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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Englische Porträtkunst

ist, und die immer damit enden, daß Mijnheer die Annahme des Konterfeis ver¬
weigert, und daß sich der Maler dann durch einen übermütigen Streich rächt.
Und auch jene Episode aus dem Leben des alten Wrangel wäre im Britannien
der Rokokozeit undenkbar, wo ihn um ihre Schönheit besorgte Hofdamen zu
Menzel, dem ach so Ungalanten, schickten. Eine sehr erfolglose Mission, mit
drastischer Pointe. Aber wieviel häufiger ist bei uns das traurige Schauspiel
des Paktierens, der Kompromisse, und auf der andern Seite Verständnislosig-
keit der Gesellschaft, Eigensinn und Not des Künstlers.

Die englischen Maler haben, wenigstens in der besten Zeit, weder geschmeichelt
"och Pvrträtaufträgc zu künstlerischen, oft nur maltechnischcn Experimenten ge¬
mißbraucht. Auf der Basis einer gemeinschaftlichen gesellschaftlichen Kultur ent¬
wickelte sich eine Kunstübung, die wie in den Zeiten Holbeins und van Dycks
vom Hofe und vom Adel gefördert, mehr und mehr ihren Stützpunkt in dem
wohlhabenden Vürgertnm fand. Auch "der blaue Knabe" Gainsboroughs, das
berühmteste Bild der Berliner Ausstellung, stellt nicht, wie fast immer angenommen
wird, einen jungen Aristokraten, sondern einen schlichten Master Buttal dar,
den Sohn eines reichen Fabrikanten. Leider fehlten mit Ausnahme eines Porträts
des Architekten Chambers solche Bildnisse, mit denen Reynolds, wie im vorigen
Jahrhundert Lenbach, eine Galerie zeitgenössischer Berühmtheiten hinterlassen hat.
Er hat L. Sterne porträtiert. Charles Fox, Sheridan und Dr. Johnson, und
gerade diese Werke gehören zu seinen besten; sie hängen meist in öffentlichen
Sammlungen und konnten deshalb nicht hergeliehen werden. Dafür sind hier
Reprüsentationsbilder wie der Marqueß von Granby. als Feldherr neben dein
reich aufgezäumten Schlachtroß mit beturbantem Leibheiduckeu, Darstellungen
zarter weiblicher Reize wie die schalkhaft blickende Lady Caroline Price. Ver¬
herrlichungen der mütterlichen Zuneigung wie die Herzogin von Devonshire
und die Lady Betty Deine. die mit ihren Kindern im Walde ruht. Es rst
""endlich viel, und auch wieder bei dieser Veranlassung, vom EklektizrsmuS
Sir Josynas geschrieben worden, und in der Tat hat er ja seinen Neigungen
.'," den alten Meistern ein literarisches Denkmal in den "Diseurses" hinder-
t"sser; ein Exemplar dieses Werks hält er auf dein Selbstbildnis der Ufstzleu
in der Hand, das ihn in der hochroten Robe eines Doktors der Rechte neben
der Büste Michelangelos zeigt. Wer jedoch die in Berlin ausgestellten Ge¬
mälde der Akademiegewaltigen betrachtet, wird allerdings nicht eines finden,
das nicht gewisse Anklänge an Tizian. Velazquez. Reinhardt und andre Gro߬
meister aufzuweisen hätte, aber auch keines, das des malerischen Temperaments
entbehrte. Die ursprüngliche rein sinnliche Frende an der Farbe wninphiert
schließlich doch über alle klügelnde Reflexion. Der Malerkittcl schlagt die
Akade.niterrobe. der gesättigte Pinsel den uur zu fleißige" FederÜel. Und es
ist gerade eines der'berühmtesten Gemälde von Reynolds, die Herzogin von
Devonshire mit ihrer kleinen Tochter, das in der Farbenskala neue Wege ein¬
schlägt, trotz dem van Dyckschen Requisiten entuommnen Prachtvorhang von


