Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Gstafrikanische Lisenbahnpolitik

Elfenbein wird eines Tages aufhören, und der jetzt aus dem Innern auf den
Markt kommende Kautschuk ist im Raubbau aus den wilden Beständen ge¬
wonnen und wird sich mit der Zeit ebenfalls vermindern, muß also durch
plantagenmäßigen Anbau von Kautschukpflanzen ersetzt werden. Auch dies
ist ohne Eisenbahnen unmöglich. Ebenso wie die Erzeugung von Massen¬
produkten, wie Baumwolle, Faserstoffen und Ölfrüchten, ausgeschlossen ist.
Die Linienführung der ostafrikanischen Eisenbahnen ergibt sich aus den geo¬
graphischen und wirtschaftlichen Verhältnissen von selbst. Sorgfältige Studien
und Erkundungen, die von dem Sachverständigen des Kolonialwirtschaftlichen
Komitees, Paul Fuchs, noch besonders nachgeprüft und ergänzt worden sind,
haben die Notwendigkeit von drei Linien ergeben, einer "Nordbahn", einer
"Zentralbahn" und einer "Südbahn".

Die Sorge um die wirtschaftliche Erschließung des Nordens haben uns
die Engländer durch den Bau der Ugandabahn abgenommen. Sie waren
weniger bedenklich und gründlich und sind uns so im Viktoriaseegebiet zuvor¬
gekommen. Dies ist sicherlich bedauerlich, braucht uns aber weiter nicht leid
zu tun, wenn wir nur verstehn, daraus unsre Lehren zu ziehen. Einstweilen
bereitet die Ugandabahn unsrer spätern Nordbahn den Boden, denn unter
ihrem Einfluß hat sich das wirtschaftliche Leben des Viktoriaseegebiets in un¬
geahnter Weise entwickelt und wird sich noch weiter entwickeln. Im ersten
Jahre nach Eröffnung der Ugandabahn, also 1904, betrug die Ausfuhr der
drei deutschen Häfen am Viktoriasee: Muansa, Bukoba und Schirati,
946 509 Mark, im Jahre 1905 schon 2016118 Mark, 1906 fast 3 Millionen
Mark. Und die Ugandabahn zieht über die Hälfte ihrer Einnahmen aus dem
Handel mit dem deutschen Gebiet. Diesen Anteil wieder zurückzugewinnen
wird unsrer "Nordbahn" nicht allzuschwer fallen. Denn sie ist nicht nur
etwa 100 Kilometer kürzer als die Ugandabahn (940 Kilometer), sondern im
allgemeinen konkurrenzfähiger, weil sie in ihrer ersten Hälfte, im Gegensatz
zur englischen Bahn, hochentwickelte oder entwicklungsfähige Landschaften, das
Usambaragebiet, das Meru- und Kilimcmdscharogebiet durchzieht und weniger
technische Schwierigkeiten bietet als diese. Die Hoffnung ist deshalb nicht
ganz unberechtigt, daß es ihr sogar gelingen wird, einen Teil des Nachbar¬
verkehrs zu sich herüberzuziehen. Das Verlangen der nördlichen Bezirke, den
Einfluß der Ugandabahn sich nicht allzusehr im deutschen Gebiet einbürgern
zu lassen und nicht allzulange mit dem Weiterbau der Nordbahn zu warten,
muß deshalb entschieden unterstützt werden. Um so mehr, als hiervon auch
die Verwirklichung der Bestrebungen, im Meru- und Kilimandscharogebiet mit
der Ansiedlung deutscher Bauern zu beginnen, abhängt.

