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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Englische Porträtkunst

leuchtendem Not, der rechts einen Blick ins Freie zuläßt. Mit nicht geringer
Kühnheit ist die gefährlichste Farbe, ein fast ungebrochnes leuchtendes Schwarz
(in dein Kleide der Herzogin), in den Mittelpunkt gestellt, Weiß niet Rot und
die verschiednen Nuancen von Landschaft und Himmel treten rahmend hinzu.
Gerade am Schwarz des Kostüms scheitern fast immer "nsre heutigen Bildnis¬
maler, besonders wenn sie, wie etwa Slevogt in dem Reiterbildnis auf der vor¬
jährigen Sezessionsausstellnng, ihr Modell unter freiem Himmel zu malen versuchen.
Das Neynoldssche Schwarz wirkt stets lebendig, manchmal sogar pikant, niemals
eintönig. Ich meine, die fortgeschrittensten Berliner Künstler vom linken Flügel,
deren Urteil über die Ausstellung im wesentlichen ablehnend war, konnten
wenigstens auf diesem Gebiete doch noch einiges von den Engländern lernen!

Gainsborough, schon zu seinen Lebzeiten ein Rivale des nur wenig ältern
Meisters der "Herzogin von Devonshire", schien auch dem Berliner Publikum
noch ein gefährlicher Nebenbuhler. Obschon weniger gleichmäßig als Reynolds
und als Zeichner ihm unbedingt unterlegen, hat er doch mehr von dem Charme
des achtzehnten Jahrhunderts und wohl auch, trotz seiner bekannten Anlehnung
an van Dyck, mehr Naivität. Ein Bildnis wie das der beiden jungen Töchter
Gainsboroughs -- die eine sitzend, mit Zeichenmappe und Stift, die weniger
hübsche stehend, in die Betrachtung einer Statuette versunken -- kann man sich
von Reynolds nicht vorstellen. Dagegen versagt der schlichte Tuchmachersvhn
aus Sndbury, wenn es gilt, Nepräsentationsbilder wie das in Berlin ausgestellte,
in den Maßen sehr große Reiterporträt des Generals Honeywood (es hängt
gegenüber Reynolds Marqueß von Granby) zu malen. Er wirkt da kraftlos
und leer. Es ist etwas Feminines in Thomas Gcnnsborough, das ihn um
ehesten zur Darstellung junger Mädchen und halbwüchsiger Knaben befähigte.
Ans diesem Gebiete ist er dann aber so groß, daß jene schwächer" Produkte in
den Schatten treten. Vielleicht das reizvollste der Bilder war das Brustbild der
Miß Linley, der lieblichsten von drei reizenden Schwestern, die später die Fran
Sheridans wurde. Der "blaue Knabe" des Herzogs von Westminster hat viel¬
leicht manchen Beschauer enttäuscht, der eine "Sinfonie in Blau" in der Art
Whistlers erwartete. Allerdings ist dieses Blau, in dein zauberhaft gemalten
knittrigen Seidenstoff des Kostüms, vorherrschend, aber das durch die Malerei
des neunzehnten Jahrhunderts geschulte Auge erwartet eine helle Folie und stößt
sich an dem schweren, freilich nachgedunkelten Brau" des Hintergrundes. Hat
mau sich mit diesem Umstände abgefunden, so wird der wundervollen Prägnanz
der Charakteristik, verbunden mit der sichern Eleganz des Auftretens dieses
Cherubin, durch keine Einwendung etwas von dem Ruhme geraubt, den dieses
so populäre Gemälde mit Recht verdient.

