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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die Schlacht bei Pavia

und vermögensrechtlich bedroht, zum Kaiser überging, ist eine interessante
Geschichte für sich. Karl von Bourbon, ein gefeierter Kriegsmann, ein Herr
von imposanter Person, schlug seine Landsleute 1524 in Italien, drang in die
Provence vor, nahm Toulon, fand aber vor Marseille tapfersten Widerstand.
Die Nachricht, daß König Franz im Oktober 1524 mit einem auserlesnen,
glänzenden, reichlich versorgten Heere über die Alpen gegangen sei, nötigte den
Connetable, die Belagerung Marseilles aufzuheben und auch seine Truppen
schleunigst wieder in die Lombardei zurückzuführen.

Damit begann ein Feldzug, der nur kurz währte, aber zu den merkwürdigsten
des kriegereichen sechzehnten Jahrhunderts zählt. Ein jüngst erschienenes, auf
gründlichem Quellenstudium fußendes Buch*) gibt uns den Anlaß, die Kampagne
von 1524 auf 1525, die sich in der Belagerung und in der Schlacht von Pavia
erschöpft, in ihren Hauptumrissen zu betrachten, hierbei aber auch einige Punkte
zu betonen, die das erwähnte treffliche Buch nur kurz streift oder (von seinem
Standpunkte mit Recht) übergeht.

Ein kaiserliches Heer sei in den Alpen verloren gegangen, spottete im
Herbst 1524 der römische Straßenwitz, der redliche Finder wird gebeten,
es gegen gute Belohnung abzugeben. Während sich die Kaiserlichen, aus
Frankreich zurückgeeilt, um Lodi sammelten, hielt Franz das ganze Land bis
zum Tessin besetzt; er war schon am 24. Oktober in Mailand eingezogen, hatte
sich aber dann gegen das militärisch weit wichtigere Pavia gewandt. Dies
gegen den Rat seiner erfahrnen, alten Generale, die ihm empfohlen hatten,
das geschwächte kaiserliche Heer bei Lodi anzugreifen.

In Pavia, das am 25. November von den Franzosen völlig eingeschlossen
war, lag unter dem Oberbefehl des kriegstüchtigen Antonio de Leyva eine
Besatzung, nicht stark an der Zahl, aber entschlossen und kaisertreu: 200 schwere
und 200 leichte Reiter, 400 spanische Arkebusiere und 5000 deutsche Lands¬
knechte, jene Kerntruppe, deren Rolle in den italienischen Kriegen immer
wichtiger wurde. Die Landsknechte waren von Eitelfriedrich von Hohenzollern
und unter ihm von Eck Reischach (der sich nachmals in den ersten Wiener
Türkenbelagerung hervortat), vou Graf Lodron, dem dreiundzwanzigjührigen
Sohne Frundsbergs u. a. befehligt. Auch der typisch gewordne Laudskuechtführer
Sebastian Schärtleiu vou Burtenbach verdiente sich, wie er in seiner Selbst¬
biographie sagt, zu Pavia die Sporen.

Die viermonatige Belagerung der festen lombardischen Stadt, die zu hoher
kriegsgeschichtlicher Berühmtheit gelangt ist, ist in einem 1525 zu Pavia er¬
schienenen Buche des Franciscus Taegius mit der anschaulichen, schlichten Kraft
des echten Chronisten beschrieben worden. Leyva leitete die Verteidigung mit
umsichtiger Verschlagenheit; Besatzung und Bürgerschaft wetteiferten in Tapfer¬
keit und Ausdauer. Zumal die alte Ghibellinenfamilie der Beccaria und die



*) N. Thom, Die Schlacht bei Pavia (24. Februar 1525). Berlin, Georg nannt, 1907.
Die Schlacht bei Pavia

und vermögensrechtlich bedroht, zum Kaiser überging, ist eine interessante
Geschichte für sich. Karl von Bourbon, ein gefeierter Kriegsmann, ein Herr
von imposanter Person, schlug seine Landsleute 1524 in Italien, drang in die
Provence vor, nahm Toulon, fand aber vor Marseille tapfersten Widerstand.
Die Nachricht, daß König Franz im Oktober 1524 mit einem auserlesnen,
glänzenden, reichlich versorgten Heere über die Alpen gegangen sei, nötigte den
Connetable, die Belagerung Marseilles aufzuheben und auch seine Truppen
schleunigst wieder in die Lombardei zurückzuführen.

Damit begann ein Feldzug, der nur kurz währte, aber zu den merkwürdigsten
des kriegereichen sechzehnten Jahrhunderts zählt. Ein jüngst erschienenes, auf
gründlichem Quellenstudium fußendes Buch*) gibt uns den Anlaß, die Kampagne
von 1524 auf 1525, die sich in der Belagerung und in der Schlacht von Pavia
erschöpft, in ihren Hauptumrissen zu betrachten, hierbei aber auch einige Punkte
zu betonen, die das erwähnte treffliche Buch nur kurz streift oder (von seinem
Standpunkte mit Recht) übergeht.

Ein kaiserliches Heer sei in den Alpen verloren gegangen, spottete im
Herbst 1524 der römische Straßenwitz, der redliche Finder wird gebeten,
es gegen gute Belohnung abzugeben. Während sich die Kaiserlichen, aus
Frankreich zurückgeeilt, um Lodi sammelten, hielt Franz das ganze Land bis
zum Tessin besetzt; er war schon am 24. Oktober in Mailand eingezogen, hatte
sich aber dann gegen das militärisch weit wichtigere Pavia gewandt. Dies
gegen den Rat seiner erfahrnen, alten Generale, die ihm empfohlen hatten,
das geschwächte kaiserliche Heer bei Lodi anzugreifen.

