Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Studien über die Romantik

druck herzlicher Freundlichkeit, selbstverständlicher Kühnheit, unwandelbarer
Treue; aus den Augen loderte noch das Feuer einer Begeisterung, die ihre
Kraft aus dem Himmel holt und sich das Höchste zum Ziel setzt. Unter der
Schirmmütze quillt noch das volle weiße Haar; der offne Überrock läßt auf
weißer Weste das breite Orangeband des Schwarzen Adlerordens sehen. Die
Rechte hält mundgerecht die kurze Tabakspfeife, die bestimmt scheint, die Seelen¬
kräfte des gewaltigen Mannes durch beruhigende Beschäftigung so lange im
Gleichgewicht zu halten, bis der Augenblick gekommen ist, wo die Faust den
Säbel zu blutiger Arbeit aus der Scheide reißt."

Und doch danken wir Blücher sehr viel mehr als nur diese "blutige
Arbeit". Im Schlußwort unsers Buches heißt es: "Es ist merkwürdig, mit
welcher zweifellosen Sicherheit sich Blücher berufen fühlte den "Tyrannen"
zu stürzen. Er sah nicht wie Goethe die Bürgschaft für Napoleons Unbezwing¬
barkeit in der Größe seines Geistes, er sah mit Stein in der Verderbtheit
seines Tuns die Notwendigkeit seines Untergangs. Von den Ahnen über¬
kommen, steckte ihm tief im Blut das Bewußtsein eines eingebornen Rechts ans
Freiheit. Fremdes Wesen in Deutschland herrschen zu sehen, empörte ihn
leidenschaftlich; der Gedanke, auch Fesseln tragen zu müssen, machte ihn rasend.
Ihm war der Befreiungskampf ein heiliger Kampf um die hehrsten Menschen-
rechte. Er schöpfte in der Religion die Zuversicht auf einen glücklichen Aus-
gang. .. . Blücher hatte aus dem Zuscnnmeubruch Preußens durch alle Prü¬
fungen und Enttäuschungen hindurch sich den leidenschaftlichen Willen bewahrt,
an dem Sturz der Fremdherrschaft mitzuwirken; und ihm war es nicht um
Preußen allein, ihm war es um Deutschland zu tun. Er sprach das herrliche
Wort, daß durch Preußen dem ganzen deutschen Vaterlande aufgeholfen werden
müsse, daß der König und Preußen ihre Existenz und Macht nur gemein¬
schaftlich mit dem deutschen Vaterlands aufrechterhalten könnten."

Möchte auch dieses schöne, einigende Wort des Helden in unsrer Zeit
des Parteihaders und erneut auflebender partikularistischer Strömungen nicht
ungehört in deutschen Landen verklingen!




Studien über die Romantik

in 33. vorjährigen Hefte ist die Art und Weise kritisiert worden,
wie Ernest Seilliere das Wort Imperialismus gebraucht oder
vielmehr mißbraucht. Er hat mir darauf geschrieben, er habe
deutlich machen wollen, was jetzt in Frankreich en vnilosoKis
unter diesem Worte verstanden werde; worauf zu erwidern ist.
daß das Wort in die Politik und in die Geschichte gehört und in der Philo¬
sophie überhaupt keinen Sinn haben kann. Seilliere beruft sich auf das Journal


Studien über die Romantik

druck herzlicher Freundlichkeit, selbstverständlicher Kühnheit, unwandelbarer
Treue; aus den Augen loderte noch das Feuer einer Begeisterung, die ihre
Kraft aus dem Himmel holt und sich das Höchste zum Ziel setzt. Unter der
Schirmmütze quillt noch das volle weiße Haar; der offne Überrock läßt auf
weißer Weste das breite Orangeband des Schwarzen Adlerordens sehen. Die
Rechte hält mundgerecht die kurze Tabakspfeife, die bestimmt scheint, die Seelen¬
kräfte des gewaltigen Mannes durch beruhigende Beschäftigung so lange im
Gleichgewicht zu halten, bis der Augenblick gekommen ist, wo die Faust den
Säbel zu blutiger Arbeit aus der Scheide reißt."

