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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Blücher "ut Gneisenau

Kolberger Zeit hatten sich in den Jahren der Fremdherrschaft immer freund¬
schaftlicher gestaltet und sich während des Frühjahrsfcldznges 1813 im gemein¬
samen Zusammenwirken bewährt; mit dem Wachsen ihrer Aufgaben wuchsen die
beiden Helden immer inniger zusammen."

Es wird nur in einzelnen Fallen gelingen, aus den Feldzugsakten nach¬
träglich mit Sicherheit festzustellen, inwieweit an den einzelnen Entschlüssen
der Feldherr oder seine Umgebung beteiligt gewesen ist. Zuweilen ist die An¬
regung von einem jüngern Offizier des eignen oder einem Nachrichtenoffizier
eines benachbarten oder unterstellten Stabes ans Grund einer von diesem
Offizier gemachten Wahrnehmung oder gewonnenen Auffassung ausgegangen.
Das Verdienst, dieser Anregung gefolgt zu sein, den Gedanken in den Ent¬
schluß umgesetzt und an dessen Durchführung, unbeirrt durch Nebenumstände,
festgehalten zu haben, gebührt gleichwohl dem verantwortlichen Führer. So
hat denn auch Gneisenau, wie Generalleutnant von Unger hervorhebt, die
Persönlichkeit seines Feldherrn immer in den Vordergrund treten lassen.
"Raumer bestätigt das Wort Arndts, daß Gneisenau seinem General mit voller
Anerkennung und Hingebung gedient habe. "Dies Dienen wird jeder bezeugen,
der Gelegenheit hatte, Gneisenau in seinem Verhältnis zu Blücher zu sehen;
es äußerte sich bei jeder Gelegenheit."" Hierbei aber konnte es bei einer
Persönlichkeit wie Gneisenau uicht ausbleiben, daß sich sein Einfluß auf Blücher
mit der Zeit immer mehr steigerte. "Gneisenau hatte, wie Müffling, der Ober¬
quartiermeister der Armee, bezeugt, die besondre Neigung für alles, was ge¬
wagt oder auf Mut gegründet war, und mit daraus entspringenden Vorschlägen
konnte er bei Blücher immer auf Zustimmung rechnen." Ähnlich sagt Fried-
jung^) vom Feldzeugmeister von John, dem Generalstabschef des Erzherzogs
Albrecht von Österreich, auch bei ihm sei die Kühnheit der kriegerischen Ent¬
würfe das Ergebnis der Einsicht gewesen, daß im Kampfe der mutigste Mann
mich der klügste sei. Bei aller Übereinstimmung der Gesinnung zwischen
Führer und Generalstabschef des Schlesischen Heeres aber spricht sich General
von Unger dahin aus, daß von einem willenlosen Sichlenkenlassen bei Blücher
keine Rede sein könne. In den Briefen an seine Frau und an seine Freunde
haben wir das vollgiltige Zeugnis, daß er nicht allein die Aufgabe seiner
Armee mit voller Klarheit erfaßte, sondern auch deu Gang des Krieges im
großen mit Sicherheit überschaute. Mit Recht heißt es an andrer Stelle:
"Wenn man früher Gneiseuaus Unentbehrlichkeit damit schlagend nachzuweisen
gemeint hat, daß mau Blücher für vollständig unfähig erklärte, einen Feldzugs-
plan aufzustellen, so stehen wir hente doch etwas anders zu dieser Frage.
Allerdings, bei Feldzugsplüneu, wie sie Langenau und Knesebeck ausklügelten,
schüttelte er den Kopf: das sei ihm zu hoch. Daß es aber aufs Schlagen
des Feindes ankomme, wußte er besser als jene. Moltke hat Feldzugspläne,



Der Kampf um die Vorherrschasi in Deutschland, 1.
Blücher »ut Gneisenau

Kolberger Zeit hatten sich in den Jahren der Fremdherrschaft immer freund¬
schaftlicher gestaltet und sich während des Frühjahrsfcldznges 1813 im gemein¬
samen Zusammenwirken bewährt; mit dem Wachsen ihrer Aufgaben wuchsen die
beiden Helden immer inniger zusammen."

