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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Brauchen wir die Ausländer in unsern Kolonien?

zusiedeln und aus dem ihnen zugewiesnen Land etwas zu machen. Von den
paar Auslanddeutschen, die sich im Merugebiet angesiedelt haben, namentlich
Deutschrussen, will ich hier nicht reden, denn sie spielen weiter keine Rolle,

Desto mehr ist über die Inder zu sagen, denn sie stellen das Haupt¬
kontingent des Ausländertums in Ostafrika. Es ist in der letzten Zeit viel
Tinte für und wider sie vergossen worden. Leider wird vielfach übers Ziel
hinausgeschossen, indem die einen sie in den Himmel heben, die andern sie am
liebsten sofort mit Kind und Kegel ausgewiesen sehen mochten. Sicherlich sind
die Inder ein unliebsames Element im ostafrikanischen Wirtschaftskörper, das
wird jedem Unbefangnen einleuchten, wenn er erfährt, daß die Tausende von
diesen Fremdlingen, die in Ostafrika leben, den ganzen Zwischenhandel in Händen
haben. Ein ganzer Erwerbszweig in Händen von fremden Staatsangehörigen,
sicher ein ungesunder Zustand. Doppelt ungesund ist an der Sache, daß die
Leute samt und sonders mittellos in Ostafrika ankommen, sie schachern sich mög¬
lichst rasch in mehr oder minder saubrer Weise, bei der der betrügerische Bankerott
eine besondre Rolle spielt, ein paar tausend Rupien zusammen und kehren dann
wieder in ihre Heimat zurück. Das Geld, das sie sich errafft haben, geht unsrer
Kolonie verloren. Es soll gewiß nicht bestritten werden, daß es auch unter den
indischen Händlern eine Anzahl solider Leute gibt, aber die Ausnahmen be¬
stätigen nur die Regel. Die Inder denken gar nicht daran, sich ansässig zu
machen, am deutlichsten geht dies daraus hervor, daß die Erwerbung von
Grundbesitz sehr selten bei ihnen ist. Vor Jahren ist einmal versucht wordeu,
eine Anzahl Inder anzusiedeln, aber bezeichnenderweise ist aus dieser Jnder-
kolonie nichts geworden, weil sich die Leute, einmal im Lande, sehr rasch auf
ihren eigentlichen Beruf besannen, das heißt Händler wurden. Daß auf diesem
Gebiet etwas zu holen ist, beweist die wachsende indische Einwanderung. Vor
zwanzig Jahren konnte man sie an den Fingern herzählen, und heute sind
schon Tausende da, die Schätzung schwankt zwischen 6000 bis 10000. Es
wäre sehr wünschenswert, daß die Regierung in ihrer Bevölkerungsstatistik auch
einmal die Zahl der Inder wenigstens schätzungsweise feststellen wollte. Es
wäre doch interessant, zu wissen, wie stark dieser so vielfach angefochtne Be¬
völkerungsbestandteil zurzeit ist.

Die Inder sind tatsächlich nirgends in der Kolonie beliebt. Ihre Stütze
sind nur einige alteingesessene deutsche Großfirmen, die erklären, der Handel
könne nicht ohne sie auskommen. Der Grund, warum sich jene Firmen so sehr
an die Inder klammern, ist in den reichlichen Krediten zu suchen, die sie diesen
gegeben haben. Nun fürchten sie, ihr Geld zu verlieren, wenn ihre Schuldner
plötzlich schärfer angefaßt würden. Und die Verwaltung betet dies alles ge¬
wohnheitsmäßig nach. Es wird immer behauptet, die Inder seien unersetzlich,
der Europäer könne nicht mit ihnen konkurrieren. Dies ist bis zu einem gewissen
Grade richtig. Von heute auf morgen kann sich der Wechsel nicht vollziehen.
Aber man könnte es doch wenigstens einmal versuchen. Wenn in den Küsten-


