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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Gstafrikanische Lisenbahnpolitik

Es liegt System in dem Vorgehn der Zentralbahnintercssenten. Indem
man die Zentralbahn nordwärts nach Tabora und später natürlich nach Muansa
baut, soll der Nordbahn der Wind aus den Segeln genommen werden. Denn
es ist klar, daß die Volksvertretung für die Nordbahn in absehbarer Zeit nicht
zu haben ist, wenn so der Viktoriasee an die Zentralbahn angeschlossen ist. Etwas
ähnliches wird, wie schon in dem erwähnten Aufsatz des letzten Jahrgangs
angedeutet ist, im Süden beabsichtigt. Die Ostafrikanische Eisenbahngesellschaft,
die Unternehmerin der Zentralbahn, will eine Zweiglinie ihrer Bahn über
Asche südwärts nach dem Nyassa führen. Dadurch erginge es dem Südbahn¬
projekt wie dem Nordbahnprojekt.

Für die Zentralbahn wäre dies natürlich sehr vorteilhaft, denn durch
diese Gabelung würde auf Jahrzehnte hinaus der gesamte innerafrikanische
Verkehr auf diese Bahn geleitet, der Süden wie der Norden der Kolonie
würden damit auf lange Zeit aus dem Großverkehr ausgeschaltet und kalt¬
gestellt, und das Monopol der Ostafrikanischen Eisenbahngesellschaft wäre voll¬
kommen. An sich wäre ja gar nichts gegen ein Eisenbahnmonopol, das unter
vernünftigen Kautelen zustande kommt, einzuwenden. Im Interesse einer
rationellen Tarifpolitik wäre es sogar sehr gut, wenn das ganze Eisenbahnnetz
der Kolonie in einer Hand vereinigt wäre. Aber nur wenn die Linienführung
der Eisenbahn so gestaltet wird, daß das ganze Land dadurch gewinnt. Die
Politik der Gesellschaft muß sich aber nach den Bedürfnissen des Landes richten
und nicht lediglich nach dem eignen Vorteil.

Mit der beabsichtigten Gabelung der Zentralbahn würde diese Bahn wohl
einen Verkehr erreichen, den sie aus sich selbst nicht schaffen kann, aber die Gunst
der Lage unsrer Kolonien im großafrikanischen Verkehr wäre damit nicht entfernt
ausgenutzt, denn die kombinierte Zentralbahn würde der viel kürzern Uganda¬
bahn im Viktoriaseegebiet ebensowenig gewachsen sein wie im Nyassagebiet
der erwähnten portugiesischen Konkurrenzbahn. Was dies für uns bedeutet,
davon gibt die Tatsache ein Bild, daß die Ugandabahn 55 vom Hundert ihrer
heutigen Einnahmen aus deutschem Gebiet zieht. Namentlich aber würde der
ganze Verkehr aus den wertvollen Zukunftsgebieten Ruanda und Urundi, die
später durch eine Stichbahn von Bukoba aus erschlossen werden sollen, sofort
der Ugandabahn zufallen, wenn der Viktoriasee an Stelle der kurzen Nordbahn
an die lange Zentralbahn angeschlossen wäre. Ebenso wären die zum Teil sehr
wertvollen Zwischengebiete im Norden und Süden, namentlich das Baumwoll¬
gebiet im Süden, an die Wand gedrückt. Und vernünftigerweise nimmt man
doch beim Eisenbahnbau zuerst auf die küstennahen Gebiete Rücksicht, wenn sie
entwicklungsfähig sind, und dies ist im Süden und Norden jedenfalls eher der
Fall als bei dem Gebiet der Zentralbahn hinter Kilossa oder Mpapua. Alle
diese Nachteile der Zentralbahnpolitik lassen sich nicht durch Staffeltarife aus¬
gleichen, wie vielfach geltend gemacht wird, denn, abgesehen von den riesigen
Längenunterschieden der konkurrierenden Bahnen, werden sich natürlich auch


