loszugehn, um
Franz zur Aufhebung der Belagerung zu veranlassen. Da dies vergebens
war, wandte sich Pescara plötzlich gegen Süden und nahm nach zwei Stürmen
das etwa zwanzig Kilometer östlich von Pavia liegende Kastell San Angelo
(wobei er sich persönlich durch Tapferkeit hervortat); am 3. Februar nahmen
die Kaiserlichen bei Prado und Lardirago, nur noch wenige Kilometer nord¬
östlich von Pavia Stellung, fast unmittelbar an den feindlichen Verschanzungen.

Schon damals machte sich im Heere Karls der Geldmangel auf das
empfindlichste geltend. Das war ja die Erbkrankheit des Hauses Habsburg.
Sie hatte dem langlebigen Kaiser Friedrich Demütigung auf Demütigung
gebracht; sie hatte so manchen kühnen Plan seines Sohnes Maximilian zerstört.
An den jungen Kaiser aber hatte der Vizekönig von Neapel, Karl von Munkenwall,
Marquis von Lcmoy, der auch beim Heere war, schon im Dezember 1524
geschrieben, man brauche mindestens hunderttausend Dukaten, um der Armee
den rückständigen und laufenden Sold zu bezahlen. Aber Geld kam keins,
und es kostete Pescara und Frundsberg Mühe genug, die Söldner wenigstens
noch auf kurze Zeit zu verpflichten.

In Franzens Kriegsrat drängten die alten, erfahrnen Generale, die zum
Teil noch unter Ludwig dem Elster ihre Sporen verdient hatten, der König
möge die Belagerung aufheben, ein festes Lager nördlich von der Stadt beziehn
und einer Schlacht ausweichen. Sie wiesen darauf hin, daß das kaiserliche Heer
dem französischen überlegen sei, sich aber, falls es nicht zum Schlagen käme,
dank der Geldknappheit bald selbst auflösen würde. Auch Papst Clemens soll
dem König einen ähnlichen Rat erteilt haben. Franz aber folgte zu seinem
Verderben, wie schon früher öfter, dem Rate des jungen Admirals Bonnivet,
der, ein glatter Hofmann, wie es scheint, seinem Herrn das empfahl, was dieser
in seinem ritterlichen Tatendurst selbst wollte. So beschloß Franz, den Feind
in seinem Lager vor Pavia zu erwarten. Beide Teile, in ihren Verschanzungen
einander nahe gegenüberliegend, lieferten sich einige kleine Gefechte ohne Be¬
deutung. Aber die Kaiserlichen konnten bald nicht länger zuwarten. In Pavia
war die Not der Belagerten aufs höchste gestiegen, und Leyva bat durch


Die Schlacht bei pavia

sammelte sich so um Lodi eine kaiserliche Streitmacht, recht ansehnlich nach den
Begriffen jener Zeit. In Franz Ferdinand von Avalos, Marchese von Pescara,
hatte Karl den richtigen Führer eines so vorzüglichen Heeres. Pescara, der
am Siege von Bicocca hervorragenden Anteil genommen hatte, war, damals
erst fünfunddreißigjährig, wohl der bedeutendste General seiner Zeit, der „un¬
bestritten überlegne Kopf im Heere", wie Thom sagt, dabei „ein fein wägender
Geist, der wie kein andrer Feldherr Karls des Fünften der Welt und Zeit
eines Macchiavell anzugehören scheint".

König Franz hatte sein Hauptquartier von San Lcmfrcmco nach dem
Kloster San Paolo verlegt und konzentrierte seine Hauptmacht auf der Hügel¬
reihe östlich von Pavia bis an den Tessin hinab. Das kaiserliche Heer aber
brach am 24. Januar von Lodi auf und schien auf Mailand loszugehn, um
Franz zur Aufhebung der Belagerung zu veranlassen. Da dies vergebens
war, wandte sich Pescara plötzlich gegen Süden und nahm nach zwei Stürmen
das etwa zwanzig Kilometer östlich von Pavia liegende Kastell San Angelo
(wobei er sich persönlich durch Tapferkeit hervortat); am 3. Februar nahmen
die Kaiserlichen bei Prado und Lardirago, nur noch wenige Kilometer nord¬
östlich von Pavia Stellung, fast unmittelbar an den feindlichen Verschanzungen.

Schon damals machte sich im Heere Karls der Geldmangel auf das
empfindlichste geltend. Das war ja die Erbkrankheit des Hauses Habsburg.
Sie hatte dem langlebigen Kaiser Friedrich Demütigung auf Demütigung
gebracht; sie hatte so manchen kühnen Plan seines Sohnes Maximilian zerstört.
An den jungen Kaiser aber hatte der Vizekönig von Neapel, Karl von Munkenwall,
Marquis von Lcmoy, der auch beim Heere war, schon im Dezember 1524
geschrieben, man brauche mindestens hunderttausend Dukaten, um der Armee
den rückständigen und laufenden Sold zu bezahlen. Aber Geld kam keins,
und es kostete Pescara und Frundsberg Mühe genug, die Söldner wenigstens
noch auf kurze Zeit zu verpflichten.