Brauchen wir die Ausländer in unsern Kolonien?

zusiedeln und aus dem ihnen zugewiesnen Land etwas zu machen. Von den
paar Auslanddeutschen, die sich im Merugebiet angesiedelt haben, namentlich
Deutschrussen, will ich hier nicht reden, denn sie spielen weiter keine Rolle,

Desto mehr ist über die Inder zu sagen, denn sie stellen das Haupt¬
kontingent des Ausländertums in Ostafrika. Es ist in der letzten Zeit viel
Tinte für und wider sie vergossen worden. Leider wird vielfach übers Ziel
hinausgeschossen, indem die einen sie in den Himmel heben, die andern sie am
liebsten sofort mit Kind und Kegel ausgewiesen sehen mochten. Sicherlich sind
die Inder ein unliebsames Element im ostafrikanischen Wirtschaftskörper, das
wird jedem Unbefangnen einleuchten, wenn er erfährt, daß die Tausende von
diesen Fremdlingen, die in Ostafrika leben, den ganzen Zwischenhandel in Händen
haben. Ein ganzer Erwerbszweig in Händen von fremden Staatsangehörigen,
sicher ein ungesunder Zustand. Doppelt ungesund ist an der Sache, daß die
Leute samt und sonders mittellos in Ostafrika ankommen, sie schachern sich mög¬
lichst rasch in mehr oder minder saubrer Weise, bei der der betrügerische Bankerott
eine besondre Rolle spielt, ein paar tausend Rupien zusammen und kehren dann
wieder in ihre Heimat zurück. Das Geld, das sie sich errafft haben, geht unsrer
Kolonie verloren. Es soll gewiß nicht bestritten werden, daß es auch unter den
indischen Händlern eine Anzahl solider Leute gibt, aber die Ausnahmen be¬
stätigen nur die Regel. Die Inder denken gar nicht daran, sich ansässig zu
machen, am deutlichsten geht dies daraus hervor, daß die Erwerbung von
Grundbesitz sehr selten bei ihnen ist. Vor Jahren ist einmal versucht wordeu,
eine Anzahl Inder anzusiedeln, aber bezeichnenderweise ist aus dieser Jnder-
kolonie nichts geworden, weil sich die Leute, einmal im Lande, sehr rasch auf
ihren eigentlichen Beruf besannen, das heißt Händler wurden. Daß auf diesem
Gebiet etwas zu holen ist, beweist die wachsende indische Einwanderung. Vor
zwanzig Jahren konnte man sie an den Fingern herzählen, und heute sind
schon Tausende da, die Schätzung schwankt zwischen 6000 bis 10000. Es
wäre sehr wünschenswert, daß die Regierung in ihrer Bevölkerungsstatistik auch
einmal die Zahl der Inder wenigstens schätzungsweise feststellen wollte. Es
wäre doch interessant, zu wissen, wie stark dieser so vielfach angefochtne Be¬
völkerungsbestandteil zurzeit ist.

Die Inder sind tatsächlich nirgends in der Kolonie beliebt. Ihre Stütze
sind nur einige alteingesessene deutsche Großfirmen, die erklären, der Handel
könne nicht ohne sie auskommen. Der Grund, warum sich jene Firmen so sehr
an die Inder klammern, ist in den reichlichen Krediten zu suchen, die sie diesen
gegeben haben. Nun fürchten sie, ihr Geld zu verlieren, wenn ihre Schuldner
plötzlich schärfer angefaßt würden. Und die Verwaltung betet dies alles ge¬
wohnheitsmäßig nach. Es wird immer behauptet, die Inder seien unersetzlich,
der Europäer könne nicht mit ihnen konkurrieren. Dies ist bis zu einem gewissen
Grade richtig. Von heute auf morgen kann sich der Wechsel nicht vollziehen.
Aber man könnte es doch wenigstens einmal versuchen. Wenn in den Küsten-


