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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Amerikawanderungen eines Deutschen

Buenos Aires, Peru, Chile ein der ablehnenden Haltung des Senats gescheitert.
Daß sich die Vereinigten Staaten aber in absehbarer Zeit eine Achtung gebietende
Handelsflotte schaffen werden, ist wohl mit Sicherheit anzunehmen. Darauf
deutet auch die von Wilda wiedergegebne Rede hin, die Schatzsekretär Shaw
über einen Welthandelskrieg zu Harvardstudenten hielt, und in der er sagte:
"Das jetzige Jahrhundert wird Zeuge sein eines erbitterten und riesenhaften
internationalen Handelskrieges zwischen England, Frankreich, Deutschland und
den Vereinigten Staaten um die Märkte der Welt. Gebe Gott, daß der Krieg
unblutig bleibe. Aber er wird genau so heftig und unerbittlich geführt werden
wie nur irgendein Krieg in frühern Zeiten. Wir Amerikaner haben nur
Märkte für fünf Prozent nötig. Es wird aber nicht lange dauern, und wir
brauchen mehr Märkte. Wenn ihr glaubt, ihr würdet so alt werden wie ich,
und unser Überschuß würde immer noch so gering sein wie heute, so irrt ihr
euch. Seht, wie verhältnismäßig gering unser Anteil an den großen Märkten
der Welt ist. Wir müssen diesen internationalen Handel in unsre Hände be¬
kommen. Selbst in Südamerika hört man von der Union als Handelsstaat
kaum reden. Wir brauchen aber nicht nur für unsern Handel eine große
Äauffahrteiflotte. Ohne eine solche, ohne Schiffe, die sich als Transport¬
dampfer und Kohlendampfer gebrauchen lassen, würde unsre Flotte im Falle
eines großen Krieges ernstlich behindert sein." Jedenfalls werden also die
deutschen Reeber aufpassen müssen, damit die jetzt entstehende amerikanische
Kauffahrteiflotte ihnen nicht gefährlich wird.

Daran, daß einige südamerikanische Republiken selbst sich an der inter¬
nationalen Seeschiffahrt in einer für Europa unerwünschten Weise beteiligen
könnten, ist aber vorläufig nicht zu denken. Das beweist die traurige Ge¬
schichte des brasilianischen Lloyds, der trotz dem Privileg der ausschließlichen
Küstenschiffahrt und trotz großen Subventionen ein kümmerliches Dasein fristet.
Wie sich die in Buenos Aires gegründete argentinische transatlantische Dampfer¬
kompagnie entwickeln wird, bleibt abzuwarten.

Die Japaner dagegen nehmen einen immer reger werdenden und mit ihren
Auswanderungsbestrebungen kombinierten Anteil an der Seeschiffahrt mit Nord-
uud Südamerika. Solange sie aber keine Schiffsverbindung zwischen Europa
und Amerika herstellen, ist ihre Konkurrenz nicht allzu gefährlich. In der Zu¬
kunft werde": sie allerdings aller Voraussicht nach einen bedeutenden Teil der
internationalen Seeschiffahrt beherrschen, und das jetzt noch vorhandne europäische
Monopol wird schwer darunter leiden.

Inwieweit die Handelsbeziehungen Südamerikas zu der Union und zu
Japan durch die Entwicklung der Kauffahrteiflotte dieser LLnder günstig beein¬
flußt werden, läßt sich jetzt noch nicht übersehen.

Wie schon vorhin erwähnt worden ist, werden durch die spätere Eröffnung
des Panamakanals einige Handelswege zugunsten der Vereinigten Staaten und
Japans verschoben werden. Wilda meint, man pflege bei uns den Panama-


Amerikawanderungen eines Deutschen

Buenos Aires, Peru, Chile ein der ablehnenden Haltung des Senats gescheitert.
Daß sich die Vereinigten Staaten aber in absehbarer Zeit eine Achtung gebietende
Handelsflotte schaffen werden, ist wohl mit Sicherheit anzunehmen. Darauf
deutet auch die von Wilda wiedergegebne Rede hin, die Schatzsekretär Shaw
über einen Welthandelskrieg zu Harvardstudenten hielt, und in der er sagte:
„Das jetzige Jahrhundert wird Zeuge sein eines erbitterten und riesenhaften
internationalen Handelskrieges zwischen England, Frankreich, Deutschland und
den Vereinigten Staaten um die Märkte der Welt. Gebe Gott, daß der Krieg
unblutig bleibe. Aber er wird genau so heftig und unerbittlich geführt werden
wie nur irgendein Krieg in frühern Zeiten. Wir Amerikaner haben nur
Märkte für fünf Prozent nötig. Es wird aber nicht lange dauern, und wir
brauchen mehr Märkte. Wenn ihr glaubt, ihr würdet so alt werden wie ich,
und unser Überschuß würde immer noch so gering sein wie heute, so irrt ihr
euch. Seht, wie verhältnismäßig gering unser Anteil an den großen Märkten
der Welt ist. Wir müssen diesen internationalen Handel in unsre Hände be¬
kommen. Selbst in Südamerika hört man von der Union als Handelsstaat
kaum reden. Wir brauchen aber nicht nur für unsern Handel eine große
Äauffahrteiflotte. Ohne eine solche, ohne Schiffe, die sich als Transport¬
dampfer und Kohlendampfer gebrauchen lassen, würde unsre Flotte im Falle
eines großen Krieges ernstlich behindert sein." Jedenfalls werden also die
deutschen Reeber aufpassen müssen, damit die jetzt entstehende amerikanische
Kauffahrteiflotte ihnen nicht gefährlich wird.