Romney, Naeburn, Hoppner und Lawrence, sie alle waren durch wertvolle
Proben ihrer Kunst vertreten. Sir Henry Raeburu (l756 bis 1823), der Prä¬
sident der schottischen Akademie in Edinburgh, von dem wir in Deutschland
ein ganz vorzügliches Porträt in der Dresdner Galerie besitzen, interessiert von


Englische Porträtkunst

leuchtendem Not, der rechts einen Blick ins Freie zuläßt. Mit nicht geringer
Kühnheit ist die gefährlichste Farbe, ein fast ungebrochnes leuchtendes Schwarz
(in dein Kleide der Herzogin), in den Mittelpunkt gestellt, Weiß niet Rot und
die verschiednen Nuancen von Landschaft und Himmel treten rahmend hinzu.
Gerade am Schwarz des Kostüms scheitern fast immer »nsre heutigen Bildnis¬
maler, besonders wenn sie, wie etwa Slevogt in dem Reiterbildnis auf der vor¬
jährigen Sezessionsausstellnng, ihr Modell unter freiem Himmel zu malen versuchen.
Das Neynoldssche Schwarz wirkt stets lebendig, manchmal sogar pikant, niemals
eintönig. Ich meine, die fortgeschrittensten Berliner Künstler vom linken Flügel,
deren Urteil über die Ausstellung im wesentlichen ablehnend war, konnten
wenigstens auf diesem Gebiete doch noch einiges von den Engländern lernen!

Gainsborough, schon zu seinen Lebzeiten ein Rivale des nur wenig ältern
Meisters der „Herzogin von Devonshire", schien auch dem Berliner Publikum
noch ein gefährlicher Nebenbuhler. Obschon weniger gleichmäßig als Reynolds
und als Zeichner ihm unbedingt unterlegen, hat er doch mehr von dem Charme
des achtzehnten Jahrhunderts und wohl auch, trotz seiner bekannten Anlehnung
an van Dyck, mehr Naivität. Ein Bildnis wie das der beiden jungen Töchter
Gainsboroughs — die eine sitzend, mit Zeichenmappe und Stift, die weniger
hübsche stehend, in die Betrachtung einer Statuette versunken — kann man sich
von Reynolds nicht vorstellen. Dagegen versagt der schlichte Tuchmachersvhn
aus Sndbury, wenn es gilt, Nepräsentationsbilder wie das in Berlin ausgestellte,
in den Maßen sehr große Reiterporträt des Generals Honeywood (es hängt
gegenüber Reynolds Marqueß von Granby) zu malen. Er wirkt da kraftlos
und leer. Es ist etwas Feminines in Thomas Gcnnsborough, das ihn um
ehesten zur Darstellung junger Mädchen und halbwüchsiger Knaben befähigte.
Ans diesem Gebiete ist er dann aber so groß, daß jene schwächer» Produkte in
den Schatten treten. Vielleicht das reizvollste der Bilder war das Brustbild der
Miß Linley, der lieblichsten von drei reizenden Schwestern, die später die Fran
Sheridans wurde. Der „blaue Knabe" des Herzogs von Westminster hat viel¬
leicht manchen Beschauer enttäuscht, der eine „Sinfonie in Blau" in der Art
Whistlers erwartete. Allerdings ist dieses Blau, in dein zauberhaft gemalten
knittrigen Seidenstoff des Kostüms, vorherrschend, aber das durch die Malerei
des neunzehnten Jahrhunderts geschulte Auge erwartet eine helle Folie und stößt
sich an dem schweren, freilich nachgedunkelten Brau» des Hintergrundes. Hat
mau sich mit diesem Umstände abgefunden, so wird der wundervollen Prägnanz
der Charakteristik, verbunden mit der sichern Eleganz des Auftretens dieses
Cherubin, durch keine Einwendung etwas von dem Ruhme geraubt, den dieses
so populäre Gemälde mit Recht verdient.

