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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Reform unsrer Ureditorganisation

einen bekannten Fall solcher Beeinflussung hin; als im Jahre 1905 die
japanische Anleihe durch die Deutsche Bank eingeführt wurde, suchten Mendels¬
sohn und Co., die Vertreter der russischen Regierung, den Privatsatz in die
Höhe zu treiben, um womöglich die Emission der japanischen Anleihe zu
vereiteln.

Ferner werden die Wechselkurse zeitweilig dadurch beeinflußt, daß von
deutschen Firmen Wechsel auf das Ausland ausgeschrieben und am offnen
Markte zum Verkauf gebracht werden. Diese Wechsel präsentiert aber der
Käufer im Einverständnis mit dem Verkäufer bei Verfall diesem selbst und
nicht dem Auslande zur Zahlung. Dadurch wird ein künstliches Angebot
hervorgerufen, und die Kurse werden herabgedrückt. Sehr oft kann man an
der Berliner Börse die Worte hören: heute macht der Vertreter der X-Bank
die Wechselkurse! Und das Gewinninteresse macht es auch oft verständlich,
daß die Banken den Kurs zu beeinflussen suchen. Besitzt zum Beispiel eine
Bank einen großen Vorrat von Wechseln auf das Ausland, den sie zu hohen
Kursen gekauft hat, und ihre Kunden wollen ihr diese Wechsel abkaufen, so
wird sie mit allen Mitteln versuchen, an der Börse den Kurs so hoch zu
treiben, daß sie ihre Bestünde ohne Verlust verkaufen kann; umgekehrt wird
die Bank ein Interesse an einem möglichst niedrigen Kurse haben, wenn ihr
Wechsel zur Gutschrift zugeschickt werden, und zwar in beiden Fällen ohne
Rücksicht auf die in ihrem Portefeuille und am Markte vorhandnen Bestände.
Eine Beeinflussung der Kurse wird auch erleichtert durch das Fehlen eines
Scheckgesetzes, denn solange der Scheckregreß nicht gesetzlich festgelegt ist, ist
eine amtliche Notierung der Scheckkurse ausgeschlossen.

Schließlich ist noch, ohne daß wir die Reihe der möglichen Einwirkungen
erschöpft haben wollen, der Einfluß der sogenannten Finanztratten zu er¬
wähnen. Ebenso wie die Banken der deutschen Kundschaft Kredit gewähren,
indem sie Wechsel auf sich ziehen lassen, die die Kunden bei andern Banken
verkaufen -- sogenannter Acceptkredit --, so gewähren sie auch ihrer aus-
lüudischen Kundschaft, meist Banken oder Privatbankfirmen, in derselben Weise
Wechselacceptkredit. Diese Wechsel (es kommen hauptsächlich amerikanische
Ziehungen in Betracht) werden Finanztratten genannt im Gegensatz zu solchen
überseeischen Bankaccepten, die auf Grund eines Warenankaufs ausgestellt
sind. Soweit nun die Finanztratteu den Zweck haben, für später fällige
Forderungen schon zwei bis drei Monate vor Fälligkeit das Geld zu beschaffen,
ist gegen ihre Berechtigung nichts einzuwenden; denn sie erfüllen dann nur
die eigentliche Aufgabe des Wechsels. Überschreiten sie aber das berechtigte


das Buch in Fachkreisen voraussichtlich lebhaftem Widerspruch begegnen wird. Wir werden
uns mit dieser Neuerscheinung noch naher beschäftigen; der Verfasser hat reichhaltiges -- wenn
auch meist bekanntes -- Material zur Reform des Geldmarkts fleißig zusammengetragen, ohne
jedoch sein Thema zu erschöpfen.
Reform unsrer Ureditorganisation

einen bekannten Fall solcher Beeinflussung hin; als im Jahre 1905 die
japanische Anleihe durch die Deutsche Bank eingeführt wurde, suchten Mendels¬
sohn und Co., die Vertreter der russischen Regierung, den Privatsatz in die
Höhe zu treiben, um womöglich die Emission der japanischen Anleihe zu
vereiteln.

Ferner werden die Wechselkurse zeitweilig dadurch beeinflußt, daß von
deutschen Firmen Wechsel auf das Ausland ausgeschrieben und am offnen
Markte zum Verkauf gebracht werden. Diese Wechsel präsentiert aber der
Käufer im Einverständnis mit dem Verkäufer bei Verfall diesem selbst und
nicht dem Auslande zur Zahlung. Dadurch wird ein künstliches Angebot
hervorgerufen, und die Kurse werden herabgedrückt. Sehr oft kann man an
der Berliner Börse die Worte hören: heute macht der Vertreter der X-Bank
die Wechselkurse! Und das Gewinninteresse macht es auch oft verständlich,
daß die Banken den Kurs zu beeinflussen suchen. Besitzt zum Beispiel eine
Bank einen großen Vorrat von Wechseln auf das Ausland, den sie zu hohen
Kursen gekauft hat, und ihre Kunden wollen ihr diese Wechsel abkaufen, so
wird sie mit allen Mitteln versuchen, an der Börse den Kurs so hoch zu
treiben, daß sie ihre Bestünde ohne Verlust verkaufen kann; umgekehrt wird
die Bank ein Interesse an einem möglichst niedrigen Kurse haben, wenn ihr
Wechsel zur Gutschrift zugeschickt werden, und zwar in beiden Fällen ohne
Rücksicht auf die in ihrem Portefeuille und am Markte vorhandnen Bestände.
Eine Beeinflussung der Kurse wird auch erleichtert durch das Fehlen eines
Scheckgesetzes, denn solange der Scheckregreß nicht gesetzlich festgelegt ist, ist
eine amtliche Notierung der Scheckkurse ausgeschlossen.

Schließlich ist noch, ohne daß wir die Reihe der möglichen Einwirkungen
erschöpft haben wollen, der Einfluß der sogenannten Finanztratten zu er¬
wähnen. Ebenso wie die Banken der deutschen Kundschaft Kredit gewähren,
indem sie Wechsel auf sich ziehen lassen, die die Kunden bei andern Banken
verkaufen — sogenannter Acceptkredit —, so gewähren sie auch ihrer aus-
lüudischen Kundschaft, meist Banken oder Privatbankfirmen, in derselben Weise
Wechselacceptkredit. Diese Wechsel (es kommen hauptsächlich amerikanische
Ziehungen in Betracht) werden Finanztratten genannt im Gegensatz zu solchen
überseeischen Bankaccepten, die auf Grund eines Warenankaufs ausgestellt
sind. Soweit nun die Finanztratteu den Zweck haben, für später fällige
Forderungen schon zwei bis drei Monate vor Fälligkeit das Geld zu beschaffen,
ist gegen ihre Berechtigung nichts einzuwenden; denn sie erfüllen dann nur
die eigentliche Aufgabe des Wechsels. Überschreiten sie aber das berechtigte


das Buch in Fachkreisen voraussichtlich lebhaftem Widerspruch begegnen wird. Wir werden
uns mit dieser Neuerscheinung noch naher beschäftigen; der Verfasser hat reichhaltiges — wenn
auch meist bekanntes — Material zur Reform des Geldmarkts fleißig zusammengetragen, ohne
jedoch sein Thema zu erschöpfen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/225>, abgerufen am 24.07.2024.