Daran, daß einige südamerikanische Republiken selbst sich an der inter¬
nationalen Seeschiffahrt in einer für Europa unerwünschten Weise beteiligen
könnten, ist aber vorläufig nicht zu denken. Das beweist die traurige Ge¬
schichte des brasilianischen Lloyds, der trotz dem Privileg der ausschließlichen
Küstenschiffahrt und trotz großen Subventionen ein kümmerliches Dasein fristet.
Wie sich die in Buenos Aires gegründete argentinische transatlantische Dampfer¬
kompagnie entwickeln wird, bleibt abzuwarten.

Die Japaner dagegen nehmen einen immer reger werdenden und mit ihren
Auswanderungsbestrebungen kombinierten Anteil an der Seeschiffahrt mit Nord-
uud Südamerika. Solange sie aber keine Schiffsverbindung zwischen Europa
und Amerika herstellen, ist ihre Konkurrenz nicht allzu gefährlich. In der Zu¬
kunft werde»: sie allerdings aller Voraussicht nach einen bedeutenden Teil der
internationalen Seeschiffahrt beherrschen, und das jetzt noch vorhandne europäische
Monopol wird schwer darunter leiden.

Inwieweit die Handelsbeziehungen Südamerikas zu der Union und zu
Japan durch die Entwicklung der Kauffahrteiflotte dieser LLnder günstig beein¬
flußt werden, läßt sich jetzt noch nicht übersehen.

Wie schon vorhin erwähnt worden ist, werden durch die spätere Eröffnung
des Panamakanals einige Handelswege zugunsten der Vereinigten Staaten und
Japans verschoben werden. Wilda meint, man pflege bei uns den Panama-


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[0079] Amerikawanderungen eines Deutschen Buenos Aires, Peru, Chile ein der ablehnenden Haltung des Senats gescheitert. Daß sich die Vereinigten Staaten aber in absehbarer Zeit eine Achtung gebietende Handelsflotte schaffen werden, ist wohl mit Sicherheit anzunehmen. Darauf deutet auch die von Wilda wiedergegebne Rede hin, die Schatzsekretär Shaw über einen Welthandelskrieg zu Harvardstudenten hielt, und in der er sagte: „Das jetzige Jahrhundert wird Zeuge sein eines erbitterten und riesenhaften internationalen Handelskrieges zwischen England, Frankreich, Deutschland und den Vereinigten Staaten um die Märkte der Welt. Gebe Gott, daß der Krieg unblutig bleibe. Aber er wird genau so heftig und unerbittlich geführt werden wie nur irgendein Krieg in frühern Zeiten. Wir Amerikaner haben nur Märkte für fünf Prozent nötig. Es wird aber nicht lange dauern, und wir brauchen mehr Märkte. Wenn ihr glaubt, ihr würdet so alt werden wie ich, und unser Überschuß würde immer noch so gering sein wie heute, so irrt ihr euch. Seht, wie verhältnismäßig gering unser Anteil an den großen Märkten der Welt ist. Wir müssen diesen internationalen Handel in unsre Hände be¬ kommen. Selbst in Südamerika hört man von der Union als Handelsstaat kaum reden. Wir brauchen aber nicht nur für unsern Handel eine große Äauffahrteiflotte. Ohne eine solche, ohne Schiffe, die sich als Transport¬ dampfer und Kohlendampfer gebrauchen lassen, würde unsre Flotte im Falle eines großen Krieges ernstlich behindert sein." Jedenfalls werden also die deutschen Reeber aufpassen müssen, damit die jetzt entstehende amerikanische Kauffahrteiflotte ihnen nicht gefährlich wird. Daran, daß einige südamerikanische Republiken selbst sich an der inter¬ nationalen Seeschiffahrt in einer für Europa unerwünschten Weise beteiligen könnten, ist aber vorläufig nicht zu denken. Das beweist die traurige Ge¬ schichte des brasilianischen Lloyds, der trotz dem Privileg der ausschließlichen Küstenschiffahrt und trotz großen Subventionen ein kümmerliches Dasein fristet. Wie sich die in Buenos Aires gegründete argentinische transatlantische Dampfer¬ kompagnie entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Die Japaner dagegen nehmen einen immer reger werdenden und mit ihren Auswanderungsbestrebungen kombinierten Anteil an der Seeschiffahrt mit Nord- uud Südamerika. Solange sie aber keine Schiffsverbindung zwischen Europa und Amerika herstellen, ist ihre Konkurrenz nicht allzu gefährlich. In der Zu¬ kunft werde»: sie allerdings aller Voraussicht nach einen bedeutenden Teil der internationalen Seeschiffahrt beherrschen, und das jetzt noch vorhandne europäische Monopol wird schwer darunter leiden. Inwieweit die Handelsbeziehungen Südamerikas zu der Union und zu Japan durch die Entwicklung der Kauffahrteiflotte dieser LLnder günstig beein¬ flußt werden, läßt sich jetzt noch nicht übersehen. Wie schon vorhin erwähnt worden ist, werden durch die spätere Eröffnung des Panamakanals einige Handelswege zugunsten der Vereinigten Staaten und Japans verschoben werden. Wilda meint, man pflege bei uns den Panama-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/79>, abgerufen am 22.07.2024.