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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die Zukunft Australiens

Zahlen auf. England schickt nur die jungen Leute heraus, die ihm unbequem
werden. Hier angelangt, müssen sie dann irgendwelche Arbeit annehmen, die
sich ihnen gerade bietet, und wenn sie nicht arbeiten können oder wollen, gehn
sie auch nicht zugrunde, da es zu essen überall gibt, denn das Land produziert
an Lebensmitteln immer noch mehr, als verbraucht wird.

Ich habe schon vorher erwähnt, daß die größte Kalamität, woran Australien
leidet, der Mangel an Wasser oder an regelmäßigen niederschlugen ist. Da
Weizenkultur und Schafzucht neben dem Bergbau die Hauptfaktoren in Australiens
wirtschaftlichem Leben bedeuten, so ist der örauM (syr. "treue", nicht "träfe"),
das heißt das Ausbleiben des Regens zu einer bestimmten Zeit, das größte
Unglück, das den im Busche lebenden Ansiedler befallen kann.

Alles, was das menschliche Gehirn erdenken konnte, um diesem Übelstande
entgegenzuarbeiten, ist versucht worden. Findige Jankees sind unter großen
Kosten herübergeholt worden, um künstlichen Regen hervorzurufen, sogar Gebete
sind von den Bischöfen in den Kirchen angeordnet worden, den Segen des
Himmels anzurufen; artesische Brunnen und künstliche Wasserdämme sind an¬
gelegt worden. Aber was bedeutet das in einem so ungeheuer ausgedehnten
Lande wie Australien! Das Wichtigste jedoch, die Forstkultur, zu verbessern,
ist bis jetzt noch überall vernachlässigt worden. Neuerdings werden hier und
da Stimmen laut, die das Aufforsten des Landes befürworten, um regelmäßige
Niederschläge zu veranlassen. Unter den größern Städten Australiens, die
periodisch an Wassermangel leiden, steht Broken-Hill, das die größten Silber¬
und Bleibergwerke der Erde enthält, obenan. Es liegt mitten in einer Sand¬
wüste in Neusüdwales an der Grenze von Südaustralien, mit dem es durch
Eisenbahn verbunden ist. Die Negierung Südaustraliens versorgt in Zeiten
von Wassersnot die Stadt mit Wasser, indem sie spezielle Züge, die nur
Wassertanks führen, in regelmäßigen Zwischenräumen hinübergehn läßt. In
einzelnen abgelegnen Bergwerksniederlassungen Westaustraliens wird der Liter
Wasser sogar mit 2,50 Mark bezahlt. Da wird nicht Seife, sondern Wasser
zum Kulturmesser! Das in den Bergwerken hervorquellende Wasser ist nicht
zu gebrauchen, da es zu reich an Mineralsalzen ist, die es für den menschlichen
Gebrauch ungenießbar machen. Infolge des Mangels an regelmäßigen Nieder¬
schlägen ist das Klima mit Ausnahme des tropischen Nordens ziemlich trocken.
Der Sommer (vom Dezember bis zum April), wo die Temperatur mitunter auf
36 Grad Reaumur im Schatten steigt, ist gewöhnlich sehr heiß und trocken.
Der Witterungswechsel tritt sehr plötzlich und oft mit einem Sandsturm ein,
der selten von Regen begleitet ist, sodaß die Temperatur binnen weniger Stunden
um 15 bis 20 Grad füllt. Der Winter besteht aus einer monatelangen Regen¬
zeit, die oft das ersehnte Naß in reichlichen Mengen bringt, oft aber mich den
dürstenden Farmer enttäuscht, sodaß er mitunter seine Farm verlassen und seinen
Viehbestand meilenweit wegtreiben muß, nach Gegenden, wo der Regen saftiges
Grün hervorgezaubert hat. Die Unbeständigkeit und Launenhaftigkeit des Wetters


Die Zukunft Australiens

Zahlen auf. England schickt nur die jungen Leute heraus, die ihm unbequem
werden. Hier angelangt, müssen sie dann irgendwelche Arbeit annehmen, die
sich ihnen gerade bietet, und wenn sie nicht arbeiten können oder wollen, gehn
sie auch nicht zugrunde, da es zu essen überall gibt, denn das Land produziert
an Lebensmitteln immer noch mehr, als verbraucht wird.

Ich habe schon vorher erwähnt, daß die größte Kalamität, woran Australien
leidet, der Mangel an Wasser oder an regelmäßigen niederschlugen ist. Da
Weizenkultur und Schafzucht neben dem Bergbau die Hauptfaktoren in Australiens
wirtschaftlichem Leben bedeuten, so ist der örauM (syr. „treue", nicht „träfe"),
das heißt das Ausbleiben des Regens zu einer bestimmten Zeit, das größte
Unglück, das den im Busche lebenden Ansiedler befallen kann.

