Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die preußische Artillerie im Dienste des Uüstenrettungswesens

Leuchtsatz der Spitzkappe, überhaupt das Raketenmodell, die Befestigungsart
der Leine, die Balancierung, endlich die Werkzeuge zur Herstellung der Raketen
bedürften noch der Verbesserung. Mit verbesserten Raketenmodellen, die mittels
verbesserter Werkzeuge hergestellt seien, werde die Stärke des Satzes zu er¬
mitteln sein, die hinreiche, eine 30 Pfund schwere Leine gegen Sturm bis an
die äußere Grenze der Strandungszone zu tragen.

Müller gibt uns auch mit außerordentlicher Klarheit und Gründlichkeit
Aufschluß über die Erfahrungen, die man in Preußen bei der Anwendung des
Manbyschen Apparats gemacht hatte, und über die Wünsche und Verbesserungs¬
vorschläge, die dabei laut geworden waren. Die Verwendbarkeit der Schlepp¬
raketen hat er kaum gefördert. Er hat wohl nur längst Gefundnes mit der
Gründlichkeit eines preußischen Artillerieuntervffiziers neuerdings gesucht und
gefunden. Aber der ehemalige Oberfeuerwerker erscheint nach seinen Aus¬
führungen als ein Geschütz- und Geschvßtechniker, der berufen war, im Verein
mit andern Artilleristen und Seeleuten das artilleristische Rettungsverfahren so
zu vervollkommnen, daß es mit sicherer Aussicht auf Erfolg an der ganzen
preußischen Küste hätte organisiert werden können. Allein seine Tätigkeit blieb
auf den Königsberger Bezirk beschränkt. Am 29. Juni 1832 fand unter seiner
Leitung in Anwesenheit des Regierungschefpräsidenten Grafen Dohna-Wundlacken
ein Probeschießen mit den beiden Mörsern statt. Mit welchem Erfolg, ist
nicht erwähnt. Am 3. August gab Müller in Gegenwart des Oberpräsidenten
von Schön je zwei Schüsse mit dem Sieben- und mit dem Zehnpfünder ab.
Alle vier Schüsse waren Treffer.

Ob der große Staatsmann und sein Freund Eichendorff, der vom Jahre 1821
bis zum Jahre 1823 Regierungsrat in Danzig und vom Jahre 1824 bis zum
Jahre 1831 Oberprüsidialrat in Königsberg war, diesen Bestrebungen, in Gottes
Dienst "den Schiffer zu wahren, der bei Nacht vorüber zieht", tiefere Teil¬
nahme entgegengebracht haben, konnte ich leider nicht erfahren. Ich Hütte
so gern eine Beziehung zwischen dem Dichter und dem Strandgottesdienst des
Rettungswesens gefunden. Aber der Spruch des Danziger Turners ist fast
der einzige Anklang an die Strandnot, der in Eichendorffs Dichtungen fest¬
zustellen ist. Nur in dem Gedicht vom braven Schiffer, worin er die Verdienste
seines Freundes Schön feiert, verrät er noch seine Stranderfahrungen und
kleidet den Freund ins Ölzeug eines Schiffers:

Es enttäuscht mich, daß der Dichter mit seinem hellen Gesicht nicht sah,
was dem Verwaltungsbeamten fremd blieb. Es hat überhaupt etwas Ent¬
täuschendes, daß sich von all den Bestrebungen der Küstenartillerie und der
Behörden, die Strandungsgefahr an unsern Küsten einzuschränken, keine Spur


Die preußische Artillerie im Dienste des Uüstenrettungswesens

Leuchtsatz der Spitzkappe, überhaupt das Raketenmodell, die Befestigungsart
der Leine, die Balancierung, endlich die Werkzeuge zur Herstellung der Raketen
bedürften noch der Verbesserung. Mit verbesserten Raketenmodellen, die mittels
verbesserter Werkzeuge hergestellt seien, werde die Stärke des Satzes zu er¬
mitteln sein, die hinreiche, eine 30 Pfund schwere Leine gegen Sturm bis an
die äußere Grenze der Strandungszone zu tragen.

Müller gibt uns auch mit außerordentlicher Klarheit und Gründlichkeit
Aufschluß über die Erfahrungen, die man in Preußen bei der Anwendung des
Manbyschen Apparats gemacht hatte, und über die Wünsche und Verbesserungs¬
vorschläge, die dabei laut geworden waren. Die Verwendbarkeit der Schlepp¬
raketen hat er kaum gefördert. Er hat wohl nur längst Gefundnes mit der
Gründlichkeit eines preußischen Artillerieuntervffiziers neuerdings gesucht und
gefunden. Aber der ehemalige Oberfeuerwerker erscheint nach seinen Aus¬
führungen als ein Geschütz- und Geschvßtechniker, der berufen war, im Verein
mit andern Artilleristen und Seeleuten das artilleristische Rettungsverfahren so
zu vervollkommnen, daß es mit sicherer Aussicht auf Erfolg an der ganzen
preußischen Küste hätte organisiert werden können. Allein seine Tätigkeit blieb
auf den Königsberger Bezirk beschränkt. Am 29. Juni 1832 fand unter seiner
Leitung in Anwesenheit des Regierungschefpräsidenten Grafen Dohna-Wundlacken
ein Probeschießen mit den beiden Mörsern statt. Mit welchem Erfolg, ist
nicht erwähnt. Am 3. August gab Müller in Gegenwart des Oberpräsidenten
von Schön je zwei Schüsse mit dem Sieben- und mit dem Zehnpfünder ab.
Alle vier Schüsse waren Treffer.

Ob der große Staatsmann und sein Freund Eichendorff, der vom Jahre 1821
bis zum Jahre 1823 Regierungsrat in Danzig und vom Jahre 1824 bis zum
Jahre 1831 Oberprüsidialrat in Königsberg war, diesen Bestrebungen, in Gottes
Dienst „den Schiffer zu wahren, der bei Nacht vorüber zieht", tiefere Teil¬
nahme entgegengebracht haben, konnte ich leider nicht erfahren. Ich Hütte
so gern eine Beziehung zwischen dem Dichter und dem Strandgottesdienst des
Rettungswesens gefunden. Aber der Spruch des Danziger Turners ist fast
der einzige Anklang an die Strandnot, der in Eichendorffs Dichtungen fest¬
zustellen ist. Nur in dem Gedicht vom braven Schiffer, worin er die Verdienste
seines Freundes Schön feiert, verrät er noch seine Stranderfahrungen und
kleidet den Freund ins Ölzeug eines Schiffers:

Es enttäuscht mich, daß der Dichter mit seinem hellen Gesicht nicht sah,
was dem Verwaltungsbeamten fremd blieb. Es hat überhaupt etwas Ent¬
täuschendes, daß sich von all den Bestrebungen der Küstenartillerie und der
Behörden, die Strandungsgefahr an unsern Küsten einzuschränken, keine Spur


