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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die preußische Artillerie im Dienste des Küstenrettungswesens

Auch in Preußen versuchte man, die Rakete schon im ersten Drittel des
neunzehnten Jahrhunderts im Rettungsdienste zu verwenden, nicht als Schlepp¬
geschoß, sondern als Leuchtgeschoß,

Im November des Jahres 1827 beschloß die Hafenpolizeikommission in
Memel, in deren Verwaltung sich seit kurzem ein Manbyscher Mörser befand,
bei Rettungsversuchen zur Rekognoszierung des Ziels Leuchtgeschosse zu ver¬
wenden. Der Kommandeur der 1. Artilleriebrigade in Königsberg, Major
Stieler, nahm den Gedanken mit großer Teilnahme auf. Die Bitte der Be¬
hörde, ihr einige Leuchtkugeln und Raketen zu überlassen und sie über die An¬
wendung dieser Geschosse zu belehren, erwiderte er mit der Versicherung, daß
er "sehr gern bereit sei, alles was in seinen Kräften stehe, zur Erreichung des
menschenfreundlichen Zwecks beizutragen". Er schlug, wie ich schon oben er¬
zählt habe, an Stelle der Leuchtkugeln, die zur Rekognoszierung eines Ziels
in See ungeeignet seien, Raketen vor, deren Leuchtsatz sich bei der Kulmination
entzünde und langsam fallend die Gegend auf mehrere hundert Schritt in der
Runde so hell und so lange erleuchte, daß man den schußfertigen Mörser genau
richten könne. Aus den Aptierungsversuchen "würden gar keine oder nur sehr
geringe Kosten entspringen, da er gerne von den Materialien, die er besitze,
besonders Pulver und Papier, das erforderliche hergeben werde, indem ihn die
Sache selbst zu sehr interessiere, und er wünschte sie zu einer Vollkommenheit
bringen zu können, die nichts zu wünschen übrig ließe".

Wie die beiden Unteroffiziere, denen der menschenfreundliche Offizier
wegen der Last seiner Dienstgeschäfte diese Versuche überlassen mußte, ihre
Aufgabe lösten, habe ich ebenfalls schon oben erzählt. Die Feststellung, daß
die Leuchtkraft und die Leuchtdauer der von ihnen angefertigten Raketen aus¬
reichte, auch bei sehr dunkelm Wetter ein gestrandetes Schiff aufzusuchen und
die Schußrichtung durch Fenermarken festzulegen, war ein Nebenergebnis ihrer
Tätigkeit am Strande, die hauptsächlich die Instandsetzung und Erprobung
des Mcmbyschen Apparats und die Instruktion der Bedienungsmannschaft zum
Zwecke hatte.

Im Jahre 1826 waren einige Punkte der Insel Wight mit Dennettschen
Raketenapparaten ausgerüstet worden. Bei Bembridge gelang es im Jahre 1832
zum erstenmal, mit einem solchen Apparat Menschenleben zu retten. Dieser
Erfolg mag das Vorsteheramt der Memeler Kaufmannschaft veranlaßt haben,
die Regierung um die Anordnung von Versuchen mit Schleppraketen zu bitten.

Damals veranstaltete diese Behörde in Neutief und in Memel Leinen¬
werfversuche mit preußischen Siebenpfündern und Zehnpfundern, um festzustellen,
welches von den beiden Geschützen im Rettungsdienste verwendbarer sei. Mit
diesen Versuchen war in Memel der Vallastiuspektor Müller, ein ehemaliger
Oberfeuerwerker, beauftragt. Er berichtete darüber mit der grübelnden Gründlich¬
keit, die mir bei allen schriftlichen Äußerungen von Artillerieoffizieren und
-Unteroffizieren jener Zeit aufgefallen ist.


Die preußische Artillerie im Dienste des Küstenrettungswesens

Auch in Preußen versuchte man, die Rakete schon im ersten Drittel des
neunzehnten Jahrhunderts im Rettungsdienste zu verwenden, nicht als Schlepp¬
geschoß, sondern als Leuchtgeschoß,

Im November des Jahres 1827 beschloß die Hafenpolizeikommission in
Memel, in deren Verwaltung sich seit kurzem ein Manbyscher Mörser befand,
bei Rettungsversuchen zur Rekognoszierung des Ziels Leuchtgeschosse zu ver¬
wenden. Der Kommandeur der 1. Artilleriebrigade in Königsberg, Major
Stieler, nahm den Gedanken mit großer Teilnahme auf. Die Bitte der Be¬
hörde, ihr einige Leuchtkugeln und Raketen zu überlassen und sie über die An¬
wendung dieser Geschosse zu belehren, erwiderte er mit der Versicherung, daß
er „sehr gern bereit sei, alles was in seinen Kräften stehe, zur Erreichung des
menschenfreundlichen Zwecks beizutragen". Er schlug, wie ich schon oben er¬
zählt habe, an Stelle der Leuchtkugeln, die zur Rekognoszierung eines Ziels
in See ungeeignet seien, Raketen vor, deren Leuchtsatz sich bei der Kulmination
entzünde und langsam fallend die Gegend auf mehrere hundert Schritt in der
Runde so hell und so lange erleuchte, daß man den schußfertigen Mörser genau
richten könne. Aus den Aptierungsversuchen „würden gar keine oder nur sehr
geringe Kosten entspringen, da er gerne von den Materialien, die er besitze,
besonders Pulver und Papier, das erforderliche hergeben werde, indem ihn die
Sache selbst zu sehr interessiere, und er wünschte sie zu einer Vollkommenheit
bringen zu können, die nichts zu wünschen übrig ließe".

Wie die beiden Unteroffiziere, denen der menschenfreundliche Offizier
wegen der Last seiner Dienstgeschäfte diese Versuche überlassen mußte, ihre
Aufgabe lösten, habe ich ebenfalls schon oben erzählt. Die Feststellung, daß
die Leuchtkraft und die Leuchtdauer der von ihnen angefertigten Raketen aus¬
reichte, auch bei sehr dunkelm Wetter ein gestrandetes Schiff aufzusuchen und
die Schußrichtung durch Fenermarken festzulegen, war ein Nebenergebnis ihrer
Tätigkeit am Strande, die hauptsächlich die Instandsetzung und Erprobung
des Mcmbyschen Apparats und die Instruktion der Bedienungsmannschaft zum
Zwecke hatte.

Im Jahre 1826 waren einige Punkte der Insel Wight mit Dennettschen
Raketenapparaten ausgerüstet worden. Bei Bembridge gelang es im Jahre 1832
zum erstenmal, mit einem solchen Apparat Menschenleben zu retten. Dieser
Erfolg mag das Vorsteheramt der Memeler Kaufmannschaft veranlaßt haben,
die Regierung um die Anordnung von Versuchen mit Schleppraketen zu bitten.

Damals veranstaltete diese Behörde in Neutief und in Memel Leinen¬
werfversuche mit preußischen Siebenpfündern und Zehnpfundern, um festzustellen,
welches von den beiden Geschützen im Rettungsdienste verwendbarer sei. Mit
diesen Versuchen war in Memel der Vallastiuspektor Müller, ein ehemaliger
Oberfeuerwerker, beauftragt. Er berichtete darüber mit der grübelnden Gründlich¬
keit, die mir bei allen schriftlichen Äußerungen von Artillerieoffizieren und
-Unteroffizieren jener Zeit aufgefallen ist.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/564>, abgerufen am 22.06.2024.