Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.Problome der Aunstindustrie der Hand hat. Wenn der Künstler nur Entwerfer ist, dann hat er bloß die Problome der Aunstindustrie der Hand hat. Wenn der Künstler nur Entwerfer ist, dann hat er bloß die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0575" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/312260"/> <fw type="header" place="top"> Problome der Aunstindustrie</fw><lb/> <p xml:id="ID_2223" prev="#ID_2222" next="#ID_2224"> der Hand hat. Wenn der Künstler nur Entwerfer ist, dann hat er bloß die<lb/> Zeichnung in seiner Gewalt und kann in der Industrie an leitender Stelle die<lb/> Prägung der Form bestimmen. Ist der Künstler aber Handwerker zugleich und<lb/> mithin Ausführender, dann hat er jene Qualität in der Hand, die das Er¬<lb/> gebnis der liebevollsten, von intimer Matenalkenntnis beherrschten hingebenden<lb/> Persönlichen Arbeit ist, eine Qualität, die von der Seelenfreude und dem Arbeits¬<lb/> geist des Schöpfers zeugt und zugleich ein wesentliches Merkmal des Kunst¬<lb/> werks ist. Die Qualität schwebt einem vor, wenn das Wort genannt wird.<lb/> Für die Industrie ist sie aus vielen Gründen nicht erreichbar. Zunächst weil<lb/> die Industrie das Persönliche der unmittelbaren, fertigmachenden menschlichen<lb/> Handleistung ausschaltet. Dann aber weil sie mit Arbeitskräften schaffen muß,<lb/> die bei der bestehenden sozialen Ordnung unmöglich die unerläßliche Voraus¬<lb/> setzung aller edeln Arbeit, die opferfreudige seelische Hingabe an das Werk<lb/> mitbringen können. Die ganze Jndustriecirbeit ist naturgemäß auf Geschäfts¬<lb/> mäßigkeit zugeschnitten. Zum Teil liegt es an den Lohnverhältnisscn. Die<lb/> Arbeitskraft hat aufgehört, einen unmittelbaren seelischen Anteil an dem Ge¬<lb/> schaffnen zu nehmen; das ganze Arbeitsverhältnis in der Industrie ist eine<lb/> bloße Lohnfrage geworden. Die Daseinsbedingungen der Industrie sind auf<lb/> Masse und Schnelligkeit gestellt. Je größer der Betrieb, desto weniger kann es<lb/> in allen Stücken mit den Grundsätzen der Qualität genau genommen werden.<lb/> Häufen sich die Bestellungen zum Beispiel in der Möbelbranche zu gewissen<lb/> Zeiten, dann legt die kapitalistische Verantwortung der Leitung die Pflicht auf,<lb/> die Quantität zu bewältigen. Der Akkordlohn ist ein Mittel, der menschlichen<lb/> Arbeitskraft eine quantitative Mehrleistung abzuringen. Die natürliche Folge<lb/> ist eine größere Flüchtigkeit auf Kosten der Qualität. Wenn es der Bedarf<lb/> verlangt, muß der Arbeiter lieber zehn Stück eines gewissen Erzeugnisses an<lb/> einem Tag machen, wenn sie auch etwas minderwertig sind, als an einem Tag<lb/> ein gutes Stück. Die Pflicht, schnell zu liefern, die vom Käufer und von der<lb/> Konkurrenz auferlegt wird, verhindert es zum Beispiel in der Möbelbranche, den<lb/> Erzeugnissen die nötige Herstellnngszeit einzuräumen, die von der Qualität<lb/> bedingt würde. Wer weiß, daß furnierte Möbel, feine Polituren monatelang<lb/> in Arbeit stehn müssen (jahrelang getrocknetes Holz vorausgesetzt), wenn sie<lb/> gediegen sein sollen, der wird bei der durchschnittlichen Lieferzeit von vier<lb/> bis sechs Wochen kein hohes Maß an Qualität erwarten dürfen. Den üblichen<lb/> Qualitütsversicherungen gegenüber ist einige Skepsis am Platz, wenn man bedenkt,<lb/> daß ein so umfangreiches Gebäude wie „Rheingold" in Berlin mit allen Innen¬<lb/> einrichtungen in einem Zeitraum von nicht mehr als zwölf Monaten fertiggestellt<lb/> wurde. Je größer der Betrieb, desto weniger hat er es in der Macht, Aufträge,<lb/> die sich den elementaren Qualitätsbedingungen widersetzen, abzuweisen. Das<lb/> kann der kleine Tischler tun oder der Kunsthandwerker, der seine Arbeit nur<lb/> nach hohen menschlichen Gesichtspunkten vollbringt und einen gleichgestimmten<lb/> Interessentenkreis hat. Das kann von den modernen Produktionsstätten größern<lb/> Stils nur die Wiener Werkstätte tun, die sich von vornherein auf den Grundsatz</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0575]
Problome der Aunstindustrie
der Hand hat. Wenn der Künstler nur Entwerfer ist, dann hat er bloß die
Zeichnung in seiner Gewalt und kann in der Industrie an leitender Stelle die
Prägung der Form bestimmen. Ist der Künstler aber Handwerker zugleich und
mithin Ausführender, dann hat er jene Qualität in der Hand, die das Er¬
gebnis der liebevollsten, von intimer Matenalkenntnis beherrschten hingebenden
Persönlichen Arbeit ist, eine Qualität, die von der Seelenfreude und dem Arbeits¬
geist des Schöpfers zeugt und zugleich ein wesentliches Merkmal des Kunst¬
werks ist. Die Qualität schwebt einem vor, wenn das Wort genannt wird.