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0566" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/312251"/>
          <fw type="header" place="top"> Die preußische Artillerie im Dienste des Uüstenrettungswesens</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2194" prev="#ID_2193"> Leuchtsatz der Spitzkappe, überhaupt das Raketenmodell, die Befestigungsart<lb/>
der Leine, die Balancierung, endlich die Werkzeuge zur Herstellung der Raketen<lb/>
bedürften noch der Verbesserung. Mit verbesserten Raketenmodellen, die mittels<lb/>
verbesserter Werkzeuge hergestellt seien, werde die Stärke des Satzes zu er¬<lb/>
mitteln sein, die hinreiche, eine 30 Pfund schwere Leine gegen Sturm bis an<lb/>
die äußere Grenze der Strandungszone zu tragen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2195"> Müller gibt uns auch mit außerordentlicher Klarheit und Gründlichkeit<lb/>
Aufschluß über die Erfahrungen, die man in Preußen bei der Anwendung des<lb/>
Manbyschen Apparats gemacht hatte, und über die Wünsche und Verbesserungs¬<lb/>
vorschläge, die dabei laut geworden waren. Die Verwendbarkeit der Schlepp¬<lb/>
raketen hat er kaum gefördert. Er hat wohl nur längst Gefundnes mit der<lb/>
Gründlichkeit eines preußischen Artillerieuntervffiziers neuerdings gesucht und<lb/>
gefunden. Aber der ehemalige Oberfeuerwerker erscheint nach seinen Aus¬<lb/>
führungen als ein Geschütz- und Geschvßtechniker, der berufen war, im Verein<lb/>
mit andern Artilleristen und Seeleuten das artilleristische Rettungsverfahren so<lb/>
zu vervollkommnen, daß es mit sicherer Aussicht auf Erfolg an der ganzen<lb/>
preußischen Küste hätte organisiert werden können. Allein seine Tätigkeit blieb<lb/>
auf den Königsberger Bezirk beschränkt. Am 29. Juni 1832 fand unter seiner<lb/>
Leitung in Anwesenheit des Regierungschefpräsidenten Grafen Dohna-Wundlacken<lb/>
ein Probeschießen mit den beiden Mörsern statt. Mit welchem Erfolg, ist<lb/>
nicht erwähnt. Am 3. August gab Müller in Gegenwart des Oberpräsidenten<lb/>
von Schön je zwei Schüsse mit dem Sieben- und mit dem Zehnpfünder ab.<lb/>
Alle vier Schüsse waren Treffer.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2196"> Ob der große Staatsmann und sein Freund Eichendorff, der vom Jahre 1821<lb/>
bis zum Jahre 1823 Regierungsrat in Danzig und vom Jahre 1824 bis zum<lb/>
Jahre 1831 Oberprüsidialrat in Königsberg war, diesen Bestrebungen, in Gottes<lb/>
Dienst &#x201E;den Schiffer zu wahren, der bei Nacht vorüber zieht", tiefere Teil¬<lb/>
nahme entgegengebracht haben, konnte ich leider nicht erfahren. Ich Hütte<lb/>
so gern eine Beziehung zwischen dem Dichter und dem Strandgottesdienst des<lb/>
Rettungswesens gefunden. Aber der Spruch des Danziger Turners ist fast<lb/>
der einzige Anklang an die Strandnot, der in Eichendorffs Dichtungen fest¬<lb/>
zustellen ist. Nur in dem Gedicht vom braven Schiffer, worin er die Verdienste<lb/>
seines Freundes Schön feiert, verrät er noch seine Stranderfahrungen und<lb/>
kleidet den Freund ins Ölzeug eines Schiffers:</p><lb/>
          <lg xml:id="POEMID_30" type="poem">
            <l/>
          </lg><lb/>
          <p xml:id="ID_2197" next="#ID_2198"> Es enttäuscht mich, daß der Dichter mit seinem hellen Gesicht nicht sah,<lb/>
was dem Verwaltungsbeamten fremd blieb. Es hat überhaupt etwas Ent¬<lb/>
täuschendes, daß sich von all den Bestrebungen der Küstenartillerie und der<lb/>
Behörden, die Strandungsgefahr an unsern Küsten einzuschränken, keine Spur</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0566] Die preußische Artillerie im Dienste des Uüstenrettungswesens Leuchtsatz der Spitzkappe, überhaupt das Raketenmodell, die Befestigungsart der Leine, die Balancierung, endlich die Werkzeuge zur Herstellung der Raketen bedürften noch der Verbesserung. Mit verbesserten Raketenmodellen, die mittels verbesserter Werkzeuge hergestellt seien, werde die Stärke des Satzes zu er¬ mitteln sein, die hinreiche, eine 30 Pfund schwere Leine gegen Sturm bis an die äußere Grenze der Strandungszone zu tragen. Müller gibt uns auch mit außerordentlicher Klarheit und Gründlichkeit Aufschluß über die Erfahrungen, die man in Preußen bei der Anwendung des Manbyschen Apparats gemacht hatte, und über die Wünsche und Verbesserungs¬ vorschläge, die dabei laut geworden waren. Die Verwendbarkeit der Schlepp¬ raketen hat er kaum gefördert. Er hat wohl nur längst Gefundnes mit der Gründlichkeit eines preußischen Artillerieuntervffiziers neuerdings gesucht und gefunden. Aber der ehemalige Oberfeuerwerker erscheint nach seinen Aus¬ führungen als ein Geschütz- und Geschvßtechniker, der berufen war, im Verein mit andern Artilleristen und Seeleuten das artilleristische Rettungsverfahren so zu vervollkommnen, daß es mit sicherer Aussicht auf Erfolg an der ganzen preußischen Küste hätte organisiert werden können. Allein seine Tätigkeit blieb auf den Königsberger Bezirk beschränkt. Am 29. Juni 1832 fand unter seiner Leitung in Anwesenheit des Regierungschefpräsidenten Grafen Dohna-Wundlacken ein Probeschießen mit den beiden Mörsern statt. Mit welchem Erfolg, ist nicht erwähnt. Am 3. August gab Müller in Gegenwart des Oberpräsidenten von Schön je zwei Schüsse mit dem Sieben- und mit dem Zehnpfünder ab. Alle vier Schüsse waren Treffer. Ob der große Staatsmann und sein Freund Eichendorff, der vom Jahre 1821 bis zum Jahre 1823 Regierungsrat in Danzig und vom Jahre 1824 bis zum Jahre 1831 Oberprüsidialrat in Königsberg war, diesen Bestrebungen, in Gottes Dienst „den Schiffer zu wahren, der bei Nacht vorüber zieht", tiefere Teil¬ nahme entgegengebracht haben, konnte ich leider nicht erfahren. Ich Hütte so gern eine Beziehung zwischen dem Dichter und dem Strandgottesdienst des Rettungswesens gefunden. Aber der Spruch des Danziger Turners ist fast der einzige Anklang an die Strandnot, der in Eichendorffs Dichtungen fest¬ zustellen ist. Nur in dem Gedicht vom braven Schiffer, worin er die Verdienste seines Freundes Schön feiert, verrät er noch seine Stranderfahrungen und kleidet den Freund ins Ölzeug eines Schiffers: Es enttäuscht mich, daß der Dichter mit seinem hellen Gesicht nicht sah, was dem Verwaltungsbeamten fremd blieb. Es hat überhaupt etwas Ent¬ täuschendes, daß sich von all den Bestrebungen der Küstenartillerie und der Behörden, die Strandungsgefahr an unsern Küsten einzuschränken, keine Spur

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/566
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/566>, abgerufen am 22.06.2024.