Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.Studienfahrten in der römischen Campagna Gebiet war schon entvölkert, und es ist auch nach dieser Zeit nicht mehr be¬ Ebenso wie der Großgrundbesitz ist die weltberüchtigte Malaria ein un¬ Nach diesen allgemeinen Betrachtungen wollen wir uns dem natürlichen Studienfahrten in der römischen Campagna Gebiet war schon entvölkert, und es ist auch nach dieser Zeit nicht mehr be¬ Ebenso wie der Großgrundbesitz ist die weltberüchtigte Malaria ein un¬ Nach diesen allgemeinen Betrachtungen wollen wir uns dem natürlichen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0434" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/312119"/> <fw type="header" place="top"> Studienfahrten in der römischen Campagna</fw><lb/> <p xml:id="ID_1728" prev="#ID_1727"> Gebiet war schon entvölkert, und es ist auch nach dieser Zeit nicht mehr be¬<lb/> völkert worden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1729"> Ebenso wie der Großgrundbesitz ist die weltberüchtigte Malaria ein un¬<lb/> umschränkter Gewalthaber für die wirtschaftlichen Zustände der römischen<lb/> Campagna geworden. Vor nicht langer Zeit hat man noch die Krankheit als<lb/> alleinige Ursache für die ungesunden wirtschaftlichen und sozialen Zustände des<lb/> Gebiets angesehn. Man war in maßgebenden Kreisen der Ansicht, daß an<lb/> eine Reform der Campagna in volkswirtschaftlicher und sozialer Richtung nicht<lb/> gedacht werden könne, bevor nicht die natürlichen Bedingungen für die land¬<lb/> wirtschaftliche Produktion gebessert würden. So sehr dies auch als richtig<lb/> anerkannt werden muß, so ist doch zu bedenken, daß auch eine intensive Boden¬<lb/> kultur die Malaria nicht völlig beseitigt. Auch in der blühenden Campania und<lb/> in der fruchtbaren Poebene schleicht die Malaria ebenso wie in der romanischen<lb/> und apulianischen Steppe umher. Wohl aber werden durch die Entwässerung die<lb/> sanitären Verhältnisse verbessert, sodaß die Zahl der Erkrankungen, namentlich<lb/> die der schwere» Fälle, ganz bedeutend vermindert wird. Als Beispiel möge<lb/> hierfür das entwässerte Gebiet von Ostia und Maccarese dienen. Die Malaria<lb/> verhindert jedoch keineswegs eine intensive Kultur und hat durchaus nicht eine<lb/> Verödung des Landes zur Folge. Darum sind auch in der römischen Campagna<lb/> die wirtschaftlichen Zustünde hauptsächlich an der Verödung des Gebietes schuld.<lb/> Das Gebiet würde sich bald bevölkern, wenn man Land zu günstigen Be¬<lb/> dingungen hätte kaufen können. Eine Melioration des Bodens würde dann<lb/> schon bald gefolgt sein. Als Ursache der Krankheit erkannte im Jahre 1880 der<lb/> französische Arzt Laveran einen Parasit, der sich im Blute der an der Malaria<lb/> erkrankten vorfindet. Der englische Bakteriologe Roß stellte weiter fest, daß<lb/> Blntparasiten der Vögel von Mücken aufgesogen und durch den Stich auf andre<lb/> Tiere übertragen werden. Später ist es dann dem italienischen Zoologen Grassi<lb/> gelungen, unter den Moskitoarten die Familie Anophclcs als die Malariaträger<lb/> festzustellen. Der Malariaparasit gelangt durch den Mückenstich in das mensch¬<lb/> liche Blut, wo er sich ungeschlechtlich vermehrt, und kehrt dann wieder beim<lb/> Saugen der Mücke in deren Leib zurück, wo er sich geschlechtlich und ungeschlecht¬<lb/> lich vermehrt. Stagnierendes Wasser ist die Brutstätte für die Mücke. Es gilt<lb/> demnach, dieser ihre Lebensbedingung durch Entwässerung zu nehmen. Sodann<lb/> ist der Keim im Blute des Menschen dnrch Einnehmen von Chinin zu ver¬<lb/> nichten. Als Schutz dient weiter die Absperrung der Wohnung durch Schutznetze<lb/> an Fenstern und Türen sowie das Tragen von Gesichts- und Handschuhuetzen,<lb/> wie sich dies bei Eisenbahnangestellten äußerst wirksam erwiesen hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1730" next="#ID_1731"> Nach diesen allgemeinen Betrachtungen wollen wir uns dem natürlichen<lb/> Faktor für die wirtschaftliche Technik, dem Grund und Boden, der Campagna<lb/> zuwenden. Wie die ganze Westküste Italiens, so ist auch unser Gebiet dadurch<lb/> entstanden, daß sich das Apenningebirge auftürmte, dann nnchsank und so zu<lb/> sogenannten Kesselbrüchen Veranlassung gab. Gemeinsam wurden dann die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0434]
Studienfahrten in der römischen Campagna
Gebiet war schon entvölkert, und es ist auch nach dieser Zeit nicht mehr be¬
völkert worden.
