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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Englische porträtkimst

diesen Künstlern am stärksten durch eine zwar etwas trockne, aber sehr originelle
Palette, durch die größere Schlichtheit des Empfindens und den Mangel an
Pose, wenigstens bei den Bildern älterer Herrschaften Auch ist seine Darstellung
des Landschaftlichen weniger von ältern Vorbildern abhängig, sie streift das
Gobelinartige ab. das besonders den .Hintergründen Gainsboroughscher Bilder
eigentümlich ist. und folgt einer fast impressionistischen Art des Sehens. Dabei
ist es auffallend, daß dieser Herzensfreund Walter Scotts (den er in glänzender
Weise porträtiert hat) durchaus nicht einer ..romantischen", sondern eher etwas
nüchternen Naturbetrachtung huldigt. Wie denn jene gesteigerte, häufig un¬
wahre Empfindung Turnerscher Landschaften erst mit diesem so verschieden beur¬
teilten Künstler in England aufgekommen ist und so gut wie gar keine Nachfolge
gefunden hat.

Das Schlagwort von "kunsthistorischer Verbildung" schien mir wie gemünzt
auf die Beurteilung, die auch in Berlin die vielleicht allzu glänzende Kunst von
Thomas Lawrence gefunden hat. Lawrence hat zuviel gemalt, das ist seinem
Rufe schädlich geworden. In einem der verbreiterten deutschen Nachschlagewerke
(von 1905) finde ich folgendes Urteil über diesen Künstler: "Lawrence malte
elegant, aber weichlich; seine Zeichnung hat etwas Schwächliches; sein Kolorit
ist unwahr und seine Charakteristik oberflächlich; auch fehlt seinen Darstellungen
die Mannigfaltigkeit." Ich möchte bezweifeln, ob dieser Richter Minos der Kunst¬
kritik Werke wie das Porträt des Mr. Angerstein im roten Jagdfrack und seiner
Gattin im Louvremuseum und die in Berlin ausgestellte, wahrhaft charmante
Miß Elizabeth Farren gesehen hat! Elegant sind diese typischen Verkörperungen
gepflegter und verwöhnter Gesellschaftsmenschen in der Tat, sehr elegant sogar.
Aber es ist beinahe ein Dogma geworden: Eleganz ist verboten; mir noch Cha¬
rakteristik und gute Malerei! Muß eines das andre ausschließen? Ohne jede
Aufdringlichkeit und doch mit der größten Schärfe ist ferner die Hervorhebung
charakteristischer Züge in dem freilich etwas bunten Porträt des "Reichs-, Hof-
und Staatskanzlers" Fürsten Metternich gelungen, das aus Schloß Johannis-
berg hergeliehen worden ist. Ein unvergeßlich geistreiches Abbild des Diplomaten.
Grcmdseigneurs und Kunstfreundes! Lächelnde Überlegenheit und die kühle Ruhe
des Weltmannes, etwas Eitelkeit und viel Reserviertheit. Lawrence stand gewch
nicht über seinen Modellen, er fühlte sich sehr wohl in vtmity tair, ließ sich
gut bezahlen und gern feiern (wie auf dem Wiener Kongreß). Das Wesentliche
ist. daß dieser Hofmaler in seinen guten Hervorbringungen ein sehr großer Maler
gewesen ist. und wir heute, die wir auf F. A. von Kaulbach und Fckp Laszlo
wahrlich nicht sonderlich stolz zu sein brauchen, sollten das lieber anerkennen,
als die weniger gelungner Bildnisse von Lawrence herausgreifen und an ehren
den "süßlichen Kitschmaler" exemplifizieren.

Der Erfolg der Berliner Ausstellung schien beim Publikum größer als ve,
den Kunstgelehrten. Einige Einwände sind hier formuliert worden, acht um
diese großen Geschmackswnstler. die die Engländer gewesen sind, zu verkleinern.


Englische porträtkimst

diesen Künstlern am stärksten durch eine zwar etwas trockne, aber sehr originelle
Palette, durch die größere Schlichtheit des Empfindens und den Mangel an
Pose, wenigstens bei den Bildern älterer Herrschaften Auch ist seine Darstellung
des Landschaftlichen weniger von ältern Vorbildern abhängig, sie streift das
Gobelinartige ab. das besonders den .Hintergründen Gainsboroughscher Bilder
eigentümlich ist. und folgt einer fast impressionistischen Art des Sehens. Dabei
ist es auffallend, daß dieser Herzensfreund Walter Scotts (den er in glänzender
Weise porträtiert hat) durchaus nicht einer ..romantischen", sondern eher etwas
nüchternen Naturbetrachtung huldigt. Wie denn jene gesteigerte, häufig un¬
wahre Empfindung Turnerscher Landschaften erst mit diesem so verschieden beur¬
teilten Künstler in England aufgekommen ist und so gut wie gar keine Nachfolge
gefunden hat.

