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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Reform unsrer Ureditorganisation

zu stellen als das Interesse der Gesamtheit, wenn er die Einführung des Post-
scheckverkehrs verwirft; ferner würden auch wir die Erhöhung des Grund¬
kapitals der Reichsbank erst in letzter Reihe befürworten, und doch ist auch
hierin Heiligenstadt insofern beizupflichten, als hundert Millionen Grund¬
kapital der Neichsbank dem Geldmarkte zum großen Teil als flüssige Mittel
durch Umwandlung in Wechselform wieder zur Verfügung gestellt werden,
diese Summe also zweifellos besser angelegt ist, als wenn sich das deutsche
Publikum zum Beispiel hundert Millionen südafrikanische Minenaktien aufbürden
lassen muß. Gegen die Erhöhung des Grundkapitals wird häufig angeführt,
daß in stillen Zeiten nicht genügend Verwendung für das Kapital gefunden
werden könnte, daß sich infolgedessen übereifrige Reichsbankfilialleiter verleiten
lassen würden, Wechsel anzukaufen, die als Notendeckung ungeeignet wären.
Die Reichsbank hat es durchaus in ihrer Hand, diese Gefahr abzuwenden,
wenn sie das Vorwärtskommen der Beamten nicht von den erlangten Gewinnen
abhängig macht, wenn sie häusiger Revisionen vornimmt, die Vorsteher von
Neichsbanknebenstellen besser besoldet, ihre Stellung hebt und immer größere
Anforderungen an die Vorbildung der Beamten stellt. Dann wird der Reichs¬
bank zu jeder Zeit nur das beste Wechselmaterial zufließen.

Auch unabhängige Finanzfachleute haben teils die Vorschläge Heiligenstadts
als richtig unterstützt, teils ähnliche Vorschläge in der Presse gemacht, sind
aber deshalb ebenfalls angegriffen worden.

In zwei Aufsätzen der Deutschen Wirtschaftszeitung tritt der Finanzschrift¬
steller Bendix entschieden dafür ein, daß Mittel und Wege geschaffen werden,
um der Allgemeinheit schädliche Maßnahmen der Großbanken zu kontrollieren.
Er empfiehlt die Gründung eines Diskont- und Emissionsvereins der Banken,
in dem der Neichsbank eine beratende Stelle eingeräumt werden müsse. Auf¬
gabe des Vereins soll sein

1. die regelmäßige Festsetzung eines Minimaldiskontsatzes,

2. gemeinsame Übernahme von Emissionen fremder Wertpapiere,

3. Festsetzung von beschränkenden Bestimmungen für die gesamte Emissions¬
tätigkeit bei einer gewissen Höhe des offiziellen Bankdiskonts.

Wie gerechtfertigt der Vorschlag unter Nummer 1 ist, haben die im De¬
zember an der Berliner Börse zutage getretner Verhältnisse wiederum deutlich
gezeigt. Der Privatdiskont, dessen Höhe von der größten Bedeutung für
die Wechselkurse, die Goldbewegungen und den offiziellen Reichsbankzinssatz
und dadurch wieder für die Effekten- und Warenpreise, somit also für das
gesamte Wirtschaftsleben ist, wurde zeitweise von den Vertretern zweier Bank¬
firmen hauptsächlich mit Rücksicht auf privatwirtschaftliche Interessen festgesetzt,
ein Zustand, der dringend der Abhilfe bedarf. Der Reichsbank oder irgend¬
einer andern staatlichen Instanz muß bei der Festsetzung des Privatsatzes ein
gewisser Einfluß eingeräumt werden, damit das Zentralnoteninstitut die Gold¬
bewegungen unter wirksame Kontrolle bekommt.


Reform unsrer Ureditorganisation

zu stellen als das Interesse der Gesamtheit, wenn er die Einführung des Post-
scheckverkehrs verwirft; ferner würden auch wir die Erhöhung des Grund¬
kapitals der Reichsbank erst in letzter Reihe befürworten, und doch ist auch
hierin Heiligenstadt insofern beizupflichten, als hundert Millionen Grund¬
kapital der Neichsbank dem Geldmarkte zum großen Teil als flüssige Mittel
durch Umwandlung in Wechselform wieder zur Verfügung gestellt werden,
diese Summe also zweifellos besser angelegt ist, als wenn sich das deutsche
Publikum zum Beispiel hundert Millionen südafrikanische Minenaktien aufbürden
lassen muß. Gegen die Erhöhung des Grundkapitals wird häufig angeführt,
daß in stillen Zeiten nicht genügend Verwendung für das Kapital gefunden
werden könnte, daß sich infolgedessen übereifrige Reichsbankfilialleiter verleiten
lassen würden, Wechsel anzukaufen, die als Notendeckung ungeeignet wären.
Die Reichsbank hat es durchaus in ihrer Hand, diese Gefahr abzuwenden,
wenn sie das Vorwärtskommen der Beamten nicht von den erlangten Gewinnen
abhängig macht, wenn sie häusiger Revisionen vornimmt, die Vorsteher von
Neichsbanknebenstellen besser besoldet, ihre Stellung hebt und immer größere
Anforderungen an die Vorbildung der Beamten stellt. Dann wird der Reichs¬
bank zu jeder Zeit nur das beste Wechselmaterial zufließen.

Auch unabhängige Finanzfachleute haben teils die Vorschläge Heiligenstadts
als richtig unterstützt, teils ähnliche Vorschläge in der Presse gemacht, sind
aber deshalb ebenfalls angegriffen worden.