Für die Industrie ist sie aus vielen Gründen nicht erreichbar. Zunächst weil
die Industrie das Persönliche der unmittelbaren, fertigmachenden menschlichen
Handleistung ausschaltet. Dann aber weil sie mit Arbeitskräften schaffen muß,
die bei der bestehenden sozialen Ordnung unmöglich die unerläßliche Voraus¬
setzung aller edeln Arbeit, die opferfreudige seelische Hingabe an das Werk
mitbringen können. Die ganze Jndustriecirbeit ist naturgemäß auf Geschäfts¬
mäßigkeit zugeschnitten. Zum Teil liegt es an den Lohnverhältnisscn. Die
Arbeitskraft hat aufgehört, einen unmittelbaren seelischen Anteil an dem Ge¬
schaffnen zu nehmen; das ganze Arbeitsverhältnis in der Industrie ist eine
bloße Lohnfrage geworden. Die Daseinsbedingungen der Industrie sind auf
Masse und Schnelligkeit gestellt. Je größer der Betrieb, desto weniger kann es
in allen Stücken mit den Grundsätzen der Qualität genau genommen werden.
Häufen sich die Bestellungen zum Beispiel in der Möbelbranche zu gewissen
Zeiten, dann legt die kapitalistische Verantwortung der Leitung die Pflicht auf,
die Quantität zu bewältigen. Der Akkordlohn ist ein Mittel, der menschlichen
Arbeitskraft eine quantitative Mehrleistung abzuringen. Die natürliche Folge
ist eine größere Flüchtigkeit auf Kosten der Qualität. Wenn es der Bedarf
verlangt, muß der Arbeiter lieber zehn Stück eines gewissen Erzeugnisses an
einem Tag machen, wenn sie auch etwas minderwertig sind, als an einem Tag
ein gutes Stück. Die Pflicht, schnell zu liefern, die vom Käufer und von der
Konkurrenz auferlegt wird, verhindert es zum Beispiel in der Möbelbranche, den
Erzeugnissen die nötige Herstellnngszeit einzuräumen, die von der Qualität
bedingt würde. Wer weiß, daß furnierte Möbel, feine Polituren monatelang
in Arbeit stehn müssen (jahrelang getrocknetes Holz vorausgesetzt), wenn sie
gediegen sein sollen, der wird bei der durchschnittlichen Lieferzeit von vier
bis sechs Wochen kein hohes Maß an Qualität erwarten dürfen. Den üblichen
Qualitütsversicherungen gegenüber ist einige Skepsis am Platz, wenn man bedenkt,
daß ein so umfangreiches Gebäude wie „Rheingold" in Berlin mit allen Innen¬
einrichtungen in einem Zeitraum von nicht mehr als zwölf Monaten fertiggestellt
wurde. Je größer der Betrieb, desto weniger hat er es in der Macht, Aufträge,
die sich den elementaren Qualitätsbedingungen widersetzen, abzuweisen. Das
kann der kleine Tischler tun oder der Kunsthandwerker, der seine Arbeit nur
nach hohen menschlichen Gesichtspunkten vollbringt und einen gleichgestimmten
Interessentenkreis hat. Das kann von den modernen Produktionsstätten größern
Stils nur die Wiener Werkstätte tun, die sich von vornherein auf den Grundsatz
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |