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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die Zukunft Australiens

übt natürlich seinen Einfluß auf den Charakter der Bewohner aus. Wir wissen,
daß der australische Ureinwohner auf der niedrigsten Stufe aller Menschenrassen
steht. Es ist nun interessant, zu beobachten, wie die Nachkommen der hier
eingewanderten, intelligenten Europäer schnell entarten. Die Kinder entwickeln
sich sehr schnell und genießen vor dem Gesetze unbedingte Freiheit. Diese
persönliche Freiheit wird auch in den gut geleiteten staatlichen Volksschulen von
den Lehrern respektiert. Infolgedessen ist das Betragen der Kinder gegen
Erwachsne nach unsern Begriffen höchst ungebührlich und respektwidrig. Der
Vater wird als elle via man und die Mutter als tue M vornan bezeichnet. Von
einem Unterordnen des Willens der Kinder unter den der Eltern ist gar keine
Rede. Dieser ungezügelte Freiheitsdrang entwickelt sich bei dem jungen Manne
zu einem alle Autorität verachtenden Selbstgefühl. Begleitet ist dieses sehr
oft von einer gänzlichen Abwesenheit des Bewußtseins von Moral und Ehre.
Alles ist erlaubt, solange es sich mit den Gesetzen des Landes vereinbaren laßt.
Auf meiner Ausreise hierher traf ich in Colombo einen Engländer, der Australien
wiederholt bereist hatte. Im Verlaufe unsers Gesprächs bemerkte er: ^user^la
is ed.6 nearer^ vitliout og.lor, ed.6 treos Stoa tKÄr ort insteacl tlieir lesves,
rasn Ms, without Iwnour -uiä nomsn vitdout pensele^. (Australien ist das
Land ohne Wasser, die Bänme verlieren anstatt der Blätter ihre Rinde, die
Männer haben keine Ehre und die Frauen keine Keuschheit.) Die Tatsachen
bestätigten mir leider späterhin diese traurige Charakteristik eines Landes und
seines Volkes. Die Korruption in den öffentlichen Ämtern ist mindestens
eben so schlimm wie in Amerika. Der Fall Crick in Sydney (Staatsländereien-
schwindel) und der Fall Tucker (Zolluiiterschlaguugen bis zu 600000 Mark
durch einen Bürgermeister von Adelaide und Parlamentsmitglied) bestätigen dies.
Die Geriebenheit (8inarwe,8s) der australischen Jugend ist schon sprichwörtlich
geworden. Das Sydney-Bulletin, die gediegenste australische Zeitung politisch¬
satirischer Richtung, brachte vor einigen Jahren eine Karikatur betitelt ^usirMA"
r"rM. die einen Fußballspieler mit ungeheuern Händen und Füßen darstellte,
der Kopf war aber so klein gezeichnet, daß man erst nach genauem Hinsehn ein
Gesicht mit Mütze entdecken konnte. In der Tat konzentriert sich das öffentliche
Interesse um weiter nichts als Sport. Fußball, Pferderennen und Kricket sind
die Pole, um die sich das australische Leben bewegt. Ein Junge von acht
oder neun Jahren kann mir ganz genau sagen, welche Pferde die beste Aussicht
haben, in den nächsten Pferderennen zu gewinnen, er kennt sogar die Stamm¬
bäume der edeln Tiere auswendig. Ein?ootwI1ör oder vriaukter steht höher
in der öffentlichen Meinung als irgendein bedeutender Künstler oder Gelehrter.
Die Zeitungen bringen spaltenlange Berichte über die Wunderbaren Leistungen
dieser Fußkünstler. Ein junger Australier versicherte mir neulich ganz ernsthaft,
daß ein guter Fußballspieler ein ebenso großer Künstler sei als der Pianist
Paderewski. Deshalb stehn auch alle Künste auf einer niedrigen Entwicklungs¬
stufe. Es wimmelt von Charlatans und Jmpostoren. Da wir hier in dem


Die Zukunft Australiens

übt natürlich seinen Einfluß auf den Charakter der Bewohner aus. Wir wissen,
daß der australische Ureinwohner auf der niedrigsten Stufe aller Menschenrassen
steht. Es ist nun interessant, zu beobachten, wie die Nachkommen der hier
eingewanderten, intelligenten Europäer schnell entarten. Die Kinder entwickeln
sich sehr schnell und genießen vor dem Gesetze unbedingte Freiheit. Diese
persönliche Freiheit wird auch in den gut geleiteten staatlichen Volksschulen von
den Lehrern respektiert. Infolgedessen ist das Betragen der Kinder gegen
Erwachsne nach unsern Begriffen höchst ungebührlich und respektwidrig. Der
Vater wird als elle via man und die Mutter als tue M vornan bezeichnet. Von
einem Unterordnen des Willens der Kinder unter den der Eltern ist gar keine
Rede. Dieser ungezügelte Freiheitsdrang entwickelt sich bei dem jungen Manne
zu einem alle Autorität verachtenden Selbstgefühl. Begleitet ist dieses sehr
oft von einer gänzlichen Abwesenheit des Bewußtseins von Moral und Ehre.
Alles ist erlaubt, solange es sich mit den Gesetzen des Landes vereinbaren laßt.
Auf meiner Ausreise hierher traf ich in Colombo einen Engländer, der Australien
wiederholt bereist hatte. Im Verlaufe unsers Gesprächs bemerkte er: ^user^la
is ed.6 nearer^ vitliout og.lor, ed.6 treos Stoa tKÄr ort insteacl tlieir lesves,
rasn Ms, without Iwnour -uiä nomsn vitdout pensele^. (Australien ist das
Land ohne Wasser, die Bänme verlieren anstatt der Blätter ihre Rinde, die
Männer haben keine Ehre und die Frauen keine Keuschheit.) Die Tatsachen
bestätigten mir leider späterhin diese traurige Charakteristik eines Landes und
seines Volkes. Die Korruption in den öffentlichen Ämtern ist mindestens
eben so schlimm wie in Amerika. Der Fall Crick in Sydney (Staatsländereien-
schwindel) und der Fall Tucker (Zolluiiterschlaguugen bis zu 600000 Mark
durch einen Bürgermeister von Adelaide und Parlamentsmitglied) bestätigen dies.
Die Geriebenheit (8inarwe,8s) der australischen Jugend ist schon sprichwörtlich
geworden. Das Sydney-Bulletin, die gediegenste australische Zeitung politisch¬
satirischer Richtung, brachte vor einigen Jahren eine Karikatur betitelt ^usirMA«
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der Kopf war aber so klein gezeichnet, daß man erst nach genauem Hinsehn ein
Gesicht mit Mütze entdecken konnte. In der Tat konzentriert sich das öffentliche
Interesse um weiter nichts als Sport. Fußball, Pferderennen und Kricket sind
die Pole, um die sich das australische Leben bewegt. Ein Junge von acht
oder neun Jahren kann mir ganz genau sagen, welche Pferde die beste Aussicht
haben, in den nächsten Pferderennen zu gewinnen, er kennt sogar die Stamm¬
bäume der edeln Tiere auswendig. Ein?ootwI1ör oder vriaukter steht höher
in der öffentlichen Meinung als irgendein bedeutender Künstler oder Gelehrter.