In zwei Aufsätzen der Deutschen Wirtschaftszeitung tritt der Finanzschrift¬
steller Bendix entschieden dafür ein, daß Mittel und Wege geschaffen werden,
um der Allgemeinheit schädliche Maßnahmen der Großbanken zu kontrollieren.
Er empfiehlt die Gründung eines Diskont- und Emissionsvereins der Banken,
in dem der Neichsbank eine beratende Stelle eingeräumt werden müsse. Auf¬
gabe des Vereins soll sein

1. die regelmäßige Festsetzung eines Minimaldiskontsatzes,

2. gemeinsame Übernahme von Emissionen fremder Wertpapiere,

3. Festsetzung von beschränkenden Bestimmungen für die gesamte Emissions¬
tätigkeit bei einer gewissen Höhe des offiziellen Bankdiskonts.

Wie gerechtfertigt der Vorschlag unter Nummer 1 ist, haben die im De¬
zember an der Berliner Börse zutage getretner Verhältnisse wiederum deutlich
gezeigt. Der Privatdiskont, dessen Höhe von der größten Bedeutung für
die Wechselkurse, die Goldbewegungen und den offiziellen Reichsbankzinssatz
und dadurch wieder für die Effekten- und Warenpreise, somit also für das
gesamte Wirtschaftsleben ist, wurde zeitweise von den Vertretern zweier Bank¬
firmen hauptsächlich mit Rücksicht auf privatwirtschaftliche Interessen festgesetzt,
ein Zustand, der dringend der Abhilfe bedarf. Der Reichsbank oder irgend¬
einer andern staatlichen Instanz muß bei der Festsetzung des Privatsatzes ein
gewisser Einfluß eingeräumt werden, damit das Zentralnoteninstitut die Gold¬
bewegungen unter wirksame Kontrolle bekommt.


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[0222] Reform unsrer Ureditorganisation zu stellen als das Interesse der Gesamtheit, wenn er die Einführung des Post- scheckverkehrs verwirft; ferner würden auch wir die Erhöhung des Grund¬ kapitals der Reichsbank erst in letzter Reihe befürworten, und doch ist auch hierin Heiligenstadt insofern beizupflichten, als hundert Millionen Grund¬ kapital der Neichsbank dem Geldmarkte zum großen Teil als flüssige Mittel durch Umwandlung in Wechselform wieder zur Verfügung gestellt werden, diese Summe also zweifellos besser angelegt ist, als wenn sich das deutsche Publikum zum Beispiel hundert Millionen südafrikanische Minenaktien aufbürden lassen muß. Gegen die Erhöhung des Grundkapitals wird häufig angeführt, daß in stillen Zeiten nicht genügend Verwendung für das Kapital gefunden werden könnte, daß sich infolgedessen übereifrige Reichsbankfilialleiter verleiten lassen würden, Wechsel anzukaufen, die als Notendeckung ungeeignet wären. Die Reichsbank hat es durchaus in ihrer Hand, diese Gefahr abzuwenden, wenn sie das Vorwärtskommen der Beamten nicht von den erlangten Gewinnen abhängig macht, wenn sie häusiger Revisionen vornimmt, die Vorsteher von Neichsbanknebenstellen besser besoldet, ihre Stellung hebt und immer größere Anforderungen an die Vorbildung der Beamten stellt. Dann wird der Reichs¬ bank zu jeder Zeit nur das beste Wechselmaterial zufließen. Auch unabhängige Finanzfachleute haben teils die Vorschläge Heiligenstadts als richtig unterstützt, teils ähnliche Vorschläge in der Presse gemacht, sind aber deshalb ebenfalls angegriffen worden. In zwei Aufsätzen der Deutschen Wirtschaftszeitung tritt der Finanzschrift¬ steller Bendix entschieden dafür ein, daß Mittel und Wege geschaffen werden, um der Allgemeinheit schädliche Maßnahmen der Großbanken zu kontrollieren. Er empfiehlt die Gründung eines Diskont- und Emissionsvereins der Banken, in dem der Neichsbank eine beratende Stelle eingeräumt werden müsse. Auf¬ gabe des Vereins soll sein 1. die regelmäßige Festsetzung eines Minimaldiskontsatzes, 2. gemeinsame Übernahme von Emissionen fremder Wertpapiere, 3. Festsetzung von beschränkenden Bestimmungen für die gesamte Emissions¬ tätigkeit bei einer gewissen Höhe des offiziellen Bankdiskonts. Wie gerechtfertigt der Vorschlag unter Nummer 1 ist, haben die im De¬ zember an der Berliner Börse zutage getretner Verhältnisse wiederum deutlich gezeigt. Der Privatdiskont, dessen Höhe von der größten Bedeutung für die Wechselkurse, die Goldbewegungen und den offiziellen Reichsbankzinssatz und dadurch wieder für die Effekten- und Warenpreise, somit also für das gesamte Wirtschaftsleben ist, wurde zeitweise von den Vertretern zweier Bank¬ firmen hauptsächlich mit Rücksicht auf privatwirtschaftliche Interessen festgesetzt, ein Zustand, der dringend der Abhilfe bedarf. Der Reichsbank oder irgend¬ einer andern staatlichen Instanz muß bei der Festsetzung des Privatsatzes ein gewisser Einfluß eingeräumt werden, damit das Zentralnoteninstitut die Gold¬ bewegungen unter wirksame Kontrolle bekommt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/222>, abgerufen am 24.07.2024.