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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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was hat uns der Krieg in Ostasien gelehrt?

er Krieg zwischen Rußland und Japan war der erste, in dem
sich zwei moderne große Armeen unter Verhältnissen entgegen¬
getreten sind, die uns erlauben, die Erfahrungen, die dort ge¬
macht worden sind, auch für europäische Verhältnisse anzuwenden
und -- mit gewissen Vorbehalten natürlich -- für unsre Heeres¬
ausbildung zu benutzen. Bei den Erfahrungen, die im Vurenkriege gesammelt
worden sind, war das lange nicht in demselben Maße möglich. Zwar waren
auch damals beide Gegner mit modernen Waffen ausgerüstet, aber die Eigen¬
tümlichkeiten des Burenheeres, einer undisziplinierten Jägermiliz, in Ver¬
bindung mit denen des Kriegsschauplatzes, der gerade dieser Jögermiliz be¬
sonders angemessen war, zwangen dazu, die Lehren dieses Krieges sehr vorsichtig
ZU untersuchen und sich vor Verallgemeinerungen zu hüten, um so mehr als
die Buren, deren taktisches Verfahren man sogleich überall als mustergiltig
anpreisen hören konnte, schließlich nach anfänglichen Erfolgen unterlagen.
Natürlich hatte man sich, aus Mangel an andern Kriegserfahrungen mit
modernen Waffen. immerhin einiges von dem zunutze machen können, was
der Burenkrieg gezeigt hatte, und die sogenannte Burcntaktik hat lange genug
in unsrer Presse und ans unsern Übungsplätzen ihr Wesen getrieben. Aber
der Krieg in Ostasien hat doch in vielen Dingen unsre Ansichten geändert
und berichtigt. Die Hauptfrage, die alle Taktiker beschäftigt, seitdem die Er¬
findung des rauchlosen Pulvers und der kleinkalibrigen Gewehre mit so vielen
alten Traditionen aufzuräumen nötigte, war der Verlauf des Jnfanterie-
kampfes: ob es möglich sei, einen Angriff gegen das verheerende Feuer dieser
neuen Gewehre zu führen, und in welchen Formen dieser sich abspielen werde.
Denn eines war von vornherein klar: jeder Fehler, den der Angreifer hierbei
machte, mußte ihn bei dem sicher wirkenden schnellen Fernfeuer, das die
neuen Waffen abgeben konnten, solche Verluste kosten, daß die Gefahr bestand,


Grenzboten II 1908 ^


was hat uns der Krieg in Ostasien gelehrt?

er Krieg zwischen Rußland und Japan war der erste, in dem
sich zwei moderne große Armeen unter Verhältnissen entgegen¬
getreten sind, die uns erlauben, die Erfahrungen, die dort ge¬
macht worden sind, auch für europäische Verhältnisse anzuwenden
und — mit gewissen Vorbehalten natürlich — für unsre Heeres¬
ausbildung zu benutzen. Bei den Erfahrungen, die im Vurenkriege gesammelt
worden sind, war das lange nicht in demselben Maße möglich. Zwar waren
auch damals beide Gegner mit modernen Waffen ausgerüstet, aber die Eigen¬
tümlichkeiten des Burenheeres, einer undisziplinierten Jägermiliz, in Ver¬
bindung mit denen des Kriegsschauplatzes, der gerade dieser Jögermiliz be¬
sonders angemessen war, zwangen dazu, die Lehren dieses Krieges sehr vorsichtig
ZU untersuchen und sich vor Verallgemeinerungen zu hüten, um so mehr als
die Buren, deren taktisches Verfahren man sogleich überall als mustergiltig
anpreisen hören konnte, schließlich nach anfänglichen Erfolgen unterlagen.
Natürlich hatte man sich, aus Mangel an andern Kriegserfahrungen mit
modernen Waffen. immerhin einiges von dem zunutze machen können, was
der Burenkrieg gezeigt hatte, und die sogenannte Burcntaktik hat lange genug
in unsrer Presse und ans unsern Übungsplätzen ihr Wesen getrieben. Aber
der Krieg in Ostasien hat doch in vielen Dingen unsre Ansichten geändert
und berichtigt. Die Hauptfrage, die alle Taktiker beschäftigt, seitdem die Er¬
findung des rauchlosen Pulvers und der kleinkalibrigen Gewehre mit so vielen
alten Traditionen aufzuräumen nötigte, war der Verlauf des Jnfanterie-
kampfes: ob es möglich sei, einen Angriff gegen das verheerende Feuer dieser
neuen Gewehre zu führen, und in welchen Formen dieser sich abspielen werde.
Denn eines war von vornherein klar: jeder Fehler, den der Angreifer hierbei
machte, mußte ihn bei dem sicher wirkenden schnellen Fernfeuer, das die
neuen Waffen abgeben konnten, solche Verluste kosten, daß die Gefahr bestand,


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[0357] [Abbildung] was hat uns der Krieg in Ostasien gelehrt? er Krieg zwischen Rußland und Japan war der erste, in dem sich zwei moderne große Armeen unter Verhältnissen entgegen¬ getreten sind, die uns erlauben, die Erfahrungen, die dort ge¬ macht worden sind, auch für europäische Verhältnisse anzuwenden und — mit gewissen Vorbehalten natürlich — für unsre Heeres¬ ausbildung zu benutzen. Bei den Erfahrungen, die im Vurenkriege gesammelt worden sind, war das lange nicht in demselben Maße möglich. Zwar waren auch damals beide Gegner mit modernen Waffen ausgerüstet, aber die Eigen¬ tümlichkeiten des Burenheeres, einer undisziplinierten Jägermiliz, in Ver¬ bindung mit denen des Kriegsschauplatzes, der gerade dieser Jögermiliz be¬ sonders angemessen war, zwangen dazu, die Lehren dieses Krieges sehr vorsichtig ZU untersuchen und sich vor Verallgemeinerungen zu hüten, um so mehr als die Buren, deren taktisches Verfahren man sogleich überall als mustergiltig anpreisen hören konnte, schließlich nach anfänglichen Erfolgen unterlagen. Natürlich hatte man sich, aus Mangel an andern Kriegserfahrungen mit modernen Waffen. immerhin einiges von dem zunutze machen können, was der Burenkrieg gezeigt hatte, und die sogenannte Burcntaktik hat lange genug in unsrer Presse und ans unsern Übungsplätzen ihr Wesen getrieben. Aber der Krieg in Ostasien hat doch in vielen Dingen unsre Ansichten geändert und berichtigt. Die Hauptfrage, die alle Taktiker beschäftigt, seitdem die Er¬ findung des rauchlosen Pulvers und der kleinkalibrigen Gewehre mit so vielen alten Traditionen aufzuräumen nötigte, war der Verlauf des Jnfanterie- kampfes: ob es möglich sei, einen Angriff gegen das verheerende Feuer dieser neuen Gewehre zu führen, und in welchen Formen dieser sich abspielen werde. Denn eines war von vornherein klar: jeder Fehler, den der Angreifer hierbei machte, mußte ihn bei dem sicher wirkenden schnellen Fernfeuer, das die neuen Waffen abgeben konnten, solche Verluste kosten, daß die Gefahr bestand, Grenzboten II 1908 ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/357>, abgerufen am 30.06.2024.