Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Reform unsrer Ureditorganisation

Maß, so vermögen sie den Ausgleich der Zahlungsbilanz zu verzögern und
beeinflussen die Wechselkurse in einer Weise, die der tatsächlichen Marktlage
nicht entspricht.

Nun wird behauptet, daß Klagen über Goldaussuhr deshalb unangebracht
seien, weil Deutschland nach der amtlichen Statistik bis 1906 jährlich mehr
Gold ein- als ausgeführt habe. Es ist aber bekannt, daß die Statistik des
Außenhandels nicht zuverlässig ist und auch nicht sein kann; das trifft in ver¬
stärktem Maße für die Statistik der Goldbewegung zu. Daß überhaupt eine
starke Einfuhr stattfindet, ist vor allem auf die energischen Bemühungen der
Reichsbank zurückzuführen.

Weiter wird behauptet, daß die Banken deshalb Gold nicht exportieren
können, weil sie sich dadurch selbst schädigen würden. Sie seien so eng mit
der Volkswirtschaft verwachsen, daß eine Schädigung dieser sie gleichmäßig
antreffe. Das ist unbestreitbar richtig, doch hält jeder einzelne Exporteur
die verhältnismäßig geringen Beträge, die er ausführt, nicht für ausreichend,
daß sie die Volkswirtschaft schädigen könnten. Die Summe der von allen
in Betracht kommenden Firmen exportierten Beträge kann aber sehr wohl die
erwähnten Nachteile für das ganze Land zur Folge haben. Deshalb ist der
Vorschlag von Bendix, einen Diskontverein unter Mitwirkung der Reichsbank
zu gründen, dringend zu befürworten. Dieser Verein könnte auch auf die
Goldbewegungen entscheidenden Einfluß ausüben.

Über die Bendixschen Anregungen hinausgehend verdienen die mutigen
Vorschläge des frühern italienischen Schatzministers Luzzatti zur Regelung der
internationalen Goldströmungen die größte Beachtung. Luzzatti fordert zur
Einberufung einer internationalen Friedenskonferenz gegen den Kampf um das
Gold auf. Das Ergebnis soll die Einsetzung einer ständigen Kommission sein
mit der Aufgabe, durch Regulierung der Goldbewegungen dem internationalen
Geldmarkt und den einzelnen nationalen Märkten größere Ruhe zu verschaffen,
Geld- und Kreditkrisen nach Möglichkeit abzuschwächen. Wir nannten den
Vorschlag mutig, denn Luzzatti weiß, daß heute an den maßgebenden Stellen
noch dieselben Anschauungen vorherrschen wie vor vier Jahren, wo von Amerika
aus der Vorschlag gemacht wurde, eine internationale Abrechnungsstelle zu
schaffen.

Heute wie damals stehn die maßgebenden Autoritäten dem Vorschlag
zwar sympathisch aber ablehnend gegenüber, weil man noch vor dem Versuch
daran zweifelt, eine Übereinstimmung unter allen Staaten zu erreichen. Auch
ist die Geldmarktlage für seinen Vorschlag die denkbar ungünstigste, denn
Amerika, England und Deutschland werden dadurch, daß sie den Vorschlag
ablehnen, den Anschein vermeiden wollen, als bedürften sie in der augen¬
blicklichen bedrängten Lage fremder Hilfe. England und Deutschland haben
natürlich fremde Hilfe nicht nötig, und auch Amerika wird bei seiner enormen
Kapitalkraft die Krisis bald überwinden.


Reform unsrer Ureditorganisation

Maß, so vermögen sie den Ausgleich der Zahlungsbilanz zu verzögern und
beeinflussen die Wechselkurse in einer Weise, die der tatsächlichen Marktlage
nicht entspricht.

Nun wird behauptet, daß Klagen über Goldaussuhr deshalb unangebracht
seien, weil Deutschland nach der amtlichen Statistik bis 1906 jährlich mehr
Gold ein- als ausgeführt habe. Es ist aber bekannt, daß die Statistik des
Außenhandels nicht zuverlässig ist und auch nicht sein kann; das trifft in ver¬
stärktem Maße für die Statistik der Goldbewegung zu. Daß überhaupt eine
starke Einfuhr stattfindet, ist vor allem auf die energischen Bemühungen der
Reichsbank zurückzuführen.

Weiter wird behauptet, daß die Banken deshalb Gold nicht exportieren
können, weil sie sich dadurch selbst schädigen würden. Sie seien so eng mit
der Volkswirtschaft verwachsen, daß eine Schädigung dieser sie gleichmäßig
antreffe. Das ist unbestreitbar richtig, doch hält jeder einzelne Exporteur
die verhältnismäßig geringen Beträge, die er ausführt, nicht für ausreichend,
daß sie die Volkswirtschaft schädigen könnten. Die Summe der von allen
in Betracht kommenden Firmen exportierten Beträge kann aber sehr wohl die
erwähnten Nachteile für das ganze Land zur Folge haben. Deshalb ist der
Vorschlag von Bendix, einen Diskontverein unter Mitwirkung der Reichsbank
zu gründen, dringend zu befürworten. Dieser Verein könnte auch auf die
Goldbewegungen entscheidenden Einfluß ausüben.