Und doch danken wir Blücher sehr viel mehr als nur diese „blutige
Arbeit". Im Schlußwort unsers Buches heißt es: „Es ist merkwürdig, mit
welcher zweifellosen Sicherheit sich Blücher berufen fühlte den »Tyrannen«
zu stürzen. Er sah nicht wie Goethe die Bürgschaft für Napoleons Unbezwing¬
barkeit in der Größe seines Geistes, er sah mit Stein in der Verderbtheit
seines Tuns die Notwendigkeit seines Untergangs. Von den Ahnen über¬
kommen, steckte ihm tief im Blut das Bewußtsein eines eingebornen Rechts ans
Freiheit. Fremdes Wesen in Deutschland herrschen zu sehen, empörte ihn
leidenschaftlich; der Gedanke, auch Fesseln tragen zu müssen, machte ihn rasend.
Ihm war der Befreiungskampf ein heiliger Kampf um die hehrsten Menschen-
rechte. Er schöpfte in der Religion die Zuversicht auf einen glücklichen Aus-
gang. .. . Blücher hatte aus dem Zuscnnmeubruch Preußens durch alle Prü¬
fungen und Enttäuschungen hindurch sich den leidenschaftlichen Willen bewahrt,
an dem Sturz der Fremdherrschaft mitzuwirken; und ihm war es nicht um
Preußen allein, ihm war es um Deutschland zu tun. Er sprach das herrliche
Wort, daß durch Preußen dem ganzen deutschen Vaterlande aufgeholfen werden
müsse, daß der König und Preußen ihre Existenz und Macht nur gemein¬
schaftlich mit dem deutschen Vaterlands aufrechterhalten könnten."

Möchte auch dieses schöne, einigende Wort des Helden in unsrer Zeit
des Parteihaders und erneut auflebender partikularistischer Strömungen nicht
ungehört in deutschen Landen verklingen!




Studien über die Romantik

in 33. vorjährigen Hefte ist die Art und Weise kritisiert worden,
wie Ernest Seilliere das Wort Imperialismus gebraucht oder
vielmehr mißbraucht. Er hat mir darauf geschrieben, er habe
deutlich machen wollen, was jetzt in Frankreich en vnilosoKis
unter diesem Worte verstanden werde; worauf zu erwidern ist.
daß das Wort in die Politik und in die Geschichte gehört und in der Philo¬
sophie überhaupt keinen Sinn haben kann. Seilliere beruft sich auf das Journal


