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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Vstafrikanische Lisenbahnpolitik

sehr unsicher bestellt ist. Vom Tanganjikasee wurde daher allmählich immer
weniger geredet und der Schwerpunkt nach Tabora, in die Landschaften Unyam-
wesi und Ussukuma verlegt. Damit ist nicht viel erreicht, im Gegenteil, denn
diese Gebiete werden von der Nordbahn oder deren Abzweigung auf einem viel
kürzern Wege und daher wesentlich wirkungsvoller erschlossen. Auf diese Weise
könnten zwei Fliegen mit einer Klappe getroffen werden, denn durch diese
Zweigbahn würden auch die dazwischen liegenden anscheinend recht aussichts¬
vollen Goldfelder westlich von Kondoa-Jrcmgi berührt. Von ernst zu nehmender
Seite wird empfohlen, die Zentralbahn in mehr südlicher Richtung zu bauen,
in die Nähe des jenseits des Tanganjikasees liegenden minenreichen Katanga-
gebiets, also etwa nach Bismarckburg. Sie würde dann der nächste Weg aus
diesem Gebiet nach der Küste, also auch nach Europa sein. Das gesunde, an¬
scheinend zur Besiedlung mit deutschen Bauern geeignete Hochland Asche könnte
durch eine kurze Zweiglinie nach Jringa erreicht werden. Die Zentralbahn
würde auf diese Weise immerhin etwa 100 Kilometer kürzer werden.

Das in jeder Richtung aussichtsvollste Projekt, das auffallenderweise jetzt
ganz beiseite geschoben werden soll, ist entschieden das der Süd habn. Es
wurde seinerzeit auf den Plan gebracht, als die politischen Verhältnisse zu Hause
die Verwirklichung großer Überlandbahnen aussichtslos erscheinen ließen. Die
Südbahn wurde damals namentlich von Professor Hans Meyer, Professor
Schweinfurth und andern namhaften Kennern Ostafrikas empfohlen. Die Er¬
kundungen von Paul Fuchs haben die Ansichten der Südbahnfreunde in der Folge
nur bestätigt. Die Südbahn bildet mit ihren 670 Kilometern den kürzesten Weg
nach dem reichen Seengebiet, nicht nur nach dem deutschen, sondern auch nach
dem portugiesischen und englischen und schlägt alle andern Verkehrsprojektc
aus dem Felde. Zudem durchzieht sie ein Gebiet, das nach Feststellung von
Paul Fuchs hervorragend für den Baumwollbau im Großen geeignet ist, mit
einem Wort das Hauptbaumwollland Ostafrikas. Das Südbahnprojekt schien
aus allen diesen Gründen vorzüglich geeignet, unsrer öffentlichen Meinung die
Berechtigung und die guten Aussichten kolonialer Bahnen darzutun, und wurde
deshalb von allen Sachverständigen energisch befürwortet. Zudem tauchte da¬
mals das Projekt einer parallelen Konkurrenzbahn auf portugiesischem Gebiet
auf, die nur unwesentlich kürzer werden, also, wenn sie unsrer Südbahn zuvor¬
käme, ähnliche, aber für uns viel ungünstigere Verhältnisse schaffen würde
wie die Ugandabahn im Norden. Da gerade jetzt die ernste Gefahr besteht,
daß diese Konkurrenzbahn verwirklicht wird, so ist die Haltung der Negierung
doppelt unbegreiflich. Wie ich aus zwei verschiednen Quellen -- aus Lissabon
und aus London -- erfahren habe, sind ernsthafte Verhandlungen im Gange,
die portugiesisch-englische Konkurrenzbahn zu finanzieren. Legen wir uns jetzt
durch die Zentralbahn auf Jahre hinaus fest, so unterliegt es keinem Zweifel,
daß das Konkurrenzunternehmen sofort zustande kommt. Darauf nur warten
unsre Nachbarn. Es ist also schon Gefahr im Verzug!


