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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Das Tagebuch des Grafen Blumenthal von 1.370/7!.

Kanoniere dies tun können, und wenn ihr Einschießen mit dem Vorrücken der
Infanterie gleichen Schritt halten kann bei indirekten Richten der Geschütze
aus der Deckung, so ist gegen die Verwendung des indirekten Richters in
solchem Augenblick nichts einzuwenden. Es ist aber fraglich, ob dies oft möglich
sein wird. Und auf jeden Fall müssen einige Batterien losgelöst werden, um
der vorrückenden Infanterie zu folgen und die eroberte Stellung mit möglichst
geringer Verzögerung zu besetzen. In solchem Augenblick ist der Feind vorüber¬
gehend in Verwirrung. Seine Reserven und seine Trains, die bisher im
Gelände versteckt waren, kommen plötzlich hervor, und die Wirkung einer einzigen
Batterie oder selbst einer einzigen Kanone bei den Truppen, die eine Stellung
erobert haben, kann entscheidend sein, da sie die Unordnung zu erhöhen und
eine Panik zu schaffen vermag. Sowohl in Wiltshire als in Buckinghamshire
schien es dieses Jahr an Batterien zu fehlen, die die besondre Aufgabe hatten,
diesen speziellen Zweck zu erfüllen, und auf jeden Fall verzögerte sich das
Vorwärtsdringen der Kanonen in die eroberten Stellungen."




Das Tagebuch des Grafen Vlumenthal von ^870/7^

ZZM?^Fi^M--'/in 9. Januar d. I. starb zu Berlin der Generalleutnant z. D.
von Müller. Mit ihm ist ein Offizier dahingeschieden, der sich
I nicht nur in Krieg und Frieden große Verdienste um die
Förderung seiner Waffe, der Artillerie, erworben hat, sondern
I auch als Militärschriftsteller weit über die Grenzen unsers Vater¬
landes hinaus das größte Ansehn genoß und als eine der ersten Autoritäten
auf dem Gebiete des Festungskrieges und des Waffenwesens galt. Nun wo er
die Feder niedergelegt hat, die er bis zu seinem fünfundsiebzigsten Jahre mit
so großem Erfolge*) geführt, sei es dem Verfasser, der ihm auch im Leben
nahestand und wie er an der Einschließung von Paris teilnahm, gestattet,
eine Meinungsverschiedenheit zum Austrag zu bringen, die zwischen ihm und
gewissen Kreisen bestand über die Frage, welche Bedeutung den Anschauungen
des Grafen Blumenthal, wie sie in seinem Tagebuch niedergelegt sind, für das
endgiltige Urteil über die Beschießung von Paris beizumessen sei.

Diese Frage will nicht zur Ruhe kommen. Es wird, trotz wiederholter
fachmännischer Widerlegung, immer wieder aufs neue versucht, die Anschauungen
des Grafen Blumenthal, wie er sie in seinem Tagebuch zur Darstellung bringt,
doch als richtig zu erweisen. Da diese Versuche nur dahin führen können, die



Sein letztes Werk: Geschichte des Festungskrieges (1907) enthält die beste bis jetzt er¬
schienene Darstellung über die Belagerung von Port Arthur.
Das Tagebuch des Grafen Blumenthal von 1.370/7!.

Kanoniere dies tun können, und wenn ihr Einschießen mit dem Vorrücken der
Infanterie gleichen Schritt halten kann bei indirekten Richten der Geschütze
aus der Deckung, so ist gegen die Verwendung des indirekten Richters in
solchem Augenblick nichts einzuwenden. Es ist aber fraglich, ob dies oft möglich
sein wird. Und auf jeden Fall müssen einige Batterien losgelöst werden, um
der vorrückenden Infanterie zu folgen und die eroberte Stellung mit möglichst
geringer Verzögerung zu besetzen. In solchem Augenblick ist der Feind vorüber¬
gehend in Verwirrung. Seine Reserven und seine Trains, die bisher im
Gelände versteckt waren, kommen plötzlich hervor, und die Wirkung einer einzigen
Batterie oder selbst einer einzigen Kanone bei den Truppen, die eine Stellung
erobert haben, kann entscheidend sein, da sie die Unordnung zu erhöhen und
eine Panik zu schaffen vermag. Sowohl in Wiltshire als in Buckinghamshire
schien es dieses Jahr an Batterien zu fehlen, die die besondre Aufgabe hatten,
diesen speziellen Zweck zu erfüllen, und auf jeden Fall verzögerte sich das
Vorwärtsdringen der Kanonen in die eroberten Stellungen."




Das Tagebuch des Grafen Vlumenthal von ^870/7^

ZZM?^Fi^M--'/in 9. Januar d. I. starb zu Berlin der Generalleutnant z. D.
von Müller. Mit ihm ist ein Offizier dahingeschieden, der sich
I nicht nur in Krieg und Frieden große Verdienste um die
Förderung seiner Waffe, der Artillerie, erworben hat, sondern
I auch als Militärschriftsteller weit über die Grenzen unsers Vater¬
landes hinaus das größte Ansehn genoß und als eine der ersten Autoritäten
auf dem Gebiete des Festungskrieges und des Waffenwesens galt. Nun wo er
die Feder niedergelegt hat, die er bis zu seinem fünfundsiebzigsten Jahre mit
so großem Erfolge*) geführt, sei es dem Verfasser, der ihm auch im Leben
nahestand und wie er an der Einschließung von Paris teilnahm, gestattet,
eine Meinungsverschiedenheit zum Austrag zu bringen, die zwischen ihm und
gewissen Kreisen bestand über die Frage, welche Bedeutung den Anschauungen
des Grafen Blumenthal, wie sie in seinem Tagebuch niedergelegt sind, für das
endgiltige Urteil über die Beschießung von Paris beizumessen sei.

Diese Frage will nicht zur Ruhe kommen. Es wird, trotz wiederholter
fachmännischer Widerlegung, immer wieder aufs neue versucht, die Anschauungen
des Grafen Blumenthal, wie er sie in seinem Tagebuch zur Darstellung bringt,
doch als richtig zu erweisen. Da diese Versuche nur dahin führen können, die



Sein letztes Werk: Geschichte des Festungskrieges (1907) enthält die beste bis jetzt er¬
schienene Darstellung über die Belagerung von Port Arthur.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/318>, abgerufen am 04.07.2024.