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0523" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/312208"/>
          <fw type="header" place="top"> Studien über die Romantik</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2060" prev="#ID_2059"> druck herzlicher Freundlichkeit, selbstverständlicher Kühnheit, unwandelbarer<lb/>
Treue; aus den Augen loderte noch das Feuer einer Begeisterung, die ihre<lb/>
Kraft aus dem Himmel holt und sich das Höchste zum Ziel setzt. Unter der<lb/>
Schirmmütze quillt noch das volle weiße Haar; der offne Überrock läßt auf<lb/>
weißer Weste das breite Orangeband des Schwarzen Adlerordens sehen. Die<lb/>
Rechte hält mundgerecht die kurze Tabakspfeife, die bestimmt scheint, die Seelen¬<lb/>
kräfte des gewaltigen Mannes durch beruhigende Beschäftigung so lange im<lb/>
Gleichgewicht zu halten, bis der Augenblick gekommen ist, wo die Faust den<lb/>
Säbel zu blutiger Arbeit aus der Scheide reißt."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2061"> Und doch danken wir Blücher sehr viel mehr als nur diese &#x201E;blutige<lb/>
Arbeit". Im Schlußwort unsers Buches heißt es: &#x201E;Es ist merkwürdig, mit<lb/>
welcher zweifellosen Sicherheit sich Blücher berufen fühlte den »Tyrannen«<lb/>
zu stürzen. Er sah nicht wie Goethe die Bürgschaft für Napoleons Unbezwing¬<lb/>
barkeit in der Größe seines Geistes, er sah mit Stein in der Verderbtheit<lb/>
seines Tuns die Notwendigkeit seines Untergangs. Von den Ahnen über¬<lb/>
kommen, steckte ihm tief im Blut das Bewußtsein eines eingebornen Rechts ans<lb/>
Freiheit. Fremdes Wesen in Deutschland herrschen zu sehen, empörte ihn<lb/>
leidenschaftlich; der Gedanke, auch Fesseln tragen zu müssen, machte ihn rasend.<lb/>
Ihm war der Befreiungskampf ein heiliger Kampf um die hehrsten Menschen-<lb/>
rechte. Er schöpfte in der Religion die Zuversicht auf einen glücklichen Aus-<lb/>
gang. .. . Blücher hatte aus dem Zuscnnmeubruch Preußens durch alle Prü¬<lb/>
fungen und Enttäuschungen hindurch sich den leidenschaftlichen Willen bewahrt,<lb/>
an dem Sturz der Fremdherrschaft mitzuwirken; und ihm war es nicht um<lb/>
Preußen allein, ihm war es um Deutschland zu tun. Er sprach das herrliche<lb/>
Wort, daß durch Preußen dem ganzen deutschen Vaterlande aufgeholfen werden<lb/>
müsse, daß der König und Preußen ihre Existenz und Macht nur gemein¬<lb/>
schaftlich mit dem deutschen Vaterlands aufrechterhalten könnten."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2062"> Möchte auch dieses schöne, einigende Wort des Helden in unsrer Zeit<lb/>
des Parteihaders und erneut auflebender partikularistischer Strömungen nicht<lb/>
ungehört in deutschen Landen verklingen!</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Studien über die Romantik</head><lb/>
          <p xml:id="ID_2063" next="#ID_2064"> in 33. vorjährigen Hefte ist die Art und Weise kritisiert worden,<lb/>
wie Ernest Seilliere das Wort Imperialismus gebraucht oder<lb/>
vielmehr mißbraucht. Er hat mir darauf geschrieben, er habe<lb/>
deutlich machen wollen, was jetzt in Frankreich en vnilosoKis<lb/>
unter diesem Worte verstanden werde; worauf zu erwidern ist.<lb/>
daß das Wort in die Politik und in die Geschichte gehört und in der Philo¬<lb/>
sophie überhaupt keinen Sinn haben kann. Seilliere beruft sich auf das Journal</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0523] Studien über die Romantik druck herzlicher Freundlichkeit, selbstverständlicher Kühnheit, unwandelbarer Treue; aus den Augen loderte noch das Feuer einer Begeisterung, die ihre Kraft aus dem Himmel holt und sich das Höchste zum Ziel setzt. Unter der Schirmmütze quillt noch das volle weiße Haar; der offne Überrock läßt auf weißer Weste das breite Orangeband des Schwarzen Adlerordens sehen. Die Rechte hält mundgerecht die kurze Tabakspfeife, die bestimmt scheint, die Seelen¬ kräfte des gewaltigen Mannes durch beruhigende Beschäftigung so lange im Gleichgewicht zu halten, bis der Augenblick gekommen ist, wo die Faust den Säbel zu blutiger Arbeit aus der Scheide reißt." Und doch danken wir Blücher sehr viel mehr als nur diese „blutige Arbeit". Im Schlußwort unsers Buches heißt es: „Es ist merkwürdig, mit welcher zweifellosen Sicherheit sich Blücher berufen fühlte den »Tyrannen« zu stürzen. Er sah nicht wie Goethe die Bürgschaft für Napoleons Unbezwing¬ barkeit in der Größe seines Geistes, er sah mit Stein in der Verderbtheit seines Tuns die Notwendigkeit seines Untergangs. Von den Ahnen über¬ kommen, steckte ihm tief im Blut das Bewußtsein eines eingebornen Rechts ans Freiheit. Fremdes Wesen in Deutschland herrschen zu sehen, empörte ihn leidenschaftlich; der Gedanke, auch Fesseln tragen zu müssen, machte ihn rasend. Ihm war der Befreiungskampf ein heiliger Kampf um die hehrsten Menschen- rechte. Er schöpfte in der Religion die Zuversicht auf einen glücklichen Aus- gang. .. . Blücher hatte aus dem Zuscnnmeubruch Preußens durch alle Prü¬ fungen und Enttäuschungen hindurch sich den leidenschaftlichen Willen bewahrt, an dem Sturz der Fremdherrschaft mitzuwirken; und ihm war es nicht um Preußen allein, ihm war es um Deutschland zu tun. Er sprach das herrliche Wort, daß durch Preußen dem ganzen deutschen Vaterlande aufgeholfen werden müsse, daß der König und Preußen ihre Existenz und Macht nur gemein¬ schaftlich mit dem deutschen Vaterlands aufrechterhalten könnten." Möchte auch dieses schöne, einigende Wort des Helden in unsrer Zeit des Parteihaders und erneut auflebender partikularistischer Strömungen nicht ungehört in deutschen Landen verklingen! Studien über die Romantik in 33. vorjährigen Hefte ist die Art und Weise kritisiert worden, wie Ernest Seilliere das Wort Imperialismus gebraucht oder vielmehr mißbraucht. Er hat mir darauf geschrieben, er habe deutlich machen wollen, was jetzt in Frankreich en vnilosoKis unter diesem Worte verstanden werde; worauf zu erwidern ist. daß das Wort in die Politik und in die Geschichte gehört und in der Philo¬ sophie überhaupt keinen Sinn haben kann. Seilliere beruft sich auf das Journal

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/523
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/523>, abgerufen am 24.07.2024.