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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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und mehrers theils in der Nacht gehalten werden", dann aber auch "weil die
arglistige und falsche Geister die Richter und die Zauberehverwandten selbsten
perplex und irrig machen". Mehrere Zeugen müßten bei diesem heimblichen
Laster zur Captur und zur Folter genügen. Nach täglicher Erfahrung habe
auch vieler Complicen Aussage kaum oder nimmer fehlgeschlagen, sonst könnte
ja auch die Sache schwerlich einen Fortgang haben, denn woher könne der
Richter, wenn er infame Zeugen verwerfen wollte, Zeugnis eines aufrichtigen
Menschen bekommen. Ein Frommer könnte ja von den Schandtaten nicht
zeugen, wenn er sich nicht zuvor "mit Ergebung Leibs und der Seelen in die
verdambliche Gesellschaft eingelassen hat". Wenngleich aber Kaiser Karl der
Fünfte nicht ausdrücklich gesagt habe, daß das Bekenntnis von zwei Zeugen
nötig sei, so "thut doch solches nichts zur Sach", weil er es auch nicht "ver-
botten" habe.

In einem weitern Titul wird eingeschärft, daß der Richter, ehe er "die
Tortur vor die hardt nimmt", wohl erfahre, ob nun alle möglichen Mittel an
dem Beschuldigten versucht seien, und wenn er das Laster gütiglich bekannt hat,
soll er "nit allein des Lasters halben gefoltert werden". Der Verfasser ist dafür,
daß bei der Anwendung der Tortur gewissermaßen noch möglichst human ver¬
fahren werde; dahin rechnet er hauptsächlich, "daß dem Rso, nachdem er sich
mit Speiß und Tranck gelabet hat, noch ein ziemliche freye zeit, als 5 oder
6 stund, vergönnet werden, damit er die eingenommene Speiß nicht unverdüwet,
mit Schmerzen wider von sich gebe"; sodann soll "wohl in acht genommen
werden, daß nicht etwa durch scharpffe instruments, oder grobe Leut in der
Folter dem Rso die Bein und glieder dermassen zerrissen werden, daß er nach¬
her, wo er unschuldig erklärt würd, weder ihne selbsten, noch andern im Leben
etwas mehr nutz. Ursach: Es muß der Rhus vor und nach der Tortur nach
Leibsvermögen gesund bleiben und sowohl zur entlassung als wider zur Folter,
wo es von Nöthen wer, bequem und starck seyn." Es würde daher ein Richter,
"sehr unfreundlich, ruhmsüchtig, auch übel handeln, wenn er einen Menschen
nicht mehr als ein Besel oder Viehe achten oder mit herber Bitterkeit alles
herauß pressen wolt". Es ist zwar, heißt es weiter, "nicht ohn", daß in diesem
Hexerei-Laster die Richter mehr Ursach haben, mit scharpffen Fragen zu procediren,
"denn es ist so weitläufftig, daß es fast alle andern in sich begreifst, die aller
höchste Mayestät Gottes dadurch fast verunehrt, die gantze Christliche Gemeine
verletzt, Menschen und Viehe, Fett- und Baumfrüchten verunreiniget, Leib und
Seel deß verheißenen Paradeyß beraubt und den verdampten Gottlosen Geistern
in der Höllen zugesellt werde", jedoch solle ein Gottsfürchtiger Richter eingedenck
seyn, "wie er es demander vor Gott vertrawet zu vertheidigen". Weiter solle
man, damit Unbilligkeit verhindert werde, nicht allezeit auf unerhörte neue
Weise und Manier zu foltern bedacht sein, sondern es werde fürs beste gehalten,
daß man sich an den "gewöhnlichen Landsbrauch" halte oder wie er "von der
Catholischen Geistlichkeit zur Zeit wirdt für gut erkannt". Und zur Zeit sei "im


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und mehrers theils in der Nacht gehalten werden", dann aber auch „weil die
arglistige und falsche Geister die Richter und die Zauberehverwandten selbsten
perplex und irrig machen". Mehrere Zeugen müßten bei diesem heimblichen
Laster zur Captur und zur Folter genügen. Nach täglicher Erfahrung habe
auch vieler Complicen Aussage kaum oder nimmer fehlgeschlagen, sonst könnte
ja auch die Sache schwerlich einen Fortgang haben, denn woher könne der
Richter, wenn er infame Zeugen verwerfen wollte, Zeugnis eines aufrichtigen
Menschen bekommen. Ein Frommer könnte ja von den Schandtaten nicht
zeugen, wenn er sich nicht zuvor „mit Ergebung Leibs und der Seelen in die
verdambliche Gesellschaft eingelassen hat". Wenngleich aber Kaiser Karl der
Fünfte nicht ausdrücklich gesagt habe, daß das Bekenntnis von zwei Zeugen
nötig sei, so „thut doch solches nichts zur Sach", weil er es auch nicht „ver-
botten" habe.

In einem weitern Titul wird eingeschärft, daß der Richter, ehe er „die
Tortur vor die hardt nimmt", wohl erfahre, ob nun alle möglichen Mittel an
dem Beschuldigten versucht seien, und wenn er das Laster gütiglich bekannt hat,
soll er „nit allein des Lasters halben gefoltert werden". Der Verfasser ist dafür,
daß bei der Anwendung der Tortur gewissermaßen noch möglichst human ver¬
fahren werde; dahin rechnet er hauptsächlich, „daß dem Rso, nachdem er sich
mit Speiß und Tranck gelabet hat, noch ein ziemliche freye zeit, als 5 oder
6 stund, vergönnet werden, damit er die eingenommene Speiß nicht unverdüwet,
mit Schmerzen wider von sich gebe"; sodann soll „wohl in acht genommen
werden, daß nicht etwa durch scharpffe instruments, oder grobe Leut in der
Folter dem Rso die Bein und glieder dermassen zerrissen werden, daß er nach¬
her, wo er unschuldig erklärt würd, weder ihne selbsten, noch andern im Leben
etwas mehr nutz. Ursach: Es muß der Rhus vor und nach der Tortur nach
Leibsvermögen gesund bleiben und sowohl zur entlassung als wider zur Folter,
wo es von Nöthen wer, bequem und starck seyn." Es würde daher ein Richter,
„sehr unfreundlich, ruhmsüchtig, auch übel handeln, wenn er einen Menschen
nicht mehr als ein Besel oder Viehe achten oder mit herber Bitterkeit alles
herauß pressen wolt". Es ist zwar, heißt es weiter, „nicht ohn", daß in diesem
Hexerei-Laster die Richter mehr Ursach haben, mit scharpffen Fragen zu procediren,
„denn es ist so weitläufftig, daß es fast alle andern in sich begreifst, die aller
höchste Mayestät Gottes dadurch fast verunehrt, die gantze Christliche Gemeine
verletzt, Menschen und Viehe, Fett- und Baumfrüchten verunreiniget, Leib und
Seel deß verheißenen Paradeyß beraubt und den verdampten Gottlosen Geistern
in der Höllen zugesellt werde", jedoch solle ein Gottsfürchtiger Richter eingedenck
seyn, „wie er es demander vor Gott vertrawet zu vertheidigen". Weiter solle
man, damit Unbilligkeit verhindert werde, nicht allezeit auf unerhörte neue
Weise und Manier zu foltern bedacht sein, sondern es werde fürs beste gehalten,
daß man sich an den „gewöhnlichen Landsbrauch" halte oder wie er „von der
Catholischen Geistlichkeit zur Zeit wirdt für gut erkannt". Und zur Zeit sei „im


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/136>, abgerufen am 24.07.2024.