In Pavia, das am 25. November von den Franzosen völlig eingeschlossen
war, lag unter dem Oberbefehl des kriegstüchtigen Antonio de Leyva eine
Besatzung, nicht stark an der Zahl, aber entschlossen und kaisertreu: 200 schwere
und 200 leichte Reiter, 400 spanische Arkebusiere und 5000 deutsche Lands¬
knechte, jene Kerntruppe, deren Rolle in den italienischen Kriegen immer
wichtiger wurde. Die Landsknechte waren von Eitelfriedrich von Hohenzollern
und unter ihm von Eck Reischach (der sich nachmals in den ersten Wiener
Türkenbelagerung hervortat), vou Graf Lodron, dem dreiundzwanzigjührigen
Sohne Frundsbergs u. a. befehligt. Auch der typisch gewordne Laudskuechtführer
Sebastian Schärtleiu vou Burtenbach verdiente sich, wie er in seiner Selbst¬
biographie sagt, zu Pavia die Sporen.

Die viermonatige Belagerung der festen lombardischen Stadt, die zu hoher
kriegsgeschichtlicher Berühmtheit gelangt ist, ist in einem 1525 zu Pavia er¬
schienenen Buche des Franciscus Taegius mit der anschaulichen, schlichten Kraft
des echten Chronisten beschrieben worden. Leyva leitete die Verteidigung mit
umsichtiger Verschlagenheit; Besatzung und Bürgerschaft wetteiferten in Tapfer¬
keit und Ausdauer. Zumal die alte Ghibellinenfamilie der Beccaria und die



*) N. Thom, Die Schlacht bei Pavia (24. Februar 1525). Berlin, Georg nannt, 1907.
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[0610] Die Schlacht bei Pavia und vermögensrechtlich bedroht, zum Kaiser überging, ist eine interessante Geschichte für sich. Karl von Bourbon, ein gefeierter Kriegsmann, ein Herr von imposanter Person, schlug seine Landsleute 1524 in Italien, drang in die Provence vor, nahm Toulon, fand aber vor Marseille tapfersten Widerstand. Die Nachricht, daß König Franz im Oktober 1524 mit einem auserlesnen, glänzenden, reichlich versorgten Heere über die Alpen gegangen sei, nötigte den Connetable, die Belagerung Marseilles aufzuheben und auch seine Truppen schleunigst wieder in die Lombardei zurückzuführen. Damit begann ein Feldzug, der nur kurz währte, aber zu den merkwürdigsten des kriegereichen sechzehnten Jahrhunderts zählt. Ein jüngst erschienenes, auf gründlichem Quellenstudium fußendes Buch*) gibt uns den Anlaß, die Kampagne von 1524 auf 1525, die sich in der Belagerung und in der Schlacht von Pavia erschöpft, in ihren Hauptumrissen zu betrachten, hierbei aber auch einige Punkte zu betonen, die das erwähnte treffliche Buch nur kurz streift oder (von seinem Standpunkte mit Recht) übergeht. Ein kaiserliches Heer sei in den Alpen verloren gegangen, spottete im Herbst 1524 der römische Straßenwitz, der redliche Finder wird gebeten, es gegen gute Belohnung abzugeben. Während sich die Kaiserlichen, aus Frankreich zurückgeeilt, um Lodi sammelten, hielt Franz das ganze Land bis zum Tessin besetzt; er war schon am 24. Oktober in Mailand eingezogen, hatte sich aber dann gegen das militärisch weit wichtigere Pavia gewandt. Dies gegen den Rat seiner erfahrnen, alten Generale, die ihm empfohlen hatten, das geschwächte kaiserliche Heer bei Lodi anzugreifen. In Pavia, das am 25. November von den Franzosen völlig eingeschlossen war, lag unter dem Oberbefehl des kriegstüchtigen Antonio de Leyva eine Besatzung, nicht stark an der Zahl, aber entschlossen und kaisertreu: 200 schwere und 200 leichte Reiter, 400 spanische Arkebusiere und 5000 deutsche Lands¬ knechte, jene Kerntruppe, deren Rolle in den italienischen Kriegen immer wichtiger wurde. Die Landsknechte waren von Eitelfriedrich von Hohenzollern und unter ihm von Eck Reischach (der sich nachmals in den ersten Wiener Türkenbelagerung hervortat), vou Graf Lodron, dem dreiundzwanzigjührigen Sohne Frundsbergs u. a. befehligt. Auch der typisch gewordne Laudskuechtführer Sebastian Schärtleiu vou Burtenbach verdiente sich, wie er in seiner Selbst¬ biographie sagt, zu Pavia die Sporen. Die viermonatige Belagerung der festen lombardischen Stadt, die zu hoher kriegsgeschichtlicher Berühmtheit gelangt ist, ist in einem 1525 zu Pavia er¬ schienenen Buche des Franciscus Taegius mit der anschaulichen, schlichten Kraft des echten Chronisten beschrieben worden. Leyva leitete die Verteidigung mit umsichtiger Verschlagenheit; Besatzung und Bürgerschaft wetteiferten in Tapfer¬ keit und Ausdauer. Zumal die alte Ghibellinenfamilie der Beccaria und die *) N. Thom, Die Schlacht bei Pavia (24. Februar 1525). Berlin, Georg nannt, 1907.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/610>, abgerufen am 21.06.2024.