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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Studienfahrte" in der römischen Lampagna

Parks der herrlichen Villen die Gemüsegurken, Obstbaumpflanzungen und
Blumenfelder. Die Gegend war ein weiter Garten, und jedes Fleckchen Erde
wurde sorgsam bearbeitet, gedüngt und bewässert. In der landwirtschaftlichen
Tierhaltung trat die Zucht von Hühnern, Tauben, Krammetsvögeln, Pfauen,
Rebhühnern, Kranichen, Schwänen und dergleichen mehr in den Vordergrund.
Es handelte sich namentlich um die Gewinnung einzelner Körperteile, wie u. a.
von Leber, Zunge usw., die zu feinen Gerichten verarbeitet wurden. In der
weitern Umgegend folgten dann Milchwirtschaft und Futterbau. Von hier aus
verkaufte man Kuh- und Schafmilch, gemästete Kälber und junge Lümmer. Die
Viehhaltung muß hier eine weite Verbreitung gehabt haben, denn der Bedarf
an frischer Milch und Fleisch in der damaligen Millionenstadt ist ungeheuer
gewesen. Plinius der Ältere berichtet uns, daß die Landwirtschaft in unserm
Gebiete zur Zeit des kaiserlichen Roms die höchste Stufe der Entwicklung erreicht
hatte. Sobald nur die Nachfrage nach den überfeinerten Genußmitteln nachließ,
mußte eine furchtbare Krisis über das Gebiet hereinbrechen. Es ist bekannt, wie
Roms Glanz schnell verblaßte. Volkszahl und Reichtum verminderten sich schnell;
Gregorovius schlüge die Einwohnerzahl der Stadt bei der Ankunft Alarichs auf
höchstens 300000 an. Im vierten und im fünften Jahrhundert war dann die
römische Cnmpagna völlig ruiniert. Am Ende des sechsten Jahrhunderts-ge¬
langte das Gebiet in den Besitz der Kirche, die dann für eine Bebauung des
Bodens sorgte. Doch wurde dessen weitere Entwicklung durch das Hereinbrechen
der Barbaren und der Langobarden gehemmt. Bei dieser fortdauernden Unsicher¬
heit rief die Kirche die ansässigen Baronalherren als Beschützer an. Sie übertrug
ihnen die Verteidigung des Landes, wofür sie mit Land beschenkt wurden. Sogar
die Päpste selbst wandten sich in der Not an die Großen. Im elften und im
zwölften Jahrhundert befand sich das Land in der Hand von wenigen Ge¬
schlechtern. Die Zustände mußten natürlich auf die wirtschaftlichen Verhältnisse
unsers Gebiets verderblich einwirken. Unter dem ewigen Kriegsgetümmel wurde
der Boden nicht regelrecht bebaut, denn der ehemalige Ackerbauer war nun
Kriegsknecht. So mußte unter dein Einfluß des Feudalismus das römische
Gebiet entvölkert werden. Daher kamen auch weite Strecken Landes in völlige
Verwahrlosung. Der Großgrundbesitz gelangte nun auch im übrigen Italien
zur Entwicklung. Nach dem elften Jahrhundert begann auch ein neuer Kampf,
der zwischen dem Adel und den Städten. Die ^ugendfrischen aufblühenden
Städte Norditaliens warfen den Landadel zu Boden. Rom dagegen fand
dazu nicht Kraft genug. In Norditalien konnte sich demgemäß der Grund und
Boden nicht in wenigen Händen konzentrieren, wie es in Mittel- und Süd¬
italien geschah. Das Papsttum bildete sich aber allmählich zur Fürsteumacht
aus und brach nach langen Kämpfen die Gewalt des Adels. Dessen Grundbesitz
wurde zum überwiegenden Teil von der Kirche konfisziert. Das auf diese
Weise in die Hände der Päpste gelangte Eigentum wurde nun an die nepotischen
Anhänger des jeweiligen Inhabers des Heiligen Stuhls vergeben. Doch unser


