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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die Grenzvölker im Nordwesten Indiens und die Expedition gegen die Zakka Khels

Fehden unter sich als sakrosankt angesehn. Wer sich auf die Straße geflüchtet
hat, ist unverletzlich. Die Polizei wird ausschließlich von den Khaibar-Rifles
ausgeübt.

Wir können jetzt nach Beleuchtung der allgemeinen politischen Verhältnisse
zu dem letzten Zakka-Khel-Feldzug übergehn. Der Staatssekretär für Indien
zählte im Parlament eine lange Reihe von Räubereien und Ausschreitungen
auf, die sich die Zakka Khels seit Jahren haben zuschulde" kommen lassen,
darunter Plünderungen ganzer Dörfer, Wegtreiben des Viehs, Angriffe auf
Polizeistationen usw. Alle Warnungen hatten nichts gefruchtet, ebenso nicht
die Entziehung der Subsidien. Noch Anfang Januar, kurz vor der Straf¬
expedition, überfielen sie ein Regierungsdepot östlich von Peshawar und
führten eine Anzahl Maulesel fort, die ihnen später allerdings wieder ab¬
gejagt worden sind. Die Strafexpedition war von langer Hand sorgfältig
vorbereitet und sollte bis zum letzten Augenblick geheim gehalten werden, da
ein Erfolg erfahrungsmäßig nnr von einem überraschenden Angriff erwartet
werden kann.

Am 13. Februar rückten zwei Brigaden unter General Willcocks von
Peshawar von Osten her in das Bazartal, den Winteraufenthalt der Zakka
Khels. Das Tal zieht sich, einige Meilen südlich vom Khaibarpaß, von
Westen nach Osten und berührt im Westen die Grenze von Afghanistan. Um
den Feind an einem Überschreiten der Grenze zu hindern, rückte zu derselben
Zeit von dem Fort Lundi Kodak eine Truppenabteilung von Norden her in
das Tal. Keine der beiden Kolonnen traf auf ernstlichen Widerstand, die
Zakka Khels hatten trotz aller Geheimhaltung vorher Wind bekommen, eine
Überraschung konnte nicht stattfinden, und damit war ein nachhaltiger Erfolg
ausgeschlossen.

Die Expedition nahm jetzt den Verlauf ihrer meisten Vorgängerinnen.
Der Feind hatte seine Weiber und Kinder und Habseligkeiten in Sicherheit
gebracht, teils in ein andres, südlicher gelegnes Tal, teils über die Grenze
zu den Shiuwaris, einem verwandten afghanischen Volksstamm. Nachdem sich
die beiden englischen Truppenabteilungen vereinigt und zwei Ortschaften.
Wcilai und Chora. zerstört hatten, rückten sie gegen den Hauptort Chinar vor,
Tag und Nacht beunruhigt von dem zu beiden Seiten sich anhängenden
Gegner, der vou Mitgliedern befreundeter Stämme jenseits der Grenze noch
verstärkt gewesen sein soll. Die Dispositionen für den Marsch, die Einrichtung
der rückwärtigen Verbindungen waren verhältnismäßig leicht, da die Gegend
den Engländern aus frühern Expeditionen, die jetzige war die vierte, genau
bekannt ist. Nachdem Chinar eingenommen und zerstört war, kam es am
21. Februar im westlichen Teile des Tals unweit der Grenze zu einem größern
Gefecht, das mit dem Zurückweichen des Feindes endete, den Engländern aber
eine Anzahl Toter und Verwundeter kostete, unter den Toten einen Bataillons¬
kommandeur, Major Forbes Sempill.


Die Grenzvölker im Nordwesten Indiens und die Expedition gegen die Zakka Khels

Fehden unter sich als sakrosankt angesehn. Wer sich auf die Straße geflüchtet
hat, ist unverletzlich. Die Polizei wird ausschließlich von den Khaibar-Rifles
ausgeübt.

Wir können jetzt nach Beleuchtung der allgemeinen politischen Verhältnisse
zu dem letzten Zakka-Khel-Feldzug übergehn. Der Staatssekretär für Indien
zählte im Parlament eine lange Reihe von Räubereien und Ausschreitungen
auf, die sich die Zakka Khels seit Jahren haben zuschulde» kommen lassen,
darunter Plünderungen ganzer Dörfer, Wegtreiben des Viehs, Angriffe auf
Polizeistationen usw. Alle Warnungen hatten nichts gefruchtet, ebenso nicht
die Entziehung der Subsidien. Noch Anfang Januar, kurz vor der Straf¬
expedition, überfielen sie ein Regierungsdepot östlich von Peshawar und
führten eine Anzahl Maulesel fort, die ihnen später allerdings wieder ab¬
gejagt worden sind. Die Strafexpedition war von langer Hand sorgfältig
vorbereitet und sollte bis zum letzten Augenblick geheim gehalten werden, da
ein Erfolg erfahrungsmäßig nnr von einem überraschenden Angriff erwartet
werden kann.

Am 13. Februar rückten zwei Brigaden unter General Willcocks von
Peshawar von Osten her in das Bazartal, den Winteraufenthalt der Zakka
Khels. Das Tal zieht sich, einige Meilen südlich vom Khaibarpaß, von
Westen nach Osten und berührt im Westen die Grenze von Afghanistan. Um
den Feind an einem Überschreiten der Grenze zu hindern, rückte zu derselben
Zeit von dem Fort Lundi Kodak eine Truppenabteilung von Norden her in
das Tal. Keine der beiden Kolonnen traf auf ernstlichen Widerstand, die
Zakka Khels hatten trotz aller Geheimhaltung vorher Wind bekommen, eine
Überraschung konnte nicht stattfinden, und damit war ein nachhaltiger Erfolg
ausgeschlossen.

Die Expedition nahm jetzt den Verlauf ihrer meisten Vorgängerinnen.
Der Feind hatte seine Weiber und Kinder und Habseligkeiten in Sicherheit
gebracht, teils in ein andres, südlicher gelegnes Tal, teils über die Grenze
zu den Shiuwaris, einem verwandten afghanischen Volksstamm. Nachdem sich
die beiden englischen Truppenabteilungen vereinigt und zwei Ortschaften.
Wcilai und Chora. zerstört hatten, rückten sie gegen den Hauptort Chinar vor,
Tag und Nacht beunruhigt von dem zu beiden Seiten sich anhängenden
Gegner, der vou Mitgliedern befreundeter Stämme jenseits der Grenze noch
verstärkt gewesen sein soll. Die Dispositionen für den Marsch, die Einrichtung
der rückwärtigen Verbindungen waren verhältnismäßig leicht, da die Gegend
den Engländern aus frühern Expeditionen, die jetzige war die vierte, genau
bekannt ist. Nachdem Chinar eingenommen und zerstört war, kam es am
21. Februar im westlichen Teile des Tals unweit der Grenze zu einem größern
Gefecht, das mit dem Zurückweichen des Feindes endete, den Engländern aber
eine Anzahl Toter und Verwundeter kostete, unter den Toten einen Bataillons¬
kommandeur, Major Forbes Sempill.


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[0605] Die Grenzvölker im Nordwesten Indiens und die Expedition gegen die Zakka Khels Fehden unter sich als sakrosankt angesehn. Wer sich auf die Straße geflüchtet hat, ist unverletzlich. Die Polizei wird ausschließlich von den Khaibar-Rifles ausgeübt. Wir können jetzt nach Beleuchtung der allgemeinen politischen Verhältnisse zu dem letzten Zakka-Khel-Feldzug übergehn. Der Staatssekretär für Indien zählte im Parlament eine lange Reihe von Räubereien und Ausschreitungen auf, die sich die Zakka Khels seit Jahren haben zuschulde» kommen lassen, darunter Plünderungen ganzer Dörfer, Wegtreiben des Viehs, Angriffe auf Polizeistationen usw. Alle Warnungen hatten nichts gefruchtet, ebenso nicht die Entziehung der Subsidien. Noch Anfang Januar, kurz vor der Straf¬ expedition, überfielen sie ein Regierungsdepot östlich von Peshawar und führten eine Anzahl Maulesel fort, die ihnen später allerdings wieder ab¬ gejagt worden sind. Die Strafexpedition war von langer Hand sorgfältig vorbereitet und sollte bis zum letzten Augenblick geheim gehalten werden, da ein Erfolg erfahrungsmäßig nnr von einem überraschenden Angriff erwartet werden kann. Am 13. Februar rückten zwei Brigaden unter General Willcocks von Peshawar von Osten her in das Bazartal, den Winteraufenthalt der Zakka Khels. Das Tal zieht sich, einige Meilen südlich vom Khaibarpaß, von Westen nach Osten und berührt im Westen die Grenze von Afghanistan. Um den Feind an einem Überschreiten der Grenze zu hindern, rückte zu derselben Zeit von dem Fort Lundi Kodak eine Truppenabteilung von Norden her in das Tal. Keine der beiden Kolonnen traf auf ernstlichen Widerstand, die Zakka Khels hatten trotz aller Geheimhaltung vorher Wind bekommen, eine Überraschung konnte nicht stattfinden, und damit war ein nachhaltiger Erfolg ausgeschlossen. Die Expedition nahm jetzt den Verlauf ihrer meisten Vorgängerinnen. Der Feind hatte seine Weiber und Kinder und Habseligkeiten in Sicherheit gebracht, teils in ein andres, südlicher gelegnes Tal, teils über die Grenze zu den Shiuwaris, einem verwandten afghanischen Volksstamm. Nachdem sich die beiden englischen Truppenabteilungen vereinigt und zwei Ortschaften. Wcilai und Chora. zerstört hatten, rückten sie gegen den Hauptort Chinar vor, Tag und Nacht beunruhigt von dem zu beiden Seiten sich anhängenden Gegner, der vou Mitgliedern befreundeter Stämme jenseits der Grenze noch verstärkt gewesen sein soll. Die Dispositionen für den Marsch, die Einrichtung der rückwärtigen Verbindungen waren verhältnismäßig leicht, da die Gegend den Engländern aus frühern Expeditionen, die jetzige war die vierte, genau bekannt ist. Nachdem Chinar eingenommen und zerstört war, kam es am 21. Februar im westlichen Teile des Tals unweit der Grenze zu einem größern Gefecht, das mit dem Zurückweichen des Feindes endete, den Engländern aber eine Anzahl Toter und Verwundeter kostete, unter den Toten einen Bataillons¬ kommandeur, Major Forbes Sempill.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/605>, abgerufen am 21.06.2024.