Die Zentralbahn ist ursprünglich als Erschließungsbahn der dem
Tanganjikasee vorgelagerten Gebiete gedacht und sollte in Udjidji endigen. Ihre
Befürworter sind sich aber selbst allmählich darüber klar geworden, daß es in
Anbetracht ihrer gewaltigen Länge (etwa 1400 Kilometer) mit der Rentabilität


Gstafrikanische Lisenbahnpolitik

Elfenbein wird eines Tages aufhören, und der jetzt aus dem Innern auf den
Markt kommende Kautschuk ist im Raubbau aus den wilden Beständen ge¬
wonnen und wird sich mit der Zeit ebenfalls vermindern, muß also durch
plantagenmäßigen Anbau von Kautschukpflanzen ersetzt werden. Auch dies
ist ohne Eisenbahnen unmöglich. Ebenso wie die Erzeugung von Massen¬
produkten, wie Baumwolle, Faserstoffen und Ölfrüchten, ausgeschlossen ist.
Die Linienführung der ostafrikanischen Eisenbahnen ergibt sich aus den geo¬
graphischen und wirtschaftlichen Verhältnissen von selbst. Sorgfältige Studien
und Erkundungen, die von dem Sachverständigen des Kolonialwirtschaftlichen
Komitees, Paul Fuchs, noch besonders nachgeprüft und ergänzt worden sind,
haben die Notwendigkeit von drei Linien ergeben, einer „Nordbahn", einer
„Zentralbahn" und einer „Südbahn".

Die Sorge um die wirtschaftliche Erschließung des Nordens haben uns
die Engländer durch den Bau der Ugandabahn abgenommen. Sie waren
weniger bedenklich und gründlich und sind uns so im Viktoriaseegebiet zuvor¬
gekommen. Dies ist sicherlich bedauerlich, braucht uns aber weiter nicht leid
zu tun, wenn wir nur verstehn, daraus unsre Lehren zu ziehen. Einstweilen
bereitet die Ugandabahn unsrer spätern Nordbahn den Boden, denn unter
ihrem Einfluß hat sich das wirtschaftliche Leben des Viktoriaseegebiets in un¬
geahnter Weise entwickelt und wird sich noch weiter entwickeln. Im ersten
Jahre nach Eröffnung der Ugandabahn, also 1904, betrug die Ausfuhr der
drei deutschen Häfen am Viktoriasee: Muansa, Bukoba und Schirati,
946 509 Mark, im Jahre 1905 schon 2016118 Mark, 1906 fast 3 Millionen
Mark. Und die Ugandabahn zieht über die Hälfte ihrer Einnahmen aus dem
Handel mit dem deutschen Gebiet. Diesen Anteil wieder zurückzugewinnen
wird unsrer „Nordbahn" nicht allzuschwer fallen. Denn sie ist nicht nur
etwa 100 Kilometer kürzer als die Ugandabahn (940 Kilometer), sondern im
allgemeinen konkurrenzfähiger, weil sie in ihrer ersten Hälfte, im Gegensatz
zur englischen Bahn, hochentwickelte oder entwicklungsfähige Landschaften, das
Usambaragebiet, das Meru- und Kilimcmdscharogebiet durchzieht und weniger
technische Schwierigkeiten bietet als diese. Die Hoffnung ist deshalb nicht
ganz unberechtigt, daß es ihr sogar gelingen wird, einen Teil des Nachbar¬
verkehrs zu sich herüberzuziehen. Das Verlangen der nördlichen Bezirke, den
Einfluß der Ugandabahn sich nicht allzusehr im deutschen Gebiet einbürgern
zu lassen und nicht allzulange mit dem Weiterbau der Nordbahn zu warten,
muß deshalb entschieden unterstützt werden. Um so mehr, als hiervon auch
die Verwirklichung der Bestrebungen, im Meru- und Kilimandscharogebiet mit
der Ansiedlung deutscher Bauern zu beginnen, abhängt.

Die Zentralbahn ist ursprünglich als Erschließungsbahn der dem
Tanganjikasee vorgelagerten Gebiete gedacht und sollte in Udjidji endigen. Ihre
Befürworter sind sich aber selbst allmählich darüber klar geworden, daß es in
Anbetracht ihrer gewaltigen Länge (etwa 1400 Kilometer) mit der Rentabilität