Studienfahrte» in der römischen Lampagna

Parks der herrlichen Villen die Gemüsegurken, Obstbaumpflanzungen und
Blumenfelder. Die Gegend war ein weiter Garten, und jedes Fleckchen Erde
wurde sorgsam bearbeitet, gedüngt und bewässert. In der landwirtschaftlichen
Tierhaltung trat die Zucht von Hühnern, Tauben, Krammetsvögeln, Pfauen,
Rebhühnern, Kranichen, Schwänen und dergleichen mehr in den Vordergrund.
Es handelte sich namentlich um die Gewinnung einzelner Körperteile, wie u. a.
von Leber, Zunge usw., die zu feinen Gerichten verarbeitet wurden. In der
weitern Umgegend folgten dann Milchwirtschaft und Futterbau. Von hier aus
verkaufte man Kuh- und Schafmilch, gemästete Kälber und junge Lümmer. Die
Viehhaltung muß hier eine weite Verbreitung gehabt haben, denn der Bedarf
an frischer Milch und Fleisch in der damaligen Millionenstadt ist ungeheuer
gewesen. Plinius der Ältere berichtet uns, daß die Landwirtschaft in unserm
Gebiete zur Zeit des kaiserlichen Roms die höchste Stufe der Entwicklung erreicht
hatte. Sobald nur die Nachfrage nach den überfeinerten Genußmitteln nachließ,
mußte eine furchtbare Krisis über das Gebiet hereinbrechen. Es ist bekannt, wie
Roms Glanz schnell verblaßte. Volkszahl und Reichtum verminderten sich schnell;
Gregorovius schlüge die Einwohnerzahl der Stadt bei der Ankunft Alarichs auf
höchstens 300000 an. Im vierten und im fünften Jahrhundert war dann die
römische Cnmpagna völlig ruiniert. Am Ende des sechsten Jahrhunderts-ge¬
langte das Gebiet in den Besitz der Kirche, die dann für eine Bebauung des
Bodens sorgte. Doch wurde dessen weitere Entwicklung durch das Hereinbrechen
der Barbaren und der Langobarden gehemmt. Bei dieser fortdauernden Unsicher¬
heit rief die Kirche die ansässigen Baronalherren als Beschützer an. Sie übertrug
ihnen die Verteidigung des Landes, wofür sie mit Land beschenkt wurden. Sogar
die Päpste selbst wandten sich in der Not an die Großen. Im elften und im
zwölften Jahrhundert befand sich das Land in der Hand von wenigen Ge¬
schlechtern. Die Zustände mußten natürlich auf die wirtschaftlichen Verhältnisse
unsers Gebiets verderblich einwirken. Unter dem ewigen Kriegsgetümmel wurde
der Boden nicht regelrecht bebaut, denn der ehemalige Ackerbauer war nun
Kriegsknecht. So mußte unter dein Einfluß des Feudalismus das römische
Gebiet entvölkert werden. Daher kamen auch weite Strecken Landes in völlige
Verwahrlosung. Der Großgrundbesitz gelangte nun auch im übrigen Italien
zur Entwicklung. Nach dem elften Jahrhundert begann auch ein neuer Kampf,
der zwischen dem Adel und den Städten. Die ^ugendfrischen aufblühenden
Städte Norditaliens warfen den Landadel zu Boden. Rom dagegen fand
dazu nicht Kraft genug. In Norditalien konnte sich demgemäß der Grund und
Boden nicht in wenigen Händen konzentrieren, wie es in Mittel- und Süd¬
italien geschah. Das Papsttum bildete sich aber allmählich zur Fürsteumacht
aus und brach nach langen Kämpfen die Gewalt des Adels. Dessen Grundbesitz
wurde zum überwiegenden Teil von der Kirche konfisziert. Das auf diese
Weise in die Hände der Päpste gelangte Eigentum wurde nun an die nepotischen
Anhänger des jeweiligen Inhabers des Heiligen Stuhls vergeben. Doch unser


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[0433] Studienfahrte» in der römischen Lampagna Parks der herrlichen Villen die Gemüsegurken, Obstbaumpflanzungen und Blumenfelder. Die Gegend war ein weiter Garten, und jedes Fleckchen Erde wurde sorgsam bearbeitet, gedüngt und bewässert. In der landwirtschaftlichen Tierhaltung trat die Zucht von Hühnern, Tauben, Krammetsvögeln, Pfauen, Rebhühnern, Kranichen, Schwänen und dergleichen mehr in den Vordergrund. Es handelte sich namentlich um die Gewinnung einzelner Körperteile, wie u. a. von Leber, Zunge usw., die zu feinen Gerichten verarbeitet wurden. In der weitern Umgegend folgten dann Milchwirtschaft und Futterbau. Von hier aus verkaufte man Kuh- und Schafmilch, gemästete Kälber und junge Lümmer. Die Viehhaltung muß hier eine weite Verbreitung gehabt haben, denn der Bedarf an frischer Milch und Fleisch in der damaligen Millionenstadt ist ungeheuer gewesen. Plinius der Ältere berichtet uns, daß die Landwirtschaft in unserm Gebiete zur Zeit des kaiserlichen Roms die höchste Stufe der Entwicklung erreicht hatte. Sobald nur die Nachfrage nach den überfeinerten Genußmitteln nachließ, mußte eine furchtbare Krisis über das Gebiet hereinbrechen. Es ist bekannt, wie Roms Glanz schnell verblaßte. Volkszahl und Reichtum verminderten sich schnell; Gregorovius schlüge die Einwohnerzahl der Stadt bei der Ankunft Alarichs auf höchstens 300000 an. Im vierten und im fünften Jahrhundert war dann die römische Cnmpagna völlig ruiniert. Am Ende des sechsten Jahrhunderts-ge¬ langte das Gebiet in den Besitz der Kirche, die dann für eine Bebauung des Bodens sorgte. Doch wurde dessen weitere Entwicklung durch das Hereinbrechen der Barbaren und der Langobarden gehemmt. Bei dieser fortdauernden Unsicher¬ heit rief die Kirche die ansässigen Baronalherren als Beschützer an. Sie übertrug ihnen die Verteidigung des Landes, wofür sie mit Land beschenkt wurden. Sogar die Päpste selbst wandten sich in der Not an die Großen. Im elften und im zwölften Jahrhundert befand sich das Land in der Hand von wenigen Ge¬ schlechtern. Die Zustände mußten natürlich auf die wirtschaftlichen Verhältnisse unsers Gebiets verderblich einwirken. Unter dem ewigen Kriegsgetümmel wurde der Boden nicht regelrecht bebaut, denn der ehemalige Ackerbauer war nun Kriegsknecht. So mußte unter dein Einfluß des Feudalismus das römische Gebiet entvölkert werden. Daher kamen auch weite Strecken Landes in völlige Verwahrlosung. Der Großgrundbesitz gelangte nun auch im übrigen Italien zur Entwicklung. Nach dem elften Jahrhundert begann auch ein neuer Kampf, der zwischen dem Adel und den Städten. Die ^ugendfrischen aufblühenden Städte Norditaliens warfen den Landadel zu Boden. Rom dagegen fand dazu nicht Kraft genug. In Norditalien konnte sich demgemäß der Grund und Boden nicht in wenigen Händen konzentrieren, wie es in Mittel- und Süd¬ italien geschah. Das Papsttum bildete sich aber allmählich zur Fürsteumacht aus und brach nach langen Kämpfen die Gewalt des Adels. Dessen Grundbesitz wurde zum überwiegenden Teil von der Kirche konfisziert. Das auf diese Weise in die Hände der Päpste gelangte Eigentum wurde nun an die nepotischen Anhänger des jeweiligen Inhabers des Heiligen Stuhls vergeben. Doch unser

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/433>, abgerufen am 24.07.2024.