Ebenso wie der Großgrundbesitz ist die weltberüchtigte Malaria ein un¬
umschränkter Gewalthaber für die wirtschaftlichen Zustände der römischen
Campagna geworden. Vor nicht langer Zeit hat man noch die Krankheit als
alleinige Ursache für die ungesunden wirtschaftlichen und sozialen Zustände des
Gebiets angesehn. Man war in maßgebenden Kreisen der Ansicht, daß an
eine Reform der Campagna in volkswirtschaftlicher und sozialer Richtung nicht
gedacht werden könne, bevor nicht die natürlichen Bedingungen für die land¬
wirtschaftliche Produktion gebessert würden. So sehr dies auch als richtig
anerkannt werden muß, so ist doch zu bedenken, daß auch eine intensive Boden¬
kultur die Malaria nicht völlig beseitigt. Auch in der blühenden Campania und
in der fruchtbaren Poebene schleicht die Malaria ebenso wie in der romanischen
und apulianischen Steppe umher. Wohl aber werden durch die Entwässerung die
sanitären Verhältnisse verbessert, sodaß die Zahl der Erkrankungen, namentlich
die der schwere» Fälle, ganz bedeutend vermindert wird. Als Beispiel möge
hierfür das entwässerte Gebiet von Ostia und Maccarese dienen. Die Malaria
verhindert jedoch keineswegs eine intensive Kultur und hat durchaus nicht eine
Verödung des Landes zur Folge. Darum sind auch in der römischen Campagna
die wirtschaftlichen Zustünde hauptsächlich an der Verödung des Gebietes schuld.
Das Gebiet würde sich bald bevölkern, wenn man Land zu günstigen Be¬
dingungen hätte kaufen können. Eine Melioration des Bodens würde dann
schon bald gefolgt sein. Als Ursache der Krankheit erkannte im Jahre 1880 der
französische Arzt Laveran einen Parasit, der sich im Blute der an der Malaria
erkrankten vorfindet. Der englische Bakteriologe Roß stellte weiter fest, daß
Blntparasiten der Vögel von Mücken aufgesogen und durch den Stich auf andre
Tiere übertragen werden. Später ist es dann dem italienischen Zoologen Grassi
gelungen, unter den Moskitoarten die Familie Anophclcs als die Malariaträger
festzustellen. Der Malariaparasit gelangt durch den Mückenstich in das mensch¬
liche Blut, wo er sich ungeschlechtlich vermehrt, und kehrt dann wieder beim
Saugen der Mücke in deren Leib zurück, wo er sich geschlechtlich und ungeschlecht¬
lich vermehrt. Stagnierendes Wasser ist die Brutstätte für die Mücke. Es gilt
demnach, dieser ihre Lebensbedingung durch Entwässerung zu nehmen. Sodann
ist der Keim im Blute des Menschen dnrch Einnehmen von Chinin zu ver¬
nichten. Als Schutz dient weiter die Absperrung der Wohnung durch Schutznetze
an Fenstern und Türen sowie das Tragen von Gesichts- und Handschuhuetzen,
wie sich dies bei Eisenbahnangestellten äußerst wirksam erwiesen hat.
Nach diesen allgemeinen Betrachtungen wollen wir uns dem natürlichen
Faktor für die wirtschaftliche Technik, dem Grund und Boden, der Campagna
zuwenden. Wie die ganze Westküste Italiens, so ist auch unser Gebiet dadurch
entstanden, daß sich das Apenningebirge auftürmte, dann nnchsank und so zu
sogenannten Kesselbrüchen Veranlassung gab. Gemeinsam wurden dann die
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |