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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Reform unsrer Areditorganisation

Wir sind der Überzeugung, daß beide Vorschläge nicht mehr von der
Tagesordnung verschwinden und schließlich auch zur Ausführung gelangen
werden. Verschafft sich doch schon jetzt der Gedanke eines internationalen
Giroverkehrs immer mehr Geltung durch das rühmenswerte Vorgehen der
österreichischen Postsparkasse, die einen solchen Verkehr schon mit Deutschland,
England, Italien und der Schweiz durchgeführt hat. Die Postscheckämter der
europäischen Staaten könnten unsers Erachtens später die Trüger des inter¬
nationalen Giroverkehrs sein und würden so die Möglichkeit eines inter¬
nationalen Clearinghouses (Abrechnungsstelle) dartun. Deshalb ist es sehr zu
bedauern, daß immer noch Stimmen gegen die Einführung des Postscheck-
Verkehrs in Deutschland laut werden. Wir haben schon früher auf die Vor¬
teile des Postscheckverkehrs für den heimischen Geldmarkt hingewiesen. Dasselbe
Thema behandelt soeben der hervorragende Bankpraktiker und Gelehrte Pro¬
fessor or. Rießer in der Deutschen Revue*) und richtet hierbei eine beachtens¬
werte Mahnung an die Bankwelt. Selbst wenn der Postscheckverkehr das
Depositengeschäft der Banken und Bankiers beeinträchtigen würde (was jedoch
nicht zu befürchten ist), "so müßten -- ebenso wie die Sparkassen und Genossen¬
schaften -- auch die Banken, die zudem an einer Verminderung des Bargeld¬
umlaufs aufs lebhafteste interessiert sind, die Förderung des Gemeinwohls
höher stellen als die eignen Interessen- Das Gemeinwohl aber wird hier
dadurch gefördert, daß der gesamte Zahlungsverkehr durch möglichst starken
Ausschluß von Barzahlungen auf gesündere Grundlagen gestellt wird, während
andrerseits, da die Post selbst die eingehenden Gelder zinsbar anlegt, un¬
geheure Beträge, die sonst brach liegen würden, produktiver Verwendung zu¬
geführt werden."

Die Mahnung ist wohl angebracht, denn in der letzten Zeit scheint man
-- aus guten Gründen -- in Bankkreisen dem Scheckverkehr nicht mehr eine
allzugroße Bedeutung für den Geldmarkt beimessen zu wollen, sogar unter
Hinweis auf die amerikanische Krisis, die durch den ausgebreiteten Scheck¬
verkehr nicht aufgehalten worden sei. Demgegenüber kann festgestellt werden,
daß sich Krisen überhaupt nicht aufhalten, vielmehr nur durch geeignete Ein¬
richtungen abschwächen lassen, und so geht auch aus den aus Amerika vor¬
liegenden Berichten schon jetzt hervor, daß die Krisis viel weitere Kreise ge¬
zogen und ungleich größere Verheerungen angerichtet hätte, wenn nicht der
Scheckverkehr in allen Bevölkerungskreisen fest eingewurzelt wäre. Wie würde
sich wohl das deutsche Publikum, besonders der Kleinverkehr verhalten, wenn
sich infolge Mangels an Barmitteln in allen Städten Abrechnungsstellen
bilden, und wenn diese statt Bargeld ein privates Notstandsgeld in Form von
Bankanweisungen ausgeben würden? Wir glauben, eine furchtbare Panik



*) "Die wirtschaftlichen Ziele und Vorteile des Scheck- und Postscheckverkehrs", Deutsche
Revue (Januar 1908).
Reform unsrer Areditorganisation

Wir sind der Überzeugung, daß beide Vorschläge nicht mehr von der
Tagesordnung verschwinden und schließlich auch zur Ausführung gelangen
werden. Verschafft sich doch schon jetzt der Gedanke eines internationalen
Giroverkehrs immer mehr Geltung durch das rühmenswerte Vorgehen der
österreichischen Postsparkasse, die einen solchen Verkehr schon mit Deutschland,
England, Italien und der Schweiz durchgeführt hat. Die Postscheckämter der
europäischen Staaten könnten unsers Erachtens später die Trüger des inter¬
nationalen Giroverkehrs sein und würden so die Möglichkeit eines inter¬
nationalen Clearinghouses (Abrechnungsstelle) dartun. Deshalb ist es sehr zu
bedauern, daß immer noch Stimmen gegen die Einführung des Postscheck-
Verkehrs in Deutschland laut werden. Wir haben schon früher auf die Vor¬
teile des Postscheckverkehrs für den heimischen Geldmarkt hingewiesen. Dasselbe
Thema behandelt soeben der hervorragende Bankpraktiker und Gelehrte Pro¬
fessor or. Rießer in der Deutschen Revue*) und richtet hierbei eine beachtens¬
werte Mahnung an die Bankwelt. Selbst wenn der Postscheckverkehr das
Depositengeschäft der Banken und Bankiers beeinträchtigen würde (was jedoch
nicht zu befürchten ist), „so müßten — ebenso wie die Sparkassen und Genossen¬
schaften — auch die Banken, die zudem an einer Verminderung des Bargeld¬
umlaufs aufs lebhafteste interessiert sind, die Förderung des Gemeinwohls
höher stellen als die eignen Interessen- Das Gemeinwohl aber wird hier
dadurch gefördert, daß der gesamte Zahlungsverkehr durch möglichst starken
Ausschluß von Barzahlungen auf gesündere Grundlagen gestellt wird, während
andrerseits, da die Post selbst die eingehenden Gelder zinsbar anlegt, un¬
geheure Beträge, die sonst brach liegen würden, produktiver Verwendung zu¬
geführt werden."

Die Mahnung ist wohl angebracht, denn in der letzten Zeit scheint man
— aus guten Gründen — in Bankkreisen dem Scheckverkehr nicht mehr eine
allzugroße Bedeutung für den Geldmarkt beimessen zu wollen, sogar unter
Hinweis auf die amerikanische Krisis, die durch den ausgebreiteten Scheck¬
verkehr nicht aufgehalten worden sei. Demgegenüber kann festgestellt werden,
daß sich Krisen überhaupt nicht aufhalten, vielmehr nur durch geeignete Ein¬
richtungen abschwächen lassen, und so geht auch aus den aus Amerika vor¬
liegenden Berichten schon jetzt hervor, daß die Krisis viel weitere Kreise ge¬
zogen und ungleich größere Verheerungen angerichtet hätte, wenn nicht der
Scheckverkehr in allen Bevölkerungskreisen fest eingewurzelt wäre. Wie würde
sich wohl das deutsche Publikum, besonders der Kleinverkehr verhalten, wenn
sich infolge Mangels an Barmitteln in allen Städten Abrechnungsstellen
bilden, und wenn diese statt Bargeld ein privates Notstandsgeld in Form von
Bankanweisungen ausgeben würden? Wir glauben, eine furchtbare Panik



*) „Die wirtschaftlichen Ziele und Vorteile des Scheck- und Postscheckverkehrs", Deutsche
Revue (Januar 1908).
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[0227] Reform unsrer Areditorganisation Wir sind der Überzeugung, daß beide Vorschläge nicht mehr von der Tagesordnung verschwinden und schließlich auch zur Ausführung gelangen werden. Verschafft sich doch schon jetzt der Gedanke eines internationalen Giroverkehrs immer mehr Geltung durch das rühmenswerte Vorgehen der österreichischen Postsparkasse, die einen solchen Verkehr schon mit Deutschland, England, Italien und der Schweiz durchgeführt hat. Die Postscheckämter der europäischen Staaten könnten unsers Erachtens später die Trüger des inter¬ nationalen Giroverkehrs sein und würden so die Möglichkeit eines inter¬ nationalen Clearinghouses (Abrechnungsstelle) dartun. Deshalb ist es sehr zu bedauern, daß immer noch Stimmen gegen die Einführung des Postscheck- Verkehrs in Deutschland laut werden. Wir haben schon früher auf die Vor¬ teile des Postscheckverkehrs für den heimischen Geldmarkt hingewiesen. Dasselbe Thema behandelt soeben der hervorragende Bankpraktiker und Gelehrte Pro¬ fessor or. Rießer in der Deutschen Revue*) und richtet hierbei eine beachtens¬ werte Mahnung an die Bankwelt. Selbst wenn der Postscheckverkehr das Depositengeschäft der Banken und Bankiers beeinträchtigen würde (was jedoch nicht zu befürchten ist), „so müßten — ebenso wie die Sparkassen und Genossen¬ schaften — auch die Banken, die zudem an einer Verminderung des Bargeld¬ umlaufs aufs lebhafteste interessiert sind, die Förderung des Gemeinwohls höher stellen als die eignen Interessen- Das Gemeinwohl aber wird hier dadurch gefördert, daß der gesamte Zahlungsverkehr durch möglichst starken Ausschluß von Barzahlungen auf gesündere Grundlagen gestellt wird, während andrerseits, da die Post selbst die eingehenden Gelder zinsbar anlegt, un¬ geheure Beträge, die sonst brach liegen würden, produktiver Verwendung zu¬ geführt werden." Die Mahnung ist wohl angebracht, denn in der letzten Zeit scheint man — aus guten Gründen — in Bankkreisen dem Scheckverkehr nicht mehr eine allzugroße Bedeutung für den Geldmarkt beimessen zu wollen, sogar unter Hinweis auf die amerikanische Krisis, die durch den ausgebreiteten Scheck¬ verkehr nicht aufgehalten worden sei. Demgegenüber kann festgestellt werden, daß sich Krisen überhaupt nicht aufhalten, vielmehr nur durch geeignete Ein¬ richtungen abschwächen lassen, und so geht auch aus den aus Amerika vor¬ liegenden Berichten schon jetzt hervor, daß die Krisis viel weitere Kreise ge¬ zogen und ungleich größere Verheerungen angerichtet hätte, wenn nicht der Scheckverkehr in allen Bevölkerungskreisen fest eingewurzelt wäre. Wie würde sich wohl das deutsche Publikum, besonders der Kleinverkehr verhalten, wenn sich infolge Mangels an Barmitteln in allen Städten Abrechnungsstellen bilden, und wenn diese statt Bargeld ein privates Notstandsgeld in Form von Bankanweisungen ausgeben würden? Wir glauben, eine furchtbare Panik *) „Die wirtschaftlichen Ziele und Vorteile des Scheck- und Postscheckverkehrs", Deutsche Revue (Januar 1908).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/227>, abgerufen am 24.07.2024.