Das Schlagwort von „kunsthistorischer Verbildung" schien mir wie gemünzt
auf die Beurteilung, die auch in Berlin die vielleicht allzu glänzende Kunst von
Thomas Lawrence gefunden hat. Lawrence hat zuviel gemalt, das ist seinem
Rufe schädlich geworden. In einem der verbreiterten deutschen Nachschlagewerke
(von 1905) finde ich folgendes Urteil über diesen Künstler: „Lawrence malte
elegant, aber weichlich; seine Zeichnung hat etwas Schwächliches; sein Kolorit
ist unwahr und seine Charakteristik oberflächlich; auch fehlt seinen Darstellungen
die Mannigfaltigkeit." Ich möchte bezweifeln, ob dieser Richter Minos der Kunst¬
kritik Werke wie das Porträt des Mr. Angerstein im roten Jagdfrack und seiner
Gattin im Louvremuseum und die in Berlin ausgestellte, wahrhaft charmante
Miß Elizabeth Farren gesehen hat! Elegant sind diese typischen Verkörperungen
gepflegter und verwöhnter Gesellschaftsmenschen in der Tat, sehr elegant sogar.
Aber es ist beinahe ein Dogma geworden: Eleganz ist verboten; mir noch Cha¬
rakteristik und gute Malerei! Muß eines das andre ausschließen? Ohne jede
Aufdringlichkeit und doch mit der größten Schärfe ist ferner die Hervorhebung
charakteristischer Züge in dem freilich etwas bunten Porträt des „Reichs-, Hof-
und Staatskanzlers" Fürsten Metternich gelungen, das aus Schloß Johannis-
berg hergeliehen worden ist. Ein unvergeßlich geistreiches Abbild des Diplomaten.
Grcmdseigneurs und Kunstfreundes! Lächelnde Überlegenheit und die kühle Ruhe
des Weltmannes, etwas Eitelkeit und viel Reserviertheit. Lawrence stand gewch
nicht über seinen Modellen, er fühlte sich sehr wohl in vtmity tair, ließ sich
gut bezahlen und gern feiern (wie auf dem Wiener Kongreß). Das Wesentliche
ist. daß dieser Hofmaler in seinen guten Hervorbringungen ein sehr großer Maler
gewesen ist. und wir heute, die wir auf F. A. von Kaulbach und Fckp Laszlo
wahrlich nicht sonderlich stolz zu sein brauchen, sollten das lieber anerkennen,
als die weniger gelungner Bildnisse von Lawrence herausgreifen und an ehren
den „süßlichen Kitschmaler" exemplifizieren.

Der Erfolg der Berliner Ausstellung schien beim Publikum größer als ve,
den Kunstgelehrten. Einige Einwände sind hier formuliert worden, acht um
diese großen Geschmackswnstler. die die Engländer gewesen sind, zu verkleinern.


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[0539] Englische porträtkimst diesen Künstlern am stärksten durch eine zwar etwas trockne, aber sehr originelle Palette, durch die größere Schlichtheit des Empfindens und den Mangel an Pose, wenigstens bei den Bildern älterer Herrschaften Auch ist seine Darstellung des Landschaftlichen weniger von ältern Vorbildern abhängig, sie streift das Gobelinartige ab. das besonders den .Hintergründen Gainsboroughscher Bilder eigentümlich ist. und folgt einer fast impressionistischen Art des Sehens. Dabei ist es auffallend, daß dieser Herzensfreund Walter Scotts (den er in glänzender Weise porträtiert hat) durchaus nicht einer ..romantischen", sondern eher etwas nüchternen Naturbetrachtung huldigt. Wie denn jene gesteigerte, häufig un¬ wahre Empfindung Turnerscher Landschaften erst mit diesem so verschieden beur¬ teilten Künstler in England aufgekommen ist und so gut wie gar keine Nachfolge gefunden hat. Das Schlagwort von „kunsthistorischer Verbildung" schien mir wie gemünzt auf die Beurteilung, die auch in Berlin die vielleicht allzu glänzende Kunst von Thomas Lawrence gefunden hat. Lawrence hat zuviel gemalt, das ist seinem Rufe schädlich geworden. In einem der verbreiterten deutschen Nachschlagewerke (von 1905) finde ich folgendes Urteil über diesen Künstler: „Lawrence malte elegant, aber weichlich; seine Zeichnung hat etwas Schwächliches; sein Kolorit ist unwahr und seine Charakteristik oberflächlich; auch fehlt seinen Darstellungen die Mannigfaltigkeit." Ich möchte bezweifeln, ob dieser Richter Minos der Kunst¬ kritik Werke wie das Porträt des Mr. Angerstein im roten Jagdfrack und seiner Gattin im Louvremuseum und die in Berlin ausgestellte, wahrhaft charmante Miß Elizabeth Farren gesehen hat! Elegant sind diese typischen Verkörperungen gepflegter und verwöhnter Gesellschaftsmenschen in der Tat, sehr elegant sogar. Aber es ist beinahe ein Dogma geworden: Eleganz ist verboten; mir noch Cha¬ rakteristik und gute Malerei! Muß eines das andre ausschließen? Ohne jede Aufdringlichkeit und doch mit der größten Schärfe ist ferner die Hervorhebung charakteristischer Züge in dem freilich etwas bunten Porträt des „Reichs-, Hof- und Staatskanzlers" Fürsten Metternich gelungen, das aus Schloß Johannis- berg hergeliehen worden ist. Ein unvergeßlich geistreiches Abbild des Diplomaten. Grcmdseigneurs und Kunstfreundes! Lächelnde Überlegenheit und die kühle Ruhe des Weltmannes, etwas Eitelkeit und viel Reserviertheit. Lawrence stand gewch nicht über seinen Modellen, er fühlte sich sehr wohl in vtmity tair, ließ sich gut bezahlen und gern feiern (wie auf dem Wiener Kongreß). Das Wesentliche ist. daß dieser Hofmaler in seinen guten Hervorbringungen ein sehr großer Maler gewesen ist. und wir heute, die wir auf F. A. von Kaulbach und Fckp Laszlo wahrlich nicht sonderlich stolz zu sein brauchen, sollten das lieber anerkennen, als die weniger gelungner Bildnisse von Lawrence herausgreifen und an ehren den „süßlichen Kitschmaler" exemplifizieren. Der Erfolg der Berliner Ausstellung schien beim Publikum größer als ve, den Kunstgelehrten. Einige Einwände sind hier formuliert worden, acht um diese großen Geschmackswnstler. die die Engländer gewesen sind, zu verkleinern.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/539>, abgerufen am 29.06.2024.