Gstafrikanische Lisenbahnpolitik

Es liegt System in dem Vorgehn der Zentralbahnintercssenten. Indem
man die Zentralbahn nordwärts nach Tabora und später natürlich nach Muansa
baut, soll der Nordbahn der Wind aus den Segeln genommen werden. Denn
es ist klar, daß die Volksvertretung für die Nordbahn in absehbarer Zeit nicht
zu haben ist, wenn so der Viktoriasee an die Zentralbahn angeschlossen ist. Etwas
ähnliches wird, wie schon in dem erwähnten Aufsatz des letzten Jahrgangs
angedeutet ist, im Süden beabsichtigt. Die Ostafrikanische Eisenbahngesellschaft,
die Unternehmerin der Zentralbahn, will eine Zweiglinie ihrer Bahn über
Asche südwärts nach dem Nyassa führen. Dadurch erginge es dem Südbahn¬
projekt wie dem Nordbahnprojekt.

Für die Zentralbahn wäre dies natürlich sehr vorteilhaft, denn durch
diese Gabelung würde auf Jahrzehnte hinaus der gesamte innerafrikanische
Verkehr auf diese Bahn geleitet, der Süden wie der Norden der Kolonie
würden damit auf lange Zeit aus dem Großverkehr ausgeschaltet und kalt¬
gestellt, und das Monopol der Ostafrikanischen Eisenbahngesellschaft wäre voll¬
kommen. An sich wäre ja gar nichts gegen ein Eisenbahnmonopol, das unter
vernünftigen Kautelen zustande kommt, einzuwenden. Im Interesse einer
rationellen Tarifpolitik wäre es sogar sehr gut, wenn das ganze Eisenbahnnetz
der Kolonie in einer Hand vereinigt wäre. Aber nur wenn die Linienführung
der Eisenbahn so gestaltet wird, daß das ganze Land dadurch gewinnt. Die
Politik der Gesellschaft muß sich aber nach den Bedürfnissen des Landes richten
und nicht lediglich nach dem eignen Vorteil.

Mit der beabsichtigten Gabelung der Zentralbahn würde diese Bahn wohl
einen Verkehr erreichen, den sie aus sich selbst nicht schaffen kann, aber die Gunst
der Lage unsrer Kolonien im großafrikanischen Verkehr wäre damit nicht entfernt
ausgenutzt, denn die kombinierte Zentralbahn würde der viel kürzern Uganda¬
bahn im Viktoriaseegebiet ebensowenig gewachsen sein wie im Nyassagebiet
der erwähnten portugiesischen Konkurrenzbahn. Was dies für uns bedeutet,
davon gibt die Tatsache ein Bild, daß die Ugandabahn 55 vom Hundert ihrer
heutigen Einnahmen aus deutschem Gebiet zieht. Namentlich aber würde der
ganze Verkehr aus den wertvollen Zukunftsgebieten Ruanda und Urundi, die
später durch eine Stichbahn von Bukoba aus erschlossen werden sollen, sofort
der Ugandabahn zufallen, wenn der Viktoriasee an Stelle der kurzen Nordbahn
an die lange Zentralbahn angeschlossen wäre. Ebenso wären die zum Teil sehr
wertvollen Zwischengebiete im Norden und Süden, namentlich das Baumwoll¬
gebiet im Süden, an die Wand gedrückt. Und vernünftigerweise nimmt man
doch beim Eisenbahnbau zuerst auf die küstennahen Gebiete Rücksicht, wenn sie
entwicklungsfähig sind, und dies ist im Süden und Norden jedenfalls eher der
Fall als bei dem Gebiet der Zentralbahn hinter Kilossa oder Mpapua. Alle
diese Nachteile der Zentralbahnpolitik lassen sich nicht durch Staffeltarife aus¬
gleichen, wie vielfach geltend gemacht wird, denn, abgesehen von den riesigen
Längenunterschieden der konkurrierenden Bahnen, werden sich natürlich auch


