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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Reform unsrer Ureditorganisation

Die Reichsbank ist gezwungen, auf einen möglichst hohen Goldvorrat zu
halten, nicht nur, weil das Bankgesetz fordert, daß ein Drittel der umlaufenden
Noten bar gedeckt sind, sondern weil sich das Ausland nun einmal daran ge¬
wöhnt hat, den Stand des Goldvorrats in der Zentralnotenbank als Grad¬
messer für die Qualität der Landeswährung zu betrachten. Ob diese Messung
mit oder ohne Überzeugung von ihrem Werte geschieht, bleibe dahingestellt,
jedenfalls kommt in der ausländischen Finanzpresse zum Ausdruck, daß sich
das Ausland durch die zum Beispiel in der Österreichisch-Ungarischen Bank,
in der russischen Staatsbank und der Bank von Frankreich aufgestapelten Gold¬
vorräte blenden läßt, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, daß in Deutschland
der Verkehr mit Gold durchsetzt ist. Dafür diene zum Beweise, daß an starken
Wechseleinzugsterminen der Prozentsatz des Goldes von den Gesamtbareingängen
in Deutschland mehrere Prozent beträgt, während sich in Österreich dieser Prozent¬
satz auf 0.4 stellt.

Seit Jahren sucht nun die deutsche Fachpresse immer wieder hervorzuheben,
daß die Banken die Reichsbank in ihrem Bestreben, den Goldvorrat zu stärken,
unterstützen, indem sie aus "nationalen" Rücksichten kein Gold des Gewinnes
wegen exportieren. Wir wollen wohl glauben, daß die Großbanken keine Gold¬
arbitrage treiben, das heißt, daß sie nicht danach suchen, nach welchem Lande
mit Gewinn exportiert werden kann (mittlere und auch große Privatbankfirmen
Pflegen die Arbitrage sehr), denn dadurch würde zu große Unruhe in die Gold-
bewegung kommen, sodaß der Schaden auch für die Banken selbst größer sein
würde als der Vorteil. Aber auch ohne Arbitrage führen die Banken im
Gegensatz zu den Interessen der Reichsbank Gold in großen Summen aus.
Es gibt in Deutschland natürliche Sammelstellen für Gold, dessen der Verkehr
vorübergehend nicht bedarf. Diese Stellen geben im Laufe des Jahres an
die exportierenden Firmen mehr Gold ab, als der Reichsbank zum Export ent¬
nommen wird. Die Freizügigkeit des Goldes soll zwar nicht unterbunden
werden, aber es wäre doch wünschenswert, daß diese Sammelstellen auf irgend¬
eine Weise veranlaßt würden, alles überschüssige Gold an die Reichsbank ab¬
zuführen, damit das Zentralnoteninstitut in die Lage versetzt würde, eine wirk¬
same Kontrolle über die Goldbewegungen auszuüben. Die UnVollkommenheit
der Kontrolle und der geringe Einfluß, den die Reichsbank auf den Privatsatz
auszuüben vermag -- nur durch Verkauf von Neichsschatzanweisungen am
offnen Markt kann sie in geringem Umfange auf eine Erhöhung hinwirken --,
erschweren die Durchführung einer Diskontopolitik, die nur auf das Allgemein¬
wohl Rücksicht nimmt.

Die Theorie der Wechselkurse lehrt, daß Gold ausgeführt werden muß,
wenn die Devisenkurse, das heißt der Preis für Wechsel auf das Ausland,
eine gewisse Höhe überschritten haben, nämlich wenn es billiger ist, Gold an¬
statt Wechsel nach dem Auslande zu schicken, um eine Schuld zu bezahlen.
Aber die Bankwelt hat auch eine Entschuldigung zur Hand, wenn sie bei


Reform unsrer Ureditorganisation

Die Reichsbank ist gezwungen, auf einen möglichst hohen Goldvorrat zu
halten, nicht nur, weil das Bankgesetz fordert, daß ein Drittel der umlaufenden
Noten bar gedeckt sind, sondern weil sich das Ausland nun einmal daran ge¬
wöhnt hat, den Stand des Goldvorrats in der Zentralnotenbank als Grad¬
messer für die Qualität der Landeswährung zu betrachten. Ob diese Messung
mit oder ohne Überzeugung von ihrem Werte geschieht, bleibe dahingestellt,
jedenfalls kommt in der ausländischen Finanzpresse zum Ausdruck, daß sich
das Ausland durch die zum Beispiel in der Österreichisch-Ungarischen Bank,
in der russischen Staatsbank und der Bank von Frankreich aufgestapelten Gold¬
vorräte blenden läßt, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, daß in Deutschland
der Verkehr mit Gold durchsetzt ist. Dafür diene zum Beweise, daß an starken
Wechseleinzugsterminen der Prozentsatz des Goldes von den Gesamtbareingängen
in Deutschland mehrere Prozent beträgt, während sich in Österreich dieser Prozent¬
satz auf 0.4 stellt.