Englische Porträtkunst

ist, und die immer damit enden, daß Mijnheer die Annahme des Konterfeis ver¬
weigert, und daß sich der Maler dann durch einen übermütigen Streich rächt.
Und auch jene Episode aus dem Leben des alten Wrangel wäre im Britannien
der Rokokozeit undenkbar, wo ihn um ihre Schönheit besorgte Hofdamen zu
Menzel, dem ach so Ungalanten, schickten. Eine sehr erfolglose Mission, mit
drastischer Pointe. Aber wieviel häufiger ist bei uns das traurige Schauspiel
des Paktierens, der Kompromisse, und auf der andern Seite Verständnislosig-
keit der Gesellschaft, Eigensinn und Not des Künstlers.

Die englischen Maler haben, wenigstens in der besten Zeit, weder geschmeichelt
»och Pvrträtaufträgc zu künstlerischen, oft nur maltechnischcn Experimenten ge¬
mißbraucht. Auf der Basis einer gemeinschaftlichen gesellschaftlichen Kultur ent¬
wickelte sich eine Kunstübung, die wie in den Zeiten Holbeins und van Dycks
vom Hofe und vom Adel gefördert, mehr und mehr ihren Stützpunkt in dem
wohlhabenden Vürgertnm fand. Auch „der blaue Knabe" Gainsboroughs, das
berühmteste Bild der Berliner Ausstellung, stellt nicht, wie fast immer angenommen
wird, einen jungen Aristokraten, sondern einen schlichten Master Buttal dar,
den Sohn eines reichen Fabrikanten. Leider fehlten mit Ausnahme eines Porträts
des Architekten Chambers solche Bildnisse, mit denen Reynolds, wie im vorigen
Jahrhundert Lenbach, eine Galerie zeitgenössischer Berühmtheiten hinterlassen hat.
Er hat L. Sterne porträtiert. Charles Fox, Sheridan und Dr. Johnson, und
gerade diese Werke gehören zu seinen besten; sie hängen meist in öffentlichen
Sammlungen und konnten deshalb nicht hergeliehen werden. Dafür sind hier
Reprüsentationsbilder wie der Marqueß von Granby. als Feldherr neben dein
reich aufgezäumten Schlachtroß mit beturbantem Leibheiduckeu, Darstellungen
zarter weiblicher Reize wie die schalkhaft blickende Lady Caroline Price. Ver¬
herrlichungen der mütterlichen Zuneigung wie die Herzogin von Devonshire
und die Lady Betty Deine. die mit ihren Kindern im Walde ruht. Es rst
"»endlich viel, und auch wieder bei dieser Veranlassung, vom EklektizrsmuS
Sir Josynas geschrieben worden, und in der Tat hat er ja seinen Neigungen
.',» den alten Meistern ein literarisches Denkmal in den „Diseurses" hinder-
t"sser; ein Exemplar dieses Werks hält er auf dein Selbstbildnis der Ufstzleu
in der Hand, das ihn in der hochroten Robe eines Doktors der Rechte neben
der Büste Michelangelos zeigt. Wer jedoch die in Berlin ausgestellten Ge¬
mälde der Akademiegewaltigen betrachtet, wird allerdings nicht eines finden,
das nicht gewisse Anklänge an Tizian. Velazquez. Reinhardt und andre Gro߬
meister aufzuweisen hätte, aber auch keines, das des malerischen Temperaments
entbehrte. Die ursprüngliche rein sinnliche Frende an der Farbe wninphiert
schließlich doch über alle klügelnde Reflexion. Der Malerkittcl schlagt die
Akade.niterrobe. der gesättigte Pinsel den uur zu fleißige» FederÜel. Und es
ist gerade eines der'berühmtesten Gemälde von Reynolds, die Herzogin von
Devonshire mit ihrer kleinen Tochter, das in der Farbenskala neue Wege ein¬
schlägt, trotz dem van Dyckschen Requisiten entuommnen Prachtvorhang von