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[0608] Gstafrikanische Lisenbahnpolitik Es liegt System in dem Vorgehn der Zentralbahnintercssenten. Indem man die Zentralbahn nordwärts nach Tabora und später natürlich nach Muansa baut, soll der Nordbahn der Wind aus den Segeln genommen werden. Denn es ist klar, daß die Volksvertretung für die Nordbahn in absehbarer Zeit nicht zu haben ist, wenn so der Viktoriasee an die Zentralbahn angeschlossen ist. Etwas ähnliches wird, wie schon in dem erwähnten Aufsatz des letzten Jahrgangs angedeutet ist, im Süden beabsichtigt. Die Ostafrikanische Eisenbahngesellschaft, die Unternehmerin der Zentralbahn, will eine Zweiglinie ihrer Bahn über Asche südwärts nach dem Nyassa führen. Dadurch erginge es dem Südbahn¬ projekt wie dem Nordbahnprojekt. Für die Zentralbahn wäre dies natürlich sehr vorteilhaft, denn durch diese Gabelung würde auf Jahrzehnte hinaus der gesamte innerafrikanische Verkehr auf diese Bahn geleitet, der Süden wie der Norden der Kolonie würden damit auf lange Zeit aus dem Großverkehr ausgeschaltet und kalt¬ gestellt, und das Monopol der Ostafrikanischen Eisenbahngesellschaft wäre voll¬ kommen. An sich wäre ja gar nichts gegen ein Eisenbahnmonopol, das unter vernünftigen Kautelen zustande kommt, einzuwenden. Im Interesse einer rationellen Tarifpolitik wäre es sogar sehr gut, wenn das ganze Eisenbahnnetz der Kolonie in einer Hand vereinigt wäre. Aber nur wenn die Linienführung der Eisenbahn so gestaltet wird, daß das ganze Land dadurch gewinnt. Die Politik der Gesellschaft muß sich aber nach den Bedürfnissen des Landes richten und nicht lediglich nach dem eignen Vorteil. Mit der beabsichtigten Gabelung der Zentralbahn würde diese Bahn wohl einen Verkehr erreichen, den sie aus sich selbst nicht schaffen kann, aber die Gunst der Lage unsrer Kolonien im großafrikanischen Verkehr wäre damit nicht entfernt ausgenutzt, denn die kombinierte Zentralbahn würde der viel kürzern Uganda¬ bahn im Viktoriaseegebiet ebensowenig gewachsen sein wie im Nyassagebiet der erwähnten portugiesischen Konkurrenzbahn. Was dies für uns bedeutet, davon gibt die Tatsache ein Bild, daß die Ugandabahn 55 vom Hundert ihrer heutigen Einnahmen aus deutschem Gebiet zieht. Namentlich aber würde der ganze Verkehr aus den wertvollen Zukunftsgebieten Ruanda und Urundi, die später durch eine Stichbahn von Bukoba aus erschlossen werden sollen, sofort der Ugandabahn zufallen, wenn der Viktoriasee an Stelle der kurzen Nordbahn an die lange Zentralbahn angeschlossen wäre. Ebenso wären die zum Teil sehr wertvollen Zwischengebiete im Norden und Süden, namentlich das Baumwoll¬ gebiet im Süden, an die Wand gedrückt. Und vernünftigerweise nimmt man doch beim Eisenbahnbau zuerst auf die küstennahen Gebiete Rücksicht, wenn sie entwicklungsfähig sind, und dies ist im Süden und Norden jedenfalls eher der Fall als bei dem Gebiet der Zentralbahn hinter Kilossa oder Mpapua. Alle diese Nachteile der Zentralbahnpolitik lassen sich nicht durch Staffeltarife aus¬ gleichen, wie vielfach geltend gemacht wird, denn, abgesehen von den riesigen Längenunterschieden der konkurrierenden Bahnen, werden sich natürlich auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/608>, abgerufen am 04.07.2024.