Seit Jahren sucht nun die deutsche Fachpresse immer wieder hervorzuheben,
daß die Banken die Reichsbank in ihrem Bestreben, den Goldvorrat zu stärken,
unterstützen, indem sie aus „nationalen" Rücksichten kein Gold des Gewinnes
wegen exportieren. Wir wollen wohl glauben, daß die Großbanken keine Gold¬
arbitrage treiben, das heißt, daß sie nicht danach suchen, nach welchem Lande
mit Gewinn exportiert werden kann (mittlere und auch große Privatbankfirmen
Pflegen die Arbitrage sehr), denn dadurch würde zu große Unruhe in die Gold-
bewegung kommen, sodaß der Schaden auch für die Banken selbst größer sein
würde als der Vorteil. Aber auch ohne Arbitrage führen die Banken im
Gegensatz zu den Interessen der Reichsbank Gold in großen Summen aus.
Es gibt in Deutschland natürliche Sammelstellen für Gold, dessen der Verkehr
vorübergehend nicht bedarf. Diese Stellen geben im Laufe des Jahres an
die exportierenden Firmen mehr Gold ab, als der Reichsbank zum Export ent¬
nommen wird. Die Freizügigkeit des Goldes soll zwar nicht unterbunden
werden, aber es wäre doch wünschenswert, daß diese Sammelstellen auf irgend¬
eine Weise veranlaßt würden, alles überschüssige Gold an die Reichsbank ab¬
zuführen, damit das Zentralnoteninstitut in die Lage versetzt würde, eine wirk¬
same Kontrolle über die Goldbewegungen auszuüben. Die UnVollkommenheit
der Kontrolle und der geringe Einfluß, den die Reichsbank auf den Privatsatz
auszuüben vermag — nur durch Verkauf von Neichsschatzanweisungen am
offnen Markt kann sie in geringem Umfange auf eine Erhöhung hinwirken —,
erschweren die Durchführung einer Diskontopolitik, die nur auf das Allgemein¬
wohl Rücksicht nimmt.

Die Theorie der Wechselkurse lehrt, daß Gold ausgeführt werden muß,
wenn die Devisenkurse, das heißt der Preis für Wechsel auf das Ausland,
eine gewisse Höhe überschritten haben, nämlich wenn es billiger ist, Gold an¬
statt Wechsel nach dem Auslande zu schicken, um eine Schuld zu bezahlen.
Aber die Bankwelt hat auch eine Entschuldigung zur Hand, wenn sie bei


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[0223] Reform unsrer Ureditorganisation Die Reichsbank ist gezwungen, auf einen möglichst hohen Goldvorrat zu halten, nicht nur, weil das Bankgesetz fordert, daß ein Drittel der umlaufenden Noten bar gedeckt sind, sondern weil sich das Ausland nun einmal daran ge¬ wöhnt hat, den Stand des Goldvorrats in der Zentralnotenbank als Grad¬ messer für die Qualität der Landeswährung zu betrachten. Ob diese Messung mit oder ohne Überzeugung von ihrem Werte geschieht, bleibe dahingestellt, jedenfalls kommt in der ausländischen Finanzpresse zum Ausdruck, daß sich das Ausland durch die zum Beispiel in der Österreichisch-Ungarischen Bank, in der russischen Staatsbank und der Bank von Frankreich aufgestapelten Gold¬ vorräte blenden läßt, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, daß in Deutschland der Verkehr mit Gold durchsetzt ist. Dafür diene zum Beweise, daß an starken Wechseleinzugsterminen der Prozentsatz des Goldes von den Gesamtbareingängen in Deutschland mehrere Prozent beträgt, während sich in Österreich dieser Prozent¬ satz auf 0.4 stellt. Seit Jahren sucht nun die deutsche Fachpresse immer wieder hervorzuheben, daß die Banken die Reichsbank in ihrem Bestreben, den Goldvorrat zu stärken, unterstützen, indem sie aus „nationalen" Rücksichten kein Gold des Gewinnes wegen exportieren. Wir wollen wohl glauben, daß die Großbanken keine Gold¬ arbitrage treiben, das heißt, daß sie nicht danach suchen, nach welchem Lande mit Gewinn exportiert werden kann (mittlere und auch große Privatbankfirmen Pflegen die Arbitrage sehr), denn dadurch würde zu große Unruhe in die Gold- bewegung kommen, sodaß der Schaden auch für die Banken selbst größer sein würde als der Vorteil. Aber auch ohne Arbitrage führen die Banken im Gegensatz zu den Interessen der Reichsbank Gold in großen Summen aus. Es gibt in Deutschland natürliche Sammelstellen für Gold, dessen der Verkehr vorübergehend nicht bedarf. Diese Stellen geben im Laufe des Jahres an die exportierenden Firmen mehr Gold ab, als der Reichsbank zum Export ent¬ nommen wird. Die Freizügigkeit des Goldes soll zwar nicht unterbunden werden, aber es wäre doch wünschenswert, daß diese Sammelstellen auf irgend¬ eine Weise veranlaßt würden, alles überschüssige Gold an die Reichsbank ab¬ zuführen, damit das Zentralnoteninstitut in die Lage versetzt würde, eine wirk¬ same Kontrolle über die Goldbewegungen auszuüben. Die UnVollkommenheit der Kontrolle und der geringe Einfluß, den die Reichsbank auf den Privatsatz auszuüben vermag — nur durch Verkauf von Neichsschatzanweisungen am offnen Markt kann sie in geringem Umfange auf eine Erhöhung hinwirken —, erschweren die Durchführung einer Diskontopolitik, die nur auf das Allgemein¬ wohl Rücksicht nimmt. Die Theorie der Wechselkurse lehrt, daß Gold ausgeführt werden muß, wenn die Devisenkurse, das heißt der Preis für Wechsel auf das Ausland, eine gewisse Höhe überschritten haben, nämlich wenn es billiger ist, Gold an¬ statt Wechsel nach dem Auslande zu schicken, um eine Schuld zu bezahlen. Aber die Bankwelt hat auch eine Entschuldigung zur Hand, wenn sie bei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/223>, abgerufen am 24.07.2024.