Alles, was das menschliche Gehirn erdenken konnte, um diesem Übelstande
entgegenzuarbeiten, ist versucht worden. Findige Jankees sind unter großen
Kosten herübergeholt worden, um künstlichen Regen hervorzurufen, sogar Gebete
sind von den Bischöfen in den Kirchen angeordnet worden, den Segen des
Himmels anzurufen; artesische Brunnen und künstliche Wasserdämme sind an¬
gelegt worden. Aber was bedeutet das in einem so ungeheuer ausgedehnten
Lande wie Australien! Das Wichtigste jedoch, die Forstkultur, zu verbessern,
ist bis jetzt noch überall vernachlässigt worden. Neuerdings werden hier und
da Stimmen laut, die das Aufforsten des Landes befürworten, um regelmäßige
Niederschläge zu veranlassen. Unter den größern Städten Australiens, die
periodisch an Wassermangel leiden, steht Broken-Hill, das die größten Silber¬
und Bleibergwerke der Erde enthält, obenan. Es liegt mitten in einer Sand¬
wüste in Neusüdwales an der Grenze von Südaustralien, mit dem es durch
Eisenbahn verbunden ist. Die Negierung Südaustraliens versorgt in Zeiten
von Wassersnot die Stadt mit Wasser, indem sie spezielle Züge, die nur
Wassertanks führen, in regelmäßigen Zwischenräumen hinübergehn läßt. In
einzelnen abgelegnen Bergwerksniederlassungen Westaustraliens wird der Liter
Wasser sogar mit 2,50 Mark bezahlt. Da wird nicht Seife, sondern Wasser
zum Kulturmesser! Das in den Bergwerken hervorquellende Wasser ist nicht
zu gebrauchen, da es zu reich an Mineralsalzen ist, die es für den menschlichen
Gebrauch ungenießbar machen. Infolge des Mangels an regelmäßigen Nieder¬
schlägen ist das Klima mit Ausnahme des tropischen Nordens ziemlich trocken.
Der Sommer (vom Dezember bis zum April), wo die Temperatur mitunter auf
36 Grad Reaumur im Schatten steigt, ist gewöhnlich sehr heiß und trocken.
Der Witterungswechsel tritt sehr plötzlich und oft mit einem Sandsturm ein,
der selten von Regen begleitet ist, sodaß die Temperatur binnen weniger Stunden
um 15 bis 20 Grad füllt. Der Winter besteht aus einer monatelangen Regen¬
zeit, die oft das ersehnte Naß in reichlichen Mengen bringt, oft aber mich den
dürstenden Farmer enttäuscht, sodaß er mitunter seine Farm verlassen und seinen
Viehbestand meilenweit wegtreiben muß, nach Gegenden, wo der Regen saftiges
Grün hervorgezaubert hat. Die Unbeständigkeit und Launenhaftigkeit des Wetters


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[0508] Die Zukunft Australiens Zahlen auf. England schickt nur die jungen Leute heraus, die ihm unbequem werden. Hier angelangt, müssen sie dann irgendwelche Arbeit annehmen, die sich ihnen gerade bietet, und wenn sie nicht arbeiten können oder wollen, gehn sie auch nicht zugrunde, da es zu essen überall gibt, denn das Land produziert an Lebensmitteln immer noch mehr, als verbraucht wird. Ich habe schon vorher erwähnt, daß die größte Kalamität, woran Australien leidet, der Mangel an Wasser oder an regelmäßigen niederschlugen ist. Da Weizenkultur und Schafzucht neben dem Bergbau die Hauptfaktoren in Australiens wirtschaftlichem Leben bedeuten, so ist der örauM (syr. „treue", nicht „träfe"), das heißt das Ausbleiben des Regens zu einer bestimmten Zeit, das größte Unglück, das den im Busche lebenden Ansiedler befallen kann. Alles, was das menschliche Gehirn erdenken konnte, um diesem Übelstande entgegenzuarbeiten, ist versucht worden. Findige Jankees sind unter großen Kosten herübergeholt worden, um künstlichen Regen hervorzurufen, sogar Gebete sind von den Bischöfen in den Kirchen angeordnet worden, den Segen des Himmels anzurufen; artesische Brunnen und künstliche Wasserdämme sind an¬ gelegt worden. Aber was bedeutet das in einem so ungeheuer ausgedehnten Lande wie Australien! Das Wichtigste jedoch, die Forstkultur, zu verbessern, ist bis jetzt noch überall vernachlässigt worden. Neuerdings werden hier und da Stimmen laut, die das Aufforsten des Landes befürworten, um regelmäßige Niederschläge zu veranlassen. Unter den größern Städten Australiens, die periodisch an Wassermangel leiden, steht Broken-Hill, das die größten Silber¬ und Bleibergwerke der Erde enthält, obenan. Es liegt mitten in einer Sand¬ wüste in Neusüdwales an der Grenze von Südaustralien, mit dem es durch Eisenbahn verbunden ist. Die Negierung Südaustraliens versorgt in Zeiten von Wassersnot die Stadt mit Wasser, indem sie spezielle Züge, die nur Wassertanks führen, in regelmäßigen Zwischenräumen hinübergehn läßt. In einzelnen abgelegnen Bergwerksniederlassungen Westaustraliens wird der Liter Wasser sogar mit 2,50 Mark bezahlt. Da wird nicht Seife, sondern Wasser zum Kulturmesser! Das in den Bergwerken hervorquellende Wasser ist nicht zu gebrauchen, da es zu reich an Mineralsalzen ist, die es für den menschlichen Gebrauch ungenießbar machen. Infolge des Mangels an regelmäßigen Nieder¬ schlägen ist das Klima mit Ausnahme des tropischen Nordens ziemlich trocken. Der Sommer (vom Dezember bis zum April), wo die Temperatur mitunter auf 36 Grad Reaumur im Schatten steigt, ist gewöhnlich sehr heiß und trocken. Der Witterungswechsel tritt sehr plötzlich und oft mit einem Sandsturm ein, der selten von Regen begleitet ist, sodaß die Temperatur binnen weniger Stunden um 15 bis 20 Grad füllt. Der Winter besteht aus einer monatelangen Regen¬ zeit, die oft das ersehnte Naß in reichlichen Mengen bringt, oft aber mich den dürstenden Farmer enttäuscht, sodaß er mitunter seine Farm verlassen und seinen Viehbestand meilenweit wegtreiben muß, nach Gegenden, wo der Regen saftiges Grün hervorgezaubert hat. Die Unbeständigkeit und Launenhaftigkeit des Wetters

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/508>, abgerufen am 27.06.2024.