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0606" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/311689"/>
          <fw type="header" place="top"> Gstafrikanische Lisenbahnpolitik</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2852" prev="#ID_2851"> Elfenbein wird eines Tages aufhören, und der jetzt aus dem Innern auf den<lb/>
Markt kommende Kautschuk ist im Raubbau aus den wilden Beständen ge¬<lb/>
wonnen und wird sich mit der Zeit ebenfalls vermindern, muß also durch<lb/>
plantagenmäßigen Anbau von Kautschukpflanzen ersetzt werden. Auch dies<lb/>
ist ohne Eisenbahnen unmöglich. Ebenso wie die Erzeugung von Massen¬<lb/>
produkten, wie Baumwolle, Faserstoffen und Ölfrüchten, ausgeschlossen ist.<lb/>
Die Linienführung der ostafrikanischen Eisenbahnen ergibt sich aus den geo¬<lb/>
graphischen und wirtschaftlichen Verhältnissen von selbst. Sorgfältige Studien<lb/>
und Erkundungen, die von dem Sachverständigen des Kolonialwirtschaftlichen<lb/>
Komitees, Paul Fuchs, noch besonders nachgeprüft und ergänzt worden sind,<lb/>
haben die Notwendigkeit von drei Linien ergeben, einer &#x201E;Nordbahn", einer<lb/>
&#x201E;Zentralbahn" und einer &#x201E;Südbahn".</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2853"> Die Sorge um die wirtschaftliche Erschließung des Nordens haben uns<lb/>
die Engländer durch den Bau der Ugandabahn abgenommen. Sie waren<lb/>
weniger bedenklich und gründlich und sind uns so im Viktoriaseegebiet zuvor¬<lb/>
gekommen. Dies ist sicherlich bedauerlich, braucht uns aber weiter nicht leid<lb/>
zu tun, wenn wir nur verstehn, daraus unsre Lehren zu ziehen. Einstweilen<lb/>
bereitet die Ugandabahn unsrer spätern Nordbahn den Boden, denn unter<lb/>
ihrem Einfluß hat sich das wirtschaftliche Leben des Viktoriaseegebiets in un¬<lb/>
geahnter Weise entwickelt und wird sich noch weiter entwickeln. Im ersten<lb/>
Jahre nach Eröffnung der Ugandabahn, also 1904, betrug die Ausfuhr der<lb/>
drei deutschen Häfen am Viktoriasee: Muansa, Bukoba und Schirati,<lb/>
946 509 Mark, im Jahre 1905 schon 2016118 Mark, 1906 fast 3 Millionen<lb/>
Mark. Und die Ugandabahn zieht über die Hälfte ihrer Einnahmen aus dem<lb/>
Handel mit dem deutschen Gebiet. Diesen Anteil wieder zurückzugewinnen<lb/>
wird unsrer &#x201E;Nordbahn" nicht allzuschwer fallen. Denn sie ist nicht nur<lb/>
etwa 100 Kilometer kürzer als die Ugandabahn (940 Kilometer), sondern im<lb/>
allgemeinen konkurrenzfähiger, weil sie in ihrer ersten Hälfte, im Gegensatz<lb/>
zur englischen Bahn, hochentwickelte oder entwicklungsfähige Landschaften, das<lb/>
Usambaragebiet, das Meru- und Kilimcmdscharogebiet durchzieht und weniger<lb/>
technische Schwierigkeiten bietet als diese. Die Hoffnung ist deshalb nicht<lb/>
ganz unberechtigt, daß es ihr sogar gelingen wird, einen Teil des Nachbar¬<lb/>
verkehrs zu sich herüberzuziehen. Das Verlangen der nördlichen Bezirke, den<lb/>
Einfluß der Ugandabahn sich nicht allzusehr im deutschen Gebiet einbürgern<lb/>
zu lassen und nicht allzulange mit dem Weiterbau der Nordbahn zu warten,<lb/>
muß deshalb entschieden unterstützt werden. Um so mehr, als hiervon auch<lb/>
die Verwirklichung der Bestrebungen, im Meru- und Kilimandscharogebiet mit<lb/>
der Ansiedlung deutscher Bauern zu beginnen, abhängt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2854" next="#ID_2855"> Die Zentralbahn ist ursprünglich als Erschließungsbahn der dem<lb/>
Tanganjikasee vorgelagerten Gebiete gedacht und sollte in Udjidji endigen. Ihre<lb/>
