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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Blücher und Gneisenau

die über den ersten Zusammenstoß mit dem Feinde hinausgehn, als unsinnig
verworfen, und Napoleon hat in ähnlichem Sinne gesagt, er habe überhaupt
niemals einen Feldzugsplan gehabt. Der Tadel von damals wird in dieser
Beleuchtung für Blücher zum Lob."

Seine ganze Bedeutung als Feldherr offenbarte sich im Feldzuge 1814
in den Tagen von Laon, als er durch Krankheit verhindert war, bei den
Truppen zu erscheinen und deu Befehl nur mittelbar durch Gneisenau fort¬
führte. Hier zeigte sich, daß der Chef des Generalstabs ihn wohl zu ergänzen,
aber nicht eigentlich zu ersetzen vermochte. Freilich haben bei dem gerade
damals übertrieben vorsichtigen Handeln der Schlesischen Armee auch noch andre
Umstände angesprochen: so das Bestreben, erneute Rückschläge, wie man sie
im Februar erlitten hatte, zu vermeiden, das Bedürfnis, die preußischen
Truppen vor weitern starken Einbußen zu bewahren, die Schwierigkeiten, die
Gneisenau als Chef des Generalstabs schon an sich, besonders aber bei einem
Bundesheer erwuchsen. Die Stellung eines Chefs des Generalstabes war zu
jener Zeit noch nicht so fest umgrenzt wie heute. Die damalige Fechtweise
ermöglichte ja forderte unter Umständen die Betätigung des Feldherrn in der
vordem Linie, während er jetzt sein Amt mit mehr Entsagung nnter weit
größerer Zurückhaltung ausübt und zur Übermittlung seiner Befehle technische
Hilfsmittel in Anspruch nimmt. Um die Schlesische Armee vorwärts zu bringen,
bedürfte es damals des Zaubers, deu die Erscheinung des alten Feldherrn
auf die Truppen übte. ^ ^ . < c>

Damit soll nicht gesagt sein, daß Grei man der eigentlichen Fe dherrn-
gaben ermangelt hätte. Das Gegenteil ist der Fall und er war sich dessen
voll bewußt So ist er dann namentlich in der Zeit nach dem ersten Pariser
Frieden nicht frei von Verstimmungen gewesen, wenn Blücher sich ..in seiner
unbefangnen Art gelegentlich Verdienste zichrach die Gneisenau ganz oder
doch teilweise für sich in Anspruch nahm". Dringend erbat s.es Gneisenau für
deu Feldzug 1815 ein höheres Truppenkommando, znma da er f.es ". den
eigentlichen Generalstabsgeschüften nicht gründlich durchgebilde fühlte BotM.
Grolman. Wüstling waren ihm darin überlegen; auch die durchdringende Klar¬
heit seines Freundes Clausewitz hatte er nicht Es ennzeichnet die Lauterkeit
seiner Gesinnung und seine große Bescheidenheit, daß er 1815 den Kriegs¬
minister Boyen bittet, ihm ..einen Generalquartiermeister, seine bessere Hälfte,
auszusuchen", und fortfährt: "Sie wissen s° M w.e ich daß mir einige wesent¬
liche Eigenschaften eines Chefs des Generalstab, abgehen; ich bin weder dem
Gemüt noch der wissenschaftlichen Bildung nach für die e Stelle hinlänglich
ausgerüstet. In meiner Zusammenstellung nut dem Fürsten Blücher wir e ich
nur hauptsächlich durch meinen Charakter auf ihn und ans die Bege euhei en
durch eine entschlossene Ansicht des Krieges, die dnrch einiges Studium der
Geschichte und durch aufmerksame Erwägung der Begebenheiten in nur und
entwickelt hat" Freimütig bekennt er: "Ich bin nicht aufgeblasen genug, um


Blücher und Gneisenau

die über den ersten Zusammenstoß mit dem Feinde hinausgehn, als unsinnig
verworfen, und Napoleon hat in ähnlichem Sinne gesagt, er habe überhaupt
niemals einen Feldzugsplan gehabt. Der Tadel von damals wird in dieser
Beleuchtung für Blücher zum Lob."

Seine ganze Bedeutung als Feldherr offenbarte sich im Feldzuge 1814
in den Tagen von Laon, als er durch Krankheit verhindert war, bei den
Truppen zu erscheinen und deu Befehl nur mittelbar durch Gneisenau fort¬
führte. Hier zeigte sich, daß der Chef des Generalstabs ihn wohl zu ergänzen,
aber nicht eigentlich zu ersetzen vermochte. Freilich haben bei dem gerade
damals übertrieben vorsichtigen Handeln der Schlesischen Armee auch noch andre
Umstände angesprochen: so das Bestreben, erneute Rückschläge, wie man sie
im Februar erlitten hatte, zu vermeiden, das Bedürfnis, die preußischen
Truppen vor weitern starken Einbußen zu bewahren, die Schwierigkeiten, die
Gneisenau als Chef des Generalstabs schon an sich, besonders aber bei einem
Bundesheer erwuchsen. Die Stellung eines Chefs des Generalstabes war zu
jener Zeit noch nicht so fest umgrenzt wie heute. Die damalige Fechtweise
ermöglichte ja forderte unter Umständen die Betätigung des Feldherrn in der
vordem Linie, während er jetzt sein Amt mit mehr Entsagung nnter weit
größerer Zurückhaltung ausübt und zur Übermittlung seiner Befehle technische
Hilfsmittel in Anspruch nimmt. Um die Schlesische Armee vorwärts zu bringen,
bedürfte es damals des Zaubers, deu die Erscheinung des alten Feldherrn
auf die Truppen übte. ^ ^ . < c>