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[0264] Brauchen wir die Ausländer in unsern Kolonien? zusiedeln und aus dem ihnen zugewiesnen Land etwas zu machen. Von den paar Auslanddeutschen, die sich im Merugebiet angesiedelt haben, namentlich Deutschrussen, will ich hier nicht reden, denn sie spielen weiter keine Rolle, Desto mehr ist über die Inder zu sagen, denn sie stellen das Haupt¬ kontingent des Ausländertums in Ostafrika. Es ist in der letzten Zeit viel Tinte für und wider sie vergossen worden. Leider wird vielfach übers Ziel hinausgeschossen, indem die einen sie in den Himmel heben, die andern sie am liebsten sofort mit Kind und Kegel ausgewiesen sehen mochten. Sicherlich sind die Inder ein unliebsames Element im ostafrikanischen Wirtschaftskörper, das wird jedem Unbefangnen einleuchten, wenn er erfährt, daß die Tausende von diesen Fremdlingen, die in Ostafrika leben, den ganzen Zwischenhandel in Händen haben. Ein ganzer Erwerbszweig in Händen von fremden Staatsangehörigen, sicher ein ungesunder Zustand. Doppelt ungesund ist an der Sache, daß die Leute samt und sonders mittellos in Ostafrika ankommen, sie schachern sich mög¬ lichst rasch in mehr oder minder saubrer Weise, bei der der betrügerische Bankerott eine besondre Rolle spielt, ein paar tausend Rupien zusammen und kehren dann wieder in ihre Heimat zurück. Das Geld, das sie sich errafft haben, geht unsrer Kolonie verloren. Es soll gewiß nicht bestritten werden, daß es auch unter den indischen Händlern eine Anzahl solider Leute gibt, aber die Ausnahmen be¬ stätigen nur die Regel. Die Inder denken gar nicht daran, sich ansässig zu machen, am deutlichsten geht dies daraus hervor, daß die Erwerbung von Grundbesitz sehr selten bei ihnen ist. Vor Jahren ist einmal versucht wordeu, eine Anzahl Inder anzusiedeln, aber bezeichnenderweise ist aus dieser Jnder- kolonie nichts geworden, weil sich die Leute, einmal im Lande, sehr rasch auf ihren eigentlichen Beruf besannen, das heißt Händler wurden. Daß auf diesem Gebiet etwas zu holen ist, beweist die wachsende indische Einwanderung. Vor zwanzig Jahren konnte man sie an den Fingern herzählen, und heute sind schon Tausende da, die Schätzung schwankt zwischen 6000 bis 10000. Es wäre sehr wünschenswert, daß die Regierung in ihrer Bevölkerungsstatistik auch einmal die Zahl der Inder wenigstens schätzungsweise feststellen wollte. Es wäre doch interessant, zu wissen, wie stark dieser so vielfach angefochtne Be¬ völkerungsbestandteil zurzeit ist. Die Inder sind tatsächlich nirgends in der Kolonie beliebt. Ihre Stütze sind nur einige alteingesessene deutsche Großfirmen, die erklären, der Handel könne nicht ohne sie auskommen. Der Grund, warum sich jene Firmen so sehr an die Inder klammern, ist in den reichlichen Krediten zu suchen, die sie diesen gegeben haben. Nun fürchten sie, ihr Geld zu verlieren, wenn ihre Schuldner plötzlich schärfer angefaßt würden. Und die Verwaltung betet dies alles ge¬ wohnheitsmäßig nach. Es wird immer behauptet, die Inder seien unersetzlich, der Europäer könne nicht mit ihnen konkurrieren. Dies ist bis zu einem gewissen Grade richtig. Von heute auf morgen kann sich der Wechsel nicht vollziehen. Aber man könnte es doch wenigstens einmal versuchen. Wenn in den Küsten-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/264>, abgerufen am 24.07.2024.