In Franzens Kriegsrat drängten die alten, erfahrnen Generale, die zum
Teil noch unter Ludwig dem Elster ihre Sporen verdient hatten, der König
möge die Belagerung aufheben, ein festes Lager nördlich von der Stadt beziehn
und einer Schlacht ausweichen. Sie wiesen darauf hin, daß das kaiserliche Heer
dem französischen überlegen sei, sich aber, falls es nicht zum Schlagen käme,
dank der Geldknappheit bald selbst auflösen würde. Auch Papst Clemens soll
dem König einen ähnlichen Rat erteilt haben. Franz aber folgte zu seinem
Verderben, wie schon früher öfter, dem Rate des jungen Admirals Bonnivet,
der, ein glatter Hofmann, wie es scheint, seinem Herrn das empfahl, was dieser
in seinem ritterlichen Tatendurst selbst wollte. So beschloß Franz, den Feind
in seinem Lager vor Pavia zu erwarten. Beide Teile, in ihren Verschanzungen
einander nahe gegenüberliegend, lieferten sich einige kleine Gefechte ohne Be¬
deutung. Aber die Kaiserlichen konnten bald nicht länger zuwarten. In Pavia
war die Not der Belagerten aufs höchste gestiegen, und Leyva bat durch


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[0612] Die Schlacht bei pavia sammelte sich so um Lodi eine kaiserliche Streitmacht, recht ansehnlich nach den Begriffen jener Zeit. In Franz Ferdinand von Avalos, Marchese von Pescara, hatte Karl den richtigen Führer eines so vorzüglichen Heeres. Pescara, der am Siege von Bicocca hervorragenden Anteil genommen hatte, war, damals erst fünfunddreißigjährig, wohl der bedeutendste General seiner Zeit, der „un¬ bestritten überlegne Kopf im Heere", wie Thom sagt, dabei „ein fein wägender Geist, der wie kein andrer Feldherr Karls des Fünften der Welt und Zeit eines Macchiavell anzugehören scheint". König Franz hatte sein Hauptquartier von San Lcmfrcmco nach dem Kloster San Paolo verlegt und konzentrierte seine Hauptmacht auf der Hügel¬ reihe östlich von Pavia bis an den Tessin hinab. Das kaiserliche Heer aber brach am 24. Januar von Lodi auf und schien auf Mailand loszugehn, um Franz zur Aufhebung der Belagerung zu veranlassen. Da dies vergebens war, wandte sich Pescara plötzlich gegen Süden und nahm nach zwei Stürmen das etwa zwanzig Kilometer östlich von Pavia liegende Kastell San Angelo (wobei er sich persönlich durch Tapferkeit hervortat); am 3. Februar nahmen die Kaiserlichen bei Prado und Lardirago, nur noch wenige Kilometer nord¬ östlich von Pavia Stellung, fast unmittelbar an den feindlichen Verschanzungen. Schon damals machte sich im Heere Karls der Geldmangel auf das empfindlichste geltend. Das war ja die Erbkrankheit des Hauses Habsburg. Sie hatte dem langlebigen Kaiser Friedrich Demütigung auf Demütigung gebracht; sie hatte so manchen kühnen Plan seines Sohnes Maximilian zerstört. An den jungen Kaiser aber hatte der Vizekönig von Neapel, Karl von Munkenwall, Marquis von Lcmoy, der auch beim Heere war, schon im Dezember 1524 geschrieben, man brauche mindestens hunderttausend Dukaten, um der Armee den rückständigen und laufenden Sold zu bezahlen. Aber Geld kam keins, und es kostete Pescara und Frundsberg Mühe genug, die Söldner wenigstens noch auf kurze Zeit zu verpflichten. In Franzens Kriegsrat drängten die alten, erfahrnen Generale, die zum Teil noch unter Ludwig dem Elster ihre Sporen verdient hatten, der König möge die Belagerung aufheben, ein festes Lager nördlich von der Stadt beziehn und einer Schlacht ausweichen. Sie wiesen darauf hin, daß das kaiserliche Heer dem französischen überlegen sei, sich aber, falls es nicht zum Schlagen käme, dank der Geldknappheit bald selbst auflösen würde. Auch Papst Clemens soll dem König einen ähnlichen Rat erteilt haben. Franz aber folgte zu seinem Verderben, wie schon früher öfter, dem Rate des jungen Admirals Bonnivet, der, ein glatter Hofmann, wie es scheint, seinem Herrn das empfahl, was dieser in seinem ritterlichen Tatendurst selbst wollte. So beschloß Franz, den Feind in seinem Lager vor Pavia zu erwarten. Beide Teile, in ihren Verschanzungen einander nahe gegenüberliegend, lieferten sich einige kleine Gefechte ohne Be¬ deutung. Aber die Kaiserlichen konnten bald nicht länger zuwarten. In Pavia war die Not der Belagerten aufs höchste gestiegen, und Leyva bat durch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/612>, abgerufen am 21.06.2024.