Befürworter sind sich aber selbst allmählich darüber klar geworden, daß es in<lb/>
Anbetracht ihrer gewaltigen Länge (etwa 1400 Kilometer) mit der Rentabilität</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0606] Gstafrikanische Lisenbahnpolitik Elfenbein wird eines Tages aufhören, und der jetzt aus dem Innern auf den Markt kommende Kautschuk ist im Raubbau aus den wilden Beständen ge¬ wonnen und wird sich mit der Zeit ebenfalls vermindern, muß also durch plantagenmäßigen Anbau von Kautschukpflanzen ersetzt werden. Auch dies ist ohne Eisenbahnen unmöglich. Ebenso wie die Erzeugung von Massen¬ produkten, wie Baumwolle, Faserstoffen und Ölfrüchten, ausgeschlossen ist. Die Linienführung der ostafrikanischen Eisenbahnen ergibt sich aus den geo¬ graphischen und wirtschaftlichen Verhältnissen von selbst. Sorgfältige Studien und Erkundungen, die von dem Sachverständigen des Kolonialwirtschaftlichen Komitees, Paul Fuchs, noch besonders nachgeprüft und ergänzt worden sind, haben die Notwendigkeit von drei Linien ergeben, einer „Nordbahn", einer „Zentralbahn" und einer „Südbahn". Die Sorge um die wirtschaftliche Erschließung des Nordens haben uns die Engländer durch den Bau der Ugandabahn abgenommen. Sie waren weniger bedenklich und gründlich und sind uns so im Viktoriaseegebiet zuvor¬ gekommen. Dies ist sicherlich bedauerlich, braucht uns aber weiter nicht leid zu tun, wenn wir nur verstehn, daraus unsre Lehren zu ziehen. Einstweilen bereitet die Ugandabahn unsrer spätern Nordbahn den Boden, denn unter ihrem Einfluß hat sich das wirtschaftliche Leben des Viktoriaseegebiets in un¬ geahnter Weise entwickelt und wird sich noch weiter entwickeln. Im ersten Jahre nach Eröffnung der Ugandabahn, also 1904, betrug die Ausfuhr der drei deutschen Häfen am Viktoriasee: Muansa, Bukoba und Schirati, 946 509 Mark, im Jahre 1905 schon 2016118 Mark, 1906 fast 3 Millionen Mark. Und die Ugandabahn zieht über die Hälfte ihrer Einnahmen aus dem Handel mit dem deutschen Gebiet. Diesen Anteil wieder zurückzugewinnen wird unsrer „Nordbahn" nicht allzuschwer fallen. Denn sie ist nicht nur etwa 100 Kilometer kürzer als die Ugandabahn (940 Kilometer), sondern im allgemeinen konkurrenzfähiger, weil sie in ihrer ersten Hälfte, im Gegensatz zur englischen Bahn, hochentwickelte oder entwicklungsfähige Landschaften, das Usambaragebiet, das Meru- und Kilimcmdscharogebiet durchzieht und weniger technische Schwierigkeiten bietet als diese. Die Hoffnung ist deshalb nicht ganz unberechtigt, daß es ihr sogar gelingen wird, einen Teil des Nachbar¬ verkehrs zu sich herüberzuziehen. Das Verlangen der nördlichen Bezirke, den Einfluß der Ugandabahn sich nicht allzusehr im deutschen Gebiet einbürgern zu lassen und nicht allzulange mit dem Weiterbau der Nordbahn zu warten, muß deshalb entschieden unterstützt werden. Um so mehr, als hiervon auch die Verwirklichung der Bestrebungen, im Meru- und Kilimandscharogebiet mit der Ansiedlung deutscher Bauern zu beginnen, abhängt. Die Zentralbahn ist ursprünglich als Erschließungsbahn der dem Tanganjikasee vorgelagerten Gebiete gedacht und sollte in Udjidji endigen. Ihre Befürworter sind sich aber selbst allmählich darüber klar geworden, daß es in Anbetracht ihrer gewaltigen Länge (etwa 1400 Kilometer) mit der Rentabilität

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/606
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/606>, abgerufen am 29.06.2024.