Damit soll nicht gesagt sein, daß Grei man der eigentlichen Fe dherrn-
gaben ermangelt hätte. Das Gegenteil ist der Fall und er war sich dessen
voll bewußt So ist er dann namentlich in der Zeit nach dem ersten Pariser
Frieden nicht frei von Verstimmungen gewesen, wenn Blücher sich ..in seiner
unbefangnen Art gelegentlich Verdienste zichrach die Gneisenau ganz oder
doch teilweise für sich in Anspruch nahm". Dringend erbat s.es Gneisenau für
deu Feldzug 1815 ein höheres Truppenkommando, znma da er f.es „. den
eigentlichen Generalstabsgeschüften nicht gründlich durchgebilde fühlte BotM.
Grolman. Wüstling waren ihm darin überlegen; auch die durchdringende Klar¬
heit seines Freundes Clausewitz hatte er nicht Es ennzeichnet die Lauterkeit
seiner Gesinnung und seine große Bescheidenheit, daß er 1815 den Kriegs¬
minister Boyen bittet, ihm ..einen Generalquartiermeister, seine bessere Hälfte,
auszusuchen", und fortfährt: „Sie wissen s° M w.e ich daß mir einige wesent¬
liche Eigenschaften eines Chefs des Generalstab, abgehen; ich bin weder dem
Gemüt noch der wissenschaftlichen Bildung nach für die e Stelle hinlänglich
ausgerüstet. In meiner Zusammenstellung nut dem Fürsten Blücher wir e ich
nur hauptsächlich durch meinen Charakter auf ihn und ans die Bege euhei en
durch eine entschlossene Ansicht des Krieges, die dnrch einiges Studium der
Geschichte und durch aufmerksame Erwägung der Begebenheiten in nur und
entwickelt hat" Freimütig bekennt er: „Ich bin nicht aufgeblasen genug, um


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[0519] Blücher und Gneisenau die über den ersten Zusammenstoß mit dem Feinde hinausgehn, als unsinnig verworfen, und Napoleon hat in ähnlichem Sinne gesagt, er habe überhaupt niemals einen Feldzugsplan gehabt. Der Tadel von damals wird in dieser Beleuchtung für Blücher zum Lob." Seine ganze Bedeutung als Feldherr offenbarte sich im Feldzuge 1814 in den Tagen von Laon, als er durch Krankheit verhindert war, bei den Truppen zu erscheinen und deu Befehl nur mittelbar durch Gneisenau fort¬ führte. Hier zeigte sich, daß der Chef des Generalstabs ihn wohl zu ergänzen, aber nicht eigentlich zu ersetzen vermochte. Freilich haben bei dem gerade damals übertrieben vorsichtigen Handeln der Schlesischen Armee auch noch andre Umstände angesprochen: so das Bestreben, erneute Rückschläge, wie man sie im Februar erlitten hatte, zu vermeiden, das Bedürfnis, die preußischen Truppen vor weitern starken Einbußen zu bewahren, die Schwierigkeiten, die Gneisenau als Chef des Generalstabs schon an sich, besonders aber bei einem Bundesheer erwuchsen. Die Stellung eines Chefs des Generalstabes war zu jener Zeit noch nicht so fest umgrenzt wie heute. Die damalige Fechtweise ermöglichte ja forderte unter Umständen die Betätigung des Feldherrn in der vordem Linie, während er jetzt sein Amt mit mehr Entsagung nnter weit größerer Zurückhaltung ausübt und zur Übermittlung seiner Befehle technische Hilfsmittel in Anspruch nimmt. Um die Schlesische Armee vorwärts zu bringen, bedürfte es damals des Zaubers, deu die Erscheinung des alten Feldherrn auf die Truppen übte. ^ ^ . < c> Damit soll nicht gesagt sein, daß Grei man der eigentlichen Fe dherrn- gaben ermangelt hätte. Das Gegenteil ist der Fall und er war sich dessen voll bewußt So ist er dann namentlich in der Zeit nach dem ersten Pariser Frieden nicht frei von Verstimmungen gewesen, wenn Blücher sich ..in seiner unbefangnen Art gelegentlich Verdienste zichrach die Gneisenau ganz oder doch teilweise für sich in Anspruch nahm". Dringend erbat s.es Gneisenau für deu Feldzug 1815 ein höheres Truppenkommando, znma da er f.es „. den eigentlichen Generalstabsgeschüften nicht gründlich durchgebilde fühlte BotM. Grolman. Wüstling waren ihm darin überlegen; auch die durchdringende Klar¬ heit seines Freundes Clausewitz hatte er nicht Es ennzeichnet die Lauterkeit seiner Gesinnung und seine große Bescheidenheit, daß er 1815 den Kriegs¬ minister Boyen bittet, ihm ..einen Generalquartiermeister, seine bessere Hälfte, auszusuchen", und fortfährt: „Sie wissen s° M w.e ich daß mir einige wesent¬ liche Eigenschaften eines Chefs des Generalstab, abgehen; ich bin weder dem Gemüt noch der wissenschaftlichen Bildung nach für die e Stelle hinlänglich ausgerüstet. In meiner Zusammenstellung nut dem Fürsten Blücher wir e ich nur hauptsächlich durch meinen Charakter auf ihn und ans die Bege euhei en durch eine entschlossene Ansicht des Krieges, die dnrch einiges Studium der Geschichte und durch aufmerksame Erwägung der Begebenheiten in nur und entwickelt hat" Freimütig bekennt er: „Ich bin nicht aufgeblasen genug, um

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/519>, abgerufen am 27.06.2024.