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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Brauchen wir die Ausländer in unsern Kolonien?

Plätzen und den Stationen im Innern grundsätzlich alle Lieferungen für die
Behörden an deutsche Kaufleute vergeben würden, so wäre der Grundstock für
eine Reihe deutscher Geschäfte gegeben. Jede Station im Innern zum Beispiel
gibt 30000 bis 80000 Mark jährlich für ihre Bedürfnisse aus, die größten¬
teils die Inder schlucken. Ein Umsatz in dieser Höhe genügt auch, um einen
deutschen Händler über Wasser zu halten. Den Handel mit den Eingebornen
würde er bald lernen, denn diese würden bald merken, daß der Weiße reeller
ist, und würden von selbst zu ihm kommen. Niemand wird mehr ernsthaft be¬
streikn wollen, daß die Eingebornen von der Mehrzahl der Inder in un¬
erhörter Weise bewuchert werden, und eine Eingebornenpolitik, die es mit der
Hebung der Eingebornen ernst meint, wird ernstlich daran arbeiten müssen, daß
diese Mißstände mit der Zeit verschwinden.

Kein vernünftiger Mensch wird verlangen, daß die Inder aus dem Lande
gejagt werden. Was man aber verlangen kann, ist, daß an sie dieselben An¬
forderungen handelsrechtlicher Natur, eine geordnete Buchführung usw., gestellt
werden wie an jeden deutschen Kaufmann. Bei den zahlreichen indischen
Bankerotten ist selten etwas zu machen, weil das Fehlen einer Verpflichtung
zur Buchführung dem Betrug Tür und Tor öffnet. Wenn den Indern durch
strenge Vorschriften auf die Finger gesehen und außerdem die Eingebornen durch
Einrichtung möglichst zahlreicher Märkte vor Übervorteilung geschützt werden,
so wird sich bald zeigen, daß auch deutsche Händler es sehr wohl mit den
Indern aufnehmen können. Der eigentliche Tauschhandel im Innern ist sowieso
nicht in Händen der Inder, sondern wird durch Araber und Küstenneger aus¬
geübt. An die Stelle der Inder können also sehr wohl teils Deutsche, teils
intelligente Neger treten. Darauf in geeigneter Weise hinzuarbeiten, ist unsers
Trachtens Pflicht der Regierung.

Die Furcht vor Repressalien von seiten Englands ist ganz unberechtigt,
denn es verlangt vorläufig niemand Ausnahmegesetze, sondern nur gleiches Recht
für alle. Dazu gehört unter anderm auch, daß der fremde Einwandrer bei
seiner Ankunft ebenso eine Kaution für eine etwa notwendig werdende Rück¬
beförderung zu hinterlegen hat wie jeder deutsche Einwandrer, der nicht in der
ersten oder zweiten Schiffsklasse ankommt. Daß aber die indische Einwandrung
sogar gefährlich werden und den Schrei nach Ausnahmegesetzen berechtigt er¬
scheinen lassen kann, beweist das in den Grenzboten von W. Paschen geschilderte
Beispiel der englischen Kolonie Natal. In diesem Sinne muß auch von der
Heranziehung chinesischer Arbeitskräfte da abgeraten werden, wo es überhaupt
einen andern Ausweg gibt. In Scnnoa wird es ja leider ohne die Chinesen
nicht gehn, dagegen braucht man in Ostafrika zu diesem letzten Mittel wirklich
nicht zu greifen, sondern sollte lieber die Neger in ihrem eignen wohlverstandnen
Interesse mit sanftem Zwang zur Arbeit heranziehen, ehe man ihnen eine über¬
legne Konkurrenz ins Land holt, die sie später schwer empfinden. Wenn es aber
ohne fremde Arbeiter nicht geht, so soll man sie unter keinen Umständen an-


Brauchen wir die Ausländer in unsern Kolonien?

Plätzen und den Stationen im Innern grundsätzlich alle Lieferungen für die
Behörden an deutsche Kaufleute vergeben würden, so wäre der Grundstock für
eine Reihe deutscher Geschäfte gegeben. Jede Station im Innern zum Beispiel
gibt 30000 bis 80000 Mark jährlich für ihre Bedürfnisse aus, die größten¬
teils die Inder schlucken. Ein Umsatz in dieser Höhe genügt auch, um einen
deutschen Händler über Wasser zu halten. Den Handel mit den Eingebornen
würde er bald lernen, denn diese würden bald merken, daß der Weiße reeller
ist, und würden von selbst zu ihm kommen. Niemand wird mehr ernsthaft be¬
streikn wollen, daß die Eingebornen von der Mehrzahl der Inder in un¬
erhörter Weise bewuchert werden, und eine Eingebornenpolitik, die es mit der
Hebung der Eingebornen ernst meint, wird ernstlich daran arbeiten müssen, daß
diese Mißstände mit der Zeit verschwinden.

Kein vernünftiger Mensch wird verlangen, daß die Inder aus dem Lande
gejagt werden. Was man aber verlangen kann, ist, daß an sie dieselben An¬
forderungen handelsrechtlicher Natur, eine geordnete Buchführung usw., gestellt
werden wie an jeden deutschen Kaufmann. Bei den zahlreichen indischen
Bankerotten ist selten etwas zu machen, weil das Fehlen einer Verpflichtung
zur Buchführung dem Betrug Tür und Tor öffnet. Wenn den Indern durch
strenge Vorschriften auf die Finger gesehen und außerdem die Eingebornen durch
Einrichtung möglichst zahlreicher Märkte vor Übervorteilung geschützt werden,
so wird sich bald zeigen, daß auch deutsche Händler es sehr wohl mit den
Indern aufnehmen können. Der eigentliche Tauschhandel im Innern ist sowieso
nicht in Händen der Inder, sondern wird durch Araber und Küstenneger aus¬
geübt. An die Stelle der Inder können also sehr wohl teils Deutsche, teils
intelligente Neger treten. Darauf in geeigneter Weise hinzuarbeiten, ist unsers
Trachtens Pflicht der Regierung.