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sehr unsicher bestellt ist. Vom Tanganjikasee wurde daher allmählich immer
weniger geredet und der Schwerpunkt nach Tabora, in die Landschaften Unyam-
wesi und Ussukuma verlegt. Damit ist nicht viel erreicht, im Gegenteil, denn
diese Gebiete werden von der Nordbahn oder deren Abzweigung auf einem viel
kürzern Wege und daher wesentlich wirkungsvoller erschlossen. Auf diese Weise
könnten zwei Fliegen mit einer Klappe getroffen werden, denn durch diese
Zweigbahn würden auch die dazwischen liegenden anscheinend recht aussichts¬
vollen Goldfelder westlich von Kondoa-Jrcmgi berührt. Von ernst zu nehmender
Seite wird empfohlen, die Zentralbahn in mehr südlicher Richtung zu bauen,
in die Nähe des jenseits des Tanganjikasees liegenden minenreichen Katanga-
gebiets, also etwa nach Bismarckburg. Sie würde dann der nächste Weg aus
diesem Gebiet nach der Küste, also auch nach Europa sein. Das gesunde, an¬
scheinend zur Besiedlung mit deutschen Bauern geeignete Hochland Asche könnte
durch eine kurze Zweiglinie nach Jringa erreicht werden. Die Zentralbahn
würde auf diese Weise immerhin etwa 100 Kilometer kürzer werden.

Das in jeder Richtung aussichtsvollste Projekt, das auffallenderweise jetzt
ganz beiseite geschoben werden soll, ist entschieden das der Süd habn. Es
wurde seinerzeit auf den Plan gebracht, als die politischen Verhältnisse zu Hause
die Verwirklichung großer Überlandbahnen aussichtslos erscheinen ließen. Die
Südbahn wurde damals namentlich von Professor Hans Meyer, Professor
Schweinfurth und andern namhaften Kennern Ostafrikas empfohlen. Die Er¬
kundungen von Paul Fuchs haben die Ansichten der Südbahnfreunde in der Folge
nur bestätigt. Die Südbahn bildet mit ihren 670 Kilometern den kürzesten Weg
nach dem reichen Seengebiet, nicht nur nach dem deutschen, sondern auch nach
dem portugiesischen und englischen und schlägt alle andern Verkehrsprojektc
aus dem Felde. Zudem durchzieht sie ein Gebiet, das nach Feststellung von
Paul Fuchs hervorragend für den Baumwollbau im Großen geeignet ist, mit
einem Wort das Hauptbaumwollland Ostafrikas. Das Südbahnprojekt schien
aus allen diesen Gründen vorzüglich geeignet, unsrer öffentlichen Meinung die
Berechtigung und die guten Aussichten kolonialer Bahnen darzutun, und wurde
deshalb von allen Sachverständigen energisch befürwortet. Zudem tauchte da¬
mals das Projekt einer parallelen Konkurrenzbahn auf portugiesischem Gebiet
auf, die nur unwesentlich kürzer werden, also, wenn sie unsrer Südbahn zuvor¬
käme, ähnliche, aber für uns viel ungünstigere Verhältnisse schaffen würde
wie die Ugandabahn im Norden. Da gerade jetzt die ernste Gefahr besteht,
daß diese Konkurrenzbahn verwirklicht wird, so ist die Haltung der Negierung
doppelt unbegreiflich. Wie ich aus zwei verschiednen Quellen — aus Lissabon
und aus London — erfahren habe, sind ernsthafte Verhandlungen im Gange,
die portugiesisch-englische Konkurrenzbahn zu finanzieren. Legen wir uns jetzt
durch die Zentralbahn auf Jahre hinaus fest, so unterliegt es keinem Zweifel,
daß das Konkurrenzunternehmen sofort zustande kommt. Darauf nur warten
unsre Nachbarn. Es ist also schon Gefahr im Verzug!