Romney, Naeburn, Hoppner und Lawrence, sie alle waren durch wertvolle
Proben ihrer Kunst vertreten. Sir Henry Raeburu (l756 bis 1823), der Prä¬
sident der schottischen Akademie in Edinburgh, von dem wir in Deutschland
ein ganz vorzügliches Porträt in der Dresdner Galerie besitzen, interessiert von


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[0538] Englische Porträtkunst leuchtendem Not, der rechts einen Blick ins Freie zuläßt. Mit nicht geringer Kühnheit ist die gefährlichste Farbe, ein fast ungebrochnes leuchtendes Schwarz (in dein Kleide der Herzogin), in den Mittelpunkt gestellt, Weiß niet Rot und die verschiednen Nuancen von Landschaft und Himmel treten rahmend hinzu. Gerade am Schwarz des Kostüms scheitern fast immer »nsre heutigen Bildnis¬ maler, besonders wenn sie, wie etwa Slevogt in dem Reiterbildnis auf der vor¬ jährigen Sezessionsausstellnng, ihr Modell unter freiem Himmel zu malen versuchen. Das Neynoldssche Schwarz wirkt stets lebendig, manchmal sogar pikant, niemals eintönig. Ich meine, die fortgeschrittensten Berliner Künstler vom linken Flügel, deren Urteil über die Ausstellung im wesentlichen ablehnend war, konnten wenigstens auf diesem Gebiete doch noch einiges von den Engländern lernen! Gainsborough, schon zu seinen Lebzeiten ein Rivale des nur wenig ältern Meisters der „Herzogin von Devonshire", schien auch dem Berliner Publikum noch ein gefährlicher Nebenbuhler. Obschon weniger gleichmäßig als Reynolds und als Zeichner ihm unbedingt unterlegen, hat er doch mehr von dem Charme des achtzehnten Jahrhunderts und wohl auch, trotz seiner bekannten Anlehnung an van Dyck, mehr Naivität. Ein Bildnis wie das der beiden jungen Töchter Gainsboroughs — die eine sitzend, mit Zeichenmappe und Stift, die weniger hübsche stehend, in die Betrachtung einer Statuette versunken — kann man sich von Reynolds nicht vorstellen. Dagegen versagt der schlichte Tuchmachersvhn aus Sndbury, wenn es gilt, Nepräsentationsbilder wie das in Berlin ausgestellte, in den Maßen sehr große Reiterporträt des Generals Honeywood (es hängt gegenüber Reynolds Marqueß von Granby) zu malen. Er wirkt da kraftlos und leer. Es ist etwas Feminines in Thomas Gcnnsborough, das ihn um ehesten zur Darstellung junger Mädchen und halbwüchsiger Knaben befähigte. Ans diesem Gebiete ist er dann aber so groß, daß jene schwächer» Produkte in den Schatten treten. Vielleicht das reizvollste der Bilder war das Brustbild der Miß Linley, der lieblichsten von drei reizenden Schwestern, die später die Fran Sheridans wurde. Der „blaue Knabe" des Herzogs von Westminster hat viel¬ leicht manchen Beschauer enttäuscht, der eine „Sinfonie in Blau" in der Art Whistlers erwartete. Allerdings ist dieses Blau, in dein zauberhaft gemalten knittrigen Seidenstoff des Kostüms, vorherrschend, aber das durch die Malerei des neunzehnten Jahrhunderts geschulte Auge erwartet eine helle Folie und stößt sich an dem schweren, freilich nachgedunkelten Brau» des Hintergrundes. Hat mau sich mit diesem Umstände abgefunden, so wird der wundervollen Prägnanz der Charakteristik, verbunden mit der sichern Eleganz des Auftretens dieses Cherubin, durch keine Einwendung etwas von dem Ruhme geraubt, den dieses so populäre Gemälde mit Recht verdient. Romney, Naeburn, Hoppner und Lawrence, sie alle waren durch wertvolle Proben ihrer Kunst vertreten. Sir Henry Raeburu (l756 bis 1823), der Prä¬ sident der schottischen Akademie in Edinburgh, von dem wir in Deutschland ein ganz vorzügliches Porträt in der Dresdner Galerie besitzen, interessiert von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/538>, abgerufen am 01.07.2024.