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[0537] Englische Porträtkunst ist, und die immer damit enden, daß Mijnheer die Annahme des Konterfeis ver¬ weigert, und daß sich der Maler dann durch einen übermütigen Streich rächt. Und auch jene Episode aus dem Leben des alten Wrangel wäre im Britannien der Rokokozeit undenkbar, wo ihn um ihre Schönheit besorgte Hofdamen zu Menzel, dem ach so Ungalanten, schickten. Eine sehr erfolglose Mission, mit drastischer Pointe. Aber wieviel häufiger ist bei uns das traurige Schauspiel des Paktierens, der Kompromisse, und auf der andern Seite Verständnislosig- keit der Gesellschaft, Eigensinn und Not des Künstlers. Die englischen Maler haben, wenigstens in der besten Zeit, weder geschmeichelt »och Pvrträtaufträgc zu künstlerischen, oft nur maltechnischcn Experimenten ge¬ mißbraucht. Auf der Basis einer gemeinschaftlichen gesellschaftlichen Kultur ent¬ wickelte sich eine Kunstübung, die wie in den Zeiten Holbeins und van Dycks vom Hofe und vom Adel gefördert, mehr und mehr ihren Stützpunkt in dem wohlhabenden Vürgertnm fand. Auch „der blaue Knabe" Gainsboroughs, das berühmteste Bild der Berliner Ausstellung, stellt nicht, wie fast immer angenommen wird, einen jungen Aristokraten, sondern einen schlichten Master Buttal dar, den Sohn eines reichen Fabrikanten. Leider fehlten mit Ausnahme eines Porträts des Architekten Chambers solche Bildnisse, mit denen Reynolds, wie im vorigen Jahrhundert Lenbach, eine Galerie zeitgenössischer Berühmtheiten hinterlassen hat. Er hat L. Sterne porträtiert. Charles Fox, Sheridan und Dr. Johnson, und gerade diese Werke gehören zu seinen besten; sie hängen meist in öffentlichen Sammlungen und konnten deshalb nicht hergeliehen werden. Dafür sind hier Reprüsentationsbilder wie der Marqueß von Granby. als Feldherr neben dein reich aufgezäumten Schlachtroß mit beturbantem Leibheiduckeu, Darstellungen zarter weiblicher Reize wie die schalkhaft blickende Lady Caroline Price. Ver¬ herrlichungen der mütterlichen Zuneigung wie die Herzogin von Devonshire und die Lady Betty Deine. die mit ihren Kindern im Walde ruht. Es rst "»endlich viel, und auch wieder bei dieser Veranlassung, vom EklektizrsmuS Sir Josynas geschrieben worden, und in der Tat hat er ja seinen Neigungen .',» den alten Meistern ein literarisches Denkmal in den „Diseurses" hinder- t"sser; ein Exemplar dieses Werks hält er auf dein Selbstbildnis der Ufstzleu in der Hand, das ihn in der hochroten Robe eines Doktors der Rechte neben der Büste Michelangelos zeigt. Wer jedoch die in Berlin ausgestellten Ge¬ mälde der Akademiegewaltigen betrachtet, wird allerdings nicht eines finden, das nicht gewisse Anklänge an Tizian. Velazquez. Reinhardt und andre Gro߬ meister aufzuweisen hätte, aber auch keines, das des malerischen Temperaments entbehrte. Die ursprüngliche rein sinnliche Frende an der Farbe wninphiert schließlich doch über alle klügelnde Reflexion. Der Malerkittcl schlagt die Akade.niterrobe. der gesättigte Pinsel den uur zu fleißige» FederÜel. Und es ist gerade eines der'berühmtesten Gemälde von Reynolds, die Herzogin von Devonshire mit ihrer kleinen Tochter, das in der Farbenskala neue Wege ein¬ schlägt, trotz dem van Dyckschen Requisiten entuommnen Prachtvorhang von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/537>, abgerufen am 03.07.2024.