Über die Bendixschen Anregungen hinausgehend verdienen die mutigen
Vorschläge des frühern italienischen Schatzministers Luzzatti zur Regelung der
internationalen Goldströmungen die größte Beachtung. Luzzatti fordert zur
Einberufung einer internationalen Friedenskonferenz gegen den Kampf um das
Gold auf. Das Ergebnis soll die Einsetzung einer ständigen Kommission sein
mit der Aufgabe, durch Regulierung der Goldbewegungen dem internationalen
Geldmarkt und den einzelnen nationalen Märkten größere Ruhe zu verschaffen,
Geld- und Kreditkrisen nach Möglichkeit abzuschwächen. Wir nannten den
Vorschlag mutig, denn Luzzatti weiß, daß heute an den maßgebenden Stellen
noch dieselben Anschauungen vorherrschen wie vor vier Jahren, wo von Amerika
aus der Vorschlag gemacht wurde, eine internationale Abrechnungsstelle zu
schaffen.

Heute wie damals stehn die maßgebenden Autoritäten dem Vorschlag
zwar sympathisch aber ablehnend gegenüber, weil man noch vor dem Versuch
daran zweifelt, eine Übereinstimmung unter allen Staaten zu erreichen. Auch
ist die Geldmarktlage für seinen Vorschlag die denkbar ungünstigste, denn
Amerika, England und Deutschland werden dadurch, daß sie den Vorschlag
ablehnen, den Anschein vermeiden wollen, als bedürften sie in der augen¬
blicklichen bedrängten Lage fremder Hilfe. England und Deutschland haben
natürlich fremde Hilfe nicht nötig, und auch Amerika wird bei seiner enormen
Kapitalkraft die Krisis bald überwinden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0226" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/361931"/>
          <fw type="header" place="top"> Reform unsrer Ureditorganisation</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_937" prev="#ID_936"> Maß, so vermögen sie den Ausgleich der Zahlungsbilanz zu verzögern und<lb/>
beeinflussen die Wechselkurse in einer Weise, die der tatsächlichen Marktlage<lb/>
nicht entspricht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_938"> Nun wird behauptet, daß Klagen über Goldaussuhr deshalb unangebracht<lb/>
seien, weil Deutschland nach der amtlichen Statistik bis 1906 jährlich mehr<lb/>
Gold ein- als ausgeführt habe. Es ist aber bekannt, daß die Statistik des<lb/>
Außenhandels nicht zuverlässig ist und auch nicht sein kann; das trifft in ver¬<lb/>
stärktem Maße für die Statistik der Goldbewegung zu. Daß überhaupt eine<lb/>
starke Einfuhr stattfindet, ist vor allem auf die energischen Bemühungen der<lb/>
Reichsbank zurückzuführen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_939"> Weiter wird behauptet, daß die Banken deshalb Gold nicht exportieren<lb/>
können, weil sie sich dadurch selbst schädigen würden. Sie seien so eng mit<lb/>
der Volkswirtschaft verwachsen, daß eine Schädigung dieser sie gleichmäßig<lb/>
antreffe. Das ist unbestreitbar richtig, doch hält jeder einzelne Exporteur<lb/>
die verhältnismäßig geringen Beträge, die er ausführt, nicht für ausreichend,<lb/>
daß sie die Volkswirtschaft schädigen könnten. Die Summe der von allen<lb/>
in Betracht kommenden Firmen exportierten Beträge kann aber sehr wohl die<lb/>
erwähnten Nachteile für das ganze Land zur Folge haben. Deshalb ist der<lb/>
Vorschlag von Bendix, einen Diskontverein unter Mitwirkung der Reichsbank<lb/>
zu gründen, dringend zu befürworten. Dieser Verein könnte auch auf die<lb/>
Goldbewegungen entscheidenden Einfluß ausüben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_940"> Über die Bendixschen Anregungen hinausgehend verdienen die mutigen<lb/>
Vorschläge des frühern italienischen Schatzministers Luzzatti zur Regelung der<lb/>
internationalen Goldströmungen die größte Beachtung. Luzzatti fordert zur<lb/>
Einberufung einer internationalen Friedenskonferenz gegen den Kampf um das<lb/>
Gold auf. Das Ergebnis soll die Einsetzung einer ständigen Kommission sein<lb/>
mit der Aufgabe, durch Regulierung der Goldbewegungen dem internationalen<lb/>
Geldmarkt und den einzelnen nationalen Märkten größere Ruhe zu verschaffen,<lb/>
Geld- und Kreditkrisen nach Möglichkeit abzuschwächen. Wir nannten den<lb/>