Die Furcht vor Repressalien von seiten Englands ist ganz unberechtigt,
denn es verlangt vorläufig niemand Ausnahmegesetze, sondern nur gleiches Recht
für alle. Dazu gehört unter anderm auch, daß der fremde Einwandrer bei
seiner Ankunft ebenso eine Kaution für eine etwa notwendig werdende Rück¬
beförderung zu hinterlegen hat wie jeder deutsche Einwandrer, der nicht in der
ersten oder zweiten Schiffsklasse ankommt. Daß aber die indische Einwandrung
sogar gefährlich werden und den Schrei nach Ausnahmegesetzen berechtigt er¬
scheinen lassen kann, beweist das in den Grenzboten von W. Paschen geschilderte
Beispiel der englischen Kolonie Natal. In diesem Sinne muß auch von der
Heranziehung chinesischer Arbeitskräfte da abgeraten werden, wo es überhaupt
einen andern Ausweg gibt. In Scnnoa wird es ja leider ohne die Chinesen
nicht gehn, dagegen braucht man in Ostafrika zu diesem letzten Mittel wirklich
nicht zu greifen, sondern sollte lieber die Neger in ihrem eignen wohlverstandnen
Interesse mit sanftem Zwang zur Arbeit heranziehen, ehe man ihnen eine über¬
legne Konkurrenz ins Land holt, die sie später schwer empfinden. Wenn es aber
ohne fremde Arbeiter nicht geht, so soll man sie unter keinen Umständen an-


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[0265] Brauchen wir die Ausländer in unsern Kolonien? Plätzen und den Stationen im Innern grundsätzlich alle Lieferungen für die Behörden an deutsche Kaufleute vergeben würden, so wäre der Grundstock für eine Reihe deutscher Geschäfte gegeben. Jede Station im Innern zum Beispiel gibt 30000 bis 80000 Mark jährlich für ihre Bedürfnisse aus, die größten¬ teils die Inder schlucken. Ein Umsatz in dieser Höhe genügt auch, um einen deutschen Händler über Wasser zu halten. Den Handel mit den Eingebornen würde er bald lernen, denn diese würden bald merken, daß der Weiße reeller ist, und würden von selbst zu ihm kommen. Niemand wird mehr ernsthaft be¬ streikn wollen, daß die Eingebornen von der Mehrzahl der Inder in un¬ erhörter Weise bewuchert werden, und eine Eingebornenpolitik, die es mit der Hebung der Eingebornen ernst meint, wird ernstlich daran arbeiten müssen, daß diese Mißstände mit der Zeit verschwinden. Kein vernünftiger Mensch wird verlangen, daß die Inder aus dem Lande gejagt werden. Was man aber verlangen kann, ist, daß an sie dieselben An¬ forderungen handelsrechtlicher Natur, eine geordnete Buchführung usw., gestellt werden wie an jeden deutschen Kaufmann. Bei den zahlreichen indischen Bankerotten ist selten etwas zu machen, weil das Fehlen einer Verpflichtung zur Buchführung dem Betrug Tür und Tor öffnet. Wenn den Indern durch strenge Vorschriften auf die Finger gesehen und außerdem die Eingebornen durch Einrichtung möglichst zahlreicher Märkte vor Übervorteilung geschützt werden, so wird sich bald zeigen, daß auch deutsche Händler es sehr wohl mit den Indern aufnehmen können. Der eigentliche Tauschhandel im Innern ist sowieso nicht in Händen der Inder, sondern wird durch Araber und Küstenneger aus¬ geübt. An die Stelle der Inder können also sehr wohl teils Deutsche, teils intelligente Neger treten. Darauf in geeigneter Weise hinzuarbeiten, ist unsers Trachtens Pflicht der Regierung. Die Furcht vor Repressalien von seiten Englands ist ganz unberechtigt, denn es verlangt vorläufig niemand Ausnahmegesetze, sondern nur gleiches Recht für alle. Dazu gehört unter anderm auch, daß der fremde Einwandrer bei seiner Ankunft ebenso eine Kaution für eine etwa notwendig werdende Rück¬ beförderung zu hinterlegen hat wie jeder deutsche Einwandrer, der nicht in der ersten oder zweiten Schiffsklasse ankommt. Daß aber die indische Einwandrung sogar gefährlich werden und den Schrei nach Ausnahmegesetzen berechtigt er¬ scheinen lassen kann, beweist das in den Grenzboten von W. Paschen geschilderte Beispiel der englischen Kolonie Natal. In diesem Sinne muß auch von der Heranziehung chinesischer Arbeitskräfte da abgeraten werden, wo es überhaupt einen andern Ausweg gibt. In Scnnoa wird es ja leider ohne die Chinesen nicht gehn, dagegen braucht man in Ostafrika zu diesem letzten Mittel wirklich nicht zu greifen, sondern sollte lieber die Neger in ihrem eignen wohlverstandnen Interesse mit sanftem Zwang zur Arbeit heranziehen, ehe man ihnen eine über¬ legne Konkurrenz ins Land holt, die sie später schwer empfinden. Wenn es aber ohne fremde Arbeiter nicht geht, so soll man sie unter keinen Umständen an-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/265>, abgerufen am 24.07.2024.