Die Zeitungen bringen spaltenlange Berichte über die Wunderbaren Leistungen
dieser Fußkünstler. Ein junger Australier versicherte mir neulich ganz ernsthaft,
daß ein guter Fußballspieler ein ebenso großer Künstler sei als der Pianist
Paderewski. Deshalb stehn auch alle Künste auf einer niedrigen Entwicklungs¬
stufe. Es wimmelt von Charlatans und Jmpostoren. Da wir hier in dem


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[0509] Die Zukunft Australiens übt natürlich seinen Einfluß auf den Charakter der Bewohner aus. Wir wissen, daß der australische Ureinwohner auf der niedrigsten Stufe aller Menschenrassen steht. Es ist nun interessant, zu beobachten, wie die Nachkommen der hier eingewanderten, intelligenten Europäer schnell entarten. Die Kinder entwickeln sich sehr schnell und genießen vor dem Gesetze unbedingte Freiheit. Diese persönliche Freiheit wird auch in den gut geleiteten staatlichen Volksschulen von den Lehrern respektiert. Infolgedessen ist das Betragen der Kinder gegen Erwachsne nach unsern Begriffen höchst ungebührlich und respektwidrig. Der Vater wird als elle via man und die Mutter als tue M vornan bezeichnet. Von einem Unterordnen des Willens der Kinder unter den der Eltern ist gar keine Rede. Dieser ungezügelte Freiheitsdrang entwickelt sich bei dem jungen Manne zu einem alle Autorität verachtenden Selbstgefühl. Begleitet ist dieses sehr oft von einer gänzlichen Abwesenheit des Bewußtseins von Moral und Ehre. Alles ist erlaubt, solange es sich mit den Gesetzen des Landes vereinbaren laßt. Auf meiner Ausreise hierher traf ich in Colombo einen Engländer, der Australien wiederholt bereist hatte. Im Verlaufe unsers Gesprächs bemerkte er: ^user^la is ed.6 nearer^ vitliout og.lor, ed.6 treos Stoa tKÄr ort insteacl tlieir lesves, rasn Ms, without Iwnour -uiä nomsn vitdout pensele^. (Australien ist das Land ohne Wasser, die Bänme verlieren anstatt der Blätter ihre Rinde, die Männer haben keine Ehre und die Frauen keine Keuschheit.) Die Tatsachen bestätigten mir leider späterhin diese traurige Charakteristik eines Landes und seines Volkes. Die Korruption in den öffentlichen Ämtern ist mindestens eben so schlimm wie in Amerika. Der Fall Crick in Sydney (Staatsländereien- schwindel) und der Fall Tucker (Zolluiiterschlaguugen bis zu 600000 Mark durch einen Bürgermeister von Adelaide und Parlamentsmitglied) bestätigen dies. Die Geriebenheit (8inarwe,8s) der australischen Jugend ist schon sprichwörtlich geworden. Das Sydney-Bulletin, die gediegenste australische Zeitung politisch¬ satirischer Richtung, brachte vor einigen Jahren eine Karikatur betitelt ^usirMA« r»rM. die einen Fußballspieler mit ungeheuern Händen und Füßen darstellte, der Kopf war aber so klein gezeichnet, daß man erst nach genauem Hinsehn ein Gesicht mit Mütze entdecken konnte. In der Tat konzentriert sich das öffentliche Interesse um weiter nichts als Sport. Fußball, Pferderennen und Kricket sind die Pole, um die sich das australische Leben bewegt. Ein Junge von acht oder neun Jahren kann mir ganz genau sagen, welche Pferde die beste Aussicht haben, in den nächsten Pferderennen zu gewinnen, er kennt sogar die Stamm¬ bäume der edeln Tiere auswendig. Ein?ootwI1ör oder vriaukter steht höher in der öffentlichen Meinung als irgendein bedeutender Künstler oder Gelehrter. Die Zeitungen bringen spaltenlange Berichte über die Wunderbaren Leistungen dieser Fußkünstler. Ein junger Australier versicherte mir neulich ganz ernsthaft, daß ein guter Fußballspieler ein ebenso großer Künstler sei als der Pianist Paderewski. Deshalb stehn auch alle Künste auf einer niedrigen Entwicklungs¬ stufe. Es wimmelt von Charlatans und Jmpostoren. Da wir hier in dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/509>, abgerufen am 24.07.2024.