Vorschlag mutig, denn Luzzatti weiß, daß heute an den maßgebenden Stellen<lb/>
noch dieselben Anschauungen vorherrschen wie vor vier Jahren, wo von Amerika<lb/>
aus der Vorschlag gemacht wurde, eine internationale Abrechnungsstelle zu<lb/>
schaffen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_941"> Heute wie damals stehn die maßgebenden Autoritäten dem Vorschlag<lb/>
zwar sympathisch aber ablehnend gegenüber, weil man noch vor dem Versuch<lb/>
daran zweifelt, eine Übereinstimmung unter allen Staaten zu erreichen. Auch<lb/>
ist die Geldmarktlage für seinen Vorschlag die denkbar ungünstigste, denn<lb/>
Amerika, England und Deutschland werden dadurch, daß sie den Vorschlag<lb/>
ablehnen, den Anschein vermeiden wollen, als bedürften sie in der augen¬<lb/>
blicklichen bedrängten Lage fremder Hilfe. England und Deutschland haben<lb/>
natürlich fremde Hilfe nicht nötig, und auch Amerika wird bei seiner enormen<lb/>
Kapitalkraft die Krisis bald überwinden.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0226] Reform unsrer Ureditorganisation Maß, so vermögen sie den Ausgleich der Zahlungsbilanz zu verzögern und beeinflussen die Wechselkurse in einer Weise, die der tatsächlichen Marktlage nicht entspricht. Nun wird behauptet, daß Klagen über Goldaussuhr deshalb unangebracht seien, weil Deutschland nach der amtlichen Statistik bis 1906 jährlich mehr Gold ein- als ausgeführt habe. Es ist aber bekannt, daß die Statistik des Außenhandels nicht zuverlässig ist und auch nicht sein kann; das trifft in ver¬ stärktem Maße für die Statistik der Goldbewegung zu. Daß überhaupt eine starke Einfuhr stattfindet, ist vor allem auf die energischen Bemühungen der Reichsbank zurückzuführen. Weiter wird behauptet, daß die Banken deshalb Gold nicht exportieren können, weil sie sich dadurch selbst schädigen würden. Sie seien so eng mit der Volkswirtschaft verwachsen, daß eine Schädigung dieser sie gleichmäßig antreffe. Das ist unbestreitbar richtig, doch hält jeder einzelne Exporteur die verhältnismäßig geringen Beträge, die er ausführt, nicht für ausreichend, daß sie die Volkswirtschaft schädigen könnten. Die Summe der von allen in Betracht kommenden Firmen exportierten Beträge kann aber sehr wohl die erwähnten Nachteile für das ganze Land zur Folge haben. Deshalb ist der Vorschlag von Bendix, einen Diskontverein unter Mitwirkung der Reichsbank zu gründen, dringend zu befürworten. Dieser Verein könnte auch auf die Goldbewegungen entscheidenden Einfluß ausüben. Über die Bendixschen Anregungen hinausgehend verdienen die mutigen Vorschläge des frühern italienischen Schatzministers Luzzatti zur Regelung der internationalen Goldströmungen die größte Beachtung. Luzzatti fordert zur Einberufung einer internationalen Friedenskonferenz gegen den Kampf um das Gold auf. Das Ergebnis soll die Einsetzung einer ständigen Kommission sein mit der Aufgabe, durch Regulierung der Goldbewegungen dem internationalen Geldmarkt und den einzelnen nationalen Märkten größere Ruhe zu verschaffen, Geld- und Kreditkrisen nach Möglichkeit abzuschwächen. Wir nannten den Vorschlag mutig, denn Luzzatti weiß, daß heute an den maßgebenden Stellen noch dieselben Anschauungen vorherrschen wie vor vier Jahren, wo von Amerika aus der Vorschlag gemacht wurde, eine internationale Abrechnungsstelle zu schaffen. Heute wie damals stehn die maßgebenden Autoritäten dem Vorschlag zwar sympathisch aber ablehnend gegenüber, weil man noch vor dem Versuch daran zweifelt, eine Übereinstimmung unter allen Staaten zu erreichen. Auch ist die Geldmarktlage für seinen Vorschlag die denkbar ungünstigste, denn Amerika, England und Deutschland werden dadurch, daß sie den Vorschlag ablehnen, den Anschein vermeiden wollen, als bedürften sie in der augen¬ blicklichen bedrängten Lage fremder Hilfe. England und Deutschland haben natürlich fremde Hilfe nicht nötig, und auch Amerika wird bei seiner enormen Kapitalkraft die Krisis bald überwinden.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/226
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/226>, abgerufen am 24.07.2024.