Es wird nur in einzelnen Fallen gelingen, aus den Feldzugsakten nach¬
träglich mit Sicherheit festzustellen, inwieweit an den einzelnen Entschlüssen
der Feldherr oder seine Umgebung beteiligt gewesen ist. Zuweilen ist die An¬
regung von einem jüngern Offizier des eignen oder einem Nachrichtenoffizier
eines benachbarten oder unterstellten Stabes ans Grund einer von diesem
Offizier gemachten Wahrnehmung oder gewonnenen Auffassung ausgegangen.
Das Verdienst, dieser Anregung gefolgt zu sein, den Gedanken in den Ent¬
schluß umgesetzt und an dessen Durchführung, unbeirrt durch Nebenumstände,
festgehalten zu haben, gebührt gleichwohl dem verantwortlichen Führer. So
hat denn auch Gneisenau, wie Generalleutnant von Unger hervorhebt, die
Persönlichkeit seines Feldherrn immer in den Vordergrund treten lassen.
„Raumer bestätigt das Wort Arndts, daß Gneisenau seinem General mit voller
Anerkennung und Hingebung gedient habe. »Dies Dienen wird jeder bezeugen,
der Gelegenheit hatte, Gneisenau in seinem Verhältnis zu Blücher zu sehen;
es äußerte sich bei jeder Gelegenheit.«" Hierbei aber konnte es bei einer
Persönlichkeit wie Gneisenau uicht ausbleiben, daß sich sein Einfluß auf Blücher
mit der Zeit immer mehr steigerte. „Gneisenau hatte, wie Müffling, der Ober¬
quartiermeister der Armee, bezeugt, die besondre Neigung für alles, was ge¬
wagt oder auf Mut gegründet war, und mit daraus entspringenden Vorschlägen
konnte er bei Blücher immer auf Zustimmung rechnen." Ähnlich sagt Fried-
jung^) vom Feldzeugmeister von John, dem Generalstabschef des Erzherzogs
Albrecht von Österreich, auch bei ihm sei die Kühnheit der kriegerischen Ent¬
würfe das Ergebnis der Einsicht gewesen, daß im Kampfe der mutigste Mann
mich der klügste sei. Bei aller Übereinstimmung der Gesinnung zwischen
Führer und Generalstabschef des Schlesischen Heeres aber spricht sich General
von Unger dahin aus, daß von einem willenlosen Sichlenkenlassen bei Blücher
keine Rede sein könne. In den Briefen an seine Frau und an seine Freunde
haben wir das vollgiltige Zeugnis, daß er nicht allein die Aufgabe seiner
Armee mit voller Klarheit erfaßte, sondern auch deu Gang des Krieges im
großen mit Sicherheit überschaute. Mit Recht heißt es an andrer Stelle:
„Wenn man früher Gneiseuaus Unentbehrlichkeit damit schlagend nachzuweisen
gemeint hat, daß mau Blücher für vollständig unfähig erklärte, einen Feldzugs-
plan aufzustellen, so stehen wir hente doch etwas anders zu dieser Frage.
Allerdings, bei Feldzugsplüneu, wie sie Langenau und Knesebeck ausklügelten,
schüttelte er den Kopf: das sei ihm zu hoch. Daß es aber aufs Schlagen
des Feindes ankomme, wußte er besser als jene. Moltke hat Feldzugspläne,



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[0518] Blücher »ut Gneisenau Kolberger Zeit hatten sich in den Jahren der Fremdherrschaft immer freund¬ schaftlicher gestaltet und sich während des Frühjahrsfcldznges 1813 im gemein¬ samen Zusammenwirken bewährt; mit dem Wachsen ihrer Aufgaben wuchsen die beiden Helden immer inniger zusammen." Es wird nur in einzelnen Fallen gelingen, aus den Feldzugsakten nach¬ träglich mit Sicherheit festzustellen, inwieweit an den einzelnen Entschlüssen der Feldherr oder seine Umgebung beteiligt gewesen ist. Zuweilen ist die An¬ regung von einem jüngern Offizier des eignen oder einem Nachrichtenoffizier eines benachbarten oder unterstellten Stabes ans Grund einer von diesem Offizier gemachten Wahrnehmung oder gewonnenen Auffassung ausgegangen. Das Verdienst, dieser Anregung gefolgt zu sein, den Gedanken in den Ent¬ schluß umgesetzt und an dessen Durchführung, unbeirrt durch Nebenumstände, festgehalten zu haben, gebührt gleichwohl dem verantwortlichen Führer. So hat denn auch Gneisenau, wie Generalleutnant von Unger hervorhebt, die Persönlichkeit seines Feldherrn immer in den Vordergrund treten lassen. „Raumer bestätigt das Wort Arndts, daß Gneisenau seinem General mit voller Anerkennung und Hingebung gedient habe. »Dies Dienen wird jeder bezeugen, der Gelegenheit hatte, Gneisenau in seinem Verhältnis zu Blücher zu sehen; es äußerte sich bei jeder Gelegenheit.«" Hierbei aber konnte es bei einer Persönlichkeit wie Gneisenau uicht ausbleiben, daß sich sein Einfluß auf Blücher mit der Zeit immer mehr steigerte. „Gneisenau hatte, wie Müffling, der Ober¬ quartiermeister der Armee, bezeugt, die besondre Neigung für alles, was ge¬ wagt oder auf Mut gegründet war, und mit daraus entspringenden Vorschlägen konnte er bei Blücher immer auf Zustimmung rechnen." Ähnlich sagt Fried- jung^) vom Feldzeugmeister von John, dem Generalstabschef des Erzherzogs Albrecht von Österreich, auch bei ihm sei die Kühnheit der kriegerischen Ent¬ würfe das Ergebnis der Einsicht gewesen, daß im Kampfe der mutigste Mann mich der klügste sei. Bei aller Übereinstimmung der Gesinnung zwischen Führer und Generalstabschef des Schlesischen Heeres aber spricht sich General von Unger dahin aus, daß von einem willenlosen Sichlenkenlassen bei Blücher keine Rede sein könne. In den Briefen an seine Frau und an seine Freunde haben wir das vollgiltige Zeugnis, daß er nicht allein die Aufgabe seiner Armee mit voller Klarheit erfaßte, sondern auch deu Gang des Krieges im großen mit Sicherheit überschaute. Mit Recht heißt es an andrer Stelle: „Wenn man früher Gneiseuaus Unentbehrlichkeit damit schlagend nachzuweisen gemeint hat, daß mau Blücher für vollständig unfähig erklärte, einen Feldzugs- plan aufzustellen, so stehen wir hente doch etwas anders zu dieser Frage. Allerdings, bei Feldzugsplüneu, wie sie Langenau und Knesebeck ausklügelten, schüttelte er den Kopf: das sei ihm zu hoch. Daß es aber aufs Schlagen des Feindes ankomme, wußte er besser als jene. Moltke hat Feldzugspläne, Der Kampf um die Vorherrschasi in Deutschland, 1.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/518>, abgerufen am 27.06.2024.