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[0607] Vstafrikanische Lisenbahnpolitik sehr unsicher bestellt ist. Vom Tanganjikasee wurde daher allmählich immer weniger geredet und der Schwerpunkt nach Tabora, in die Landschaften Unyam- wesi und Ussukuma verlegt. Damit ist nicht viel erreicht, im Gegenteil, denn diese Gebiete werden von der Nordbahn oder deren Abzweigung auf einem viel kürzern Wege und daher wesentlich wirkungsvoller erschlossen. Auf diese Weise könnten zwei Fliegen mit einer Klappe getroffen werden, denn durch diese Zweigbahn würden auch die dazwischen liegenden anscheinend recht aussichts¬ vollen Goldfelder westlich von Kondoa-Jrcmgi berührt. Von ernst zu nehmender Seite wird empfohlen, die Zentralbahn in mehr südlicher Richtung zu bauen, in die Nähe des jenseits des Tanganjikasees liegenden minenreichen Katanga- gebiets, also etwa nach Bismarckburg. Sie würde dann der nächste Weg aus diesem Gebiet nach der Küste, also auch nach Europa sein. Das gesunde, an¬ scheinend zur Besiedlung mit deutschen Bauern geeignete Hochland Asche könnte durch eine kurze Zweiglinie nach Jringa erreicht werden. Die Zentralbahn würde auf diese Weise immerhin etwa 100 Kilometer kürzer werden. Das in jeder Richtung aussichtsvollste Projekt, das auffallenderweise jetzt ganz beiseite geschoben werden soll, ist entschieden das der Süd habn. Es wurde seinerzeit auf den Plan gebracht, als die politischen Verhältnisse zu Hause die Verwirklichung großer Überlandbahnen aussichtslos erscheinen ließen. Die Südbahn wurde damals namentlich von Professor Hans Meyer, Professor Schweinfurth und andern namhaften Kennern Ostafrikas empfohlen. Die Er¬ kundungen von Paul Fuchs haben die Ansichten der Südbahnfreunde in der Folge nur bestätigt. Die Südbahn bildet mit ihren 670 Kilometern den kürzesten Weg nach dem reichen Seengebiet, nicht nur nach dem deutschen, sondern auch nach dem portugiesischen und englischen und schlägt alle andern Verkehrsprojektc aus dem Felde. Zudem durchzieht sie ein Gebiet, das nach Feststellung von Paul Fuchs hervorragend für den Baumwollbau im Großen geeignet ist, mit einem Wort das Hauptbaumwollland Ostafrikas. Das Südbahnprojekt schien aus allen diesen Gründen vorzüglich geeignet, unsrer öffentlichen Meinung die Berechtigung und die guten Aussichten kolonialer Bahnen darzutun, und wurde deshalb von allen Sachverständigen energisch befürwortet. Zudem tauchte da¬ mals das Projekt einer parallelen Konkurrenzbahn auf portugiesischem Gebiet auf, die nur unwesentlich kürzer werden, also, wenn sie unsrer Südbahn zuvor¬ käme, ähnliche, aber für uns viel ungünstigere Verhältnisse schaffen würde wie die Ugandabahn im Norden. Da gerade jetzt die ernste Gefahr besteht, daß diese Konkurrenzbahn verwirklicht wird, so ist die Haltung der Negierung doppelt unbegreiflich. Wie ich aus zwei verschiednen Quellen — aus Lissabon und aus London — erfahren habe, sind ernsthafte Verhandlungen im Gange, die portugiesisch-englische Konkurrenzbahn zu finanzieren. Legen wir uns jetzt durch die Zentralbahn auf Jahre hinaus fest, so unterliegt es keinem Zweifel, daß das Konkurrenzunternehmen sofort zustande kommt. Darauf nur warten unsre Nachbarn. Es ist also schon Gefahr im Verzug!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/607>, abgerufen am 01.07.2024.