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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Englische Porträtkunst

keit am stärksten überzeugten, verfolgt. Das Launige und sarkastische, das Tief¬
sinnige und sprudelnde, das Melancholische und Grillenhafte, lauter Züge, die
auch noch den großen englischen Prosaschriftstellern des achtzehnten Jahrhunderts
eigen sind, sind von dieser Bühne verbannt. Freilich, Hogarth, der Maler
Hogarth, den man solange höchst ungerechterweise hinter dem Moralisten zurück¬
stellte, fehlte in den Sälen der Akademie, er, der Älteste der großen Künstler
Englands, den Edmund Burke in seinem berühmten Nachrufe auf Reynolds
vergaß: "Er war der erste Engländer, der den Ruhm der schönen Künste der
Ehre und d'em Glnuze seines Vaterlands hinzufügte." So ist das Gesamtbild
der Ausstellung einseitig geworden, und auch die Vertretung der Landschafts¬
malerei durch wenige Stücke von Wilson, Constable und Turner konnte nicht
viel daran ändern, aber vielleicht beruhte gerade auf diesem Mangel der un¬
vergleichlich festliche, heitere und in seiner Art erhebende Eindruck, den die Ver-
anstaltung auf jeden unbefangne", nicht auf gewisse Kuustdogmen eingeschwornen
Besucher machen mußte.

Von Reynolds, dein außerordentlich vielseitig und bedeutend vertrctuen,
gibt es auch religiöse und mythologische Darstellungen; seinem Ruhm haben sie
wenig hinzugefügt. Immerhin, ihm war das Können eines Universellen eigen,
ob auch das Wollen, ist heilte nicht zu entscheiden. Dieses steht fest: die Gesell¬
schaft, eine im wesentlichen monarchisch-aristokratische und gut bürgerliche, bemächtigte
sich seiner reifen und klugen Kunst und machte ihn zu dem großen Bilduismaler,
der seinen Platz nicht neben, aber doch ganz nahe bei den alten Meistern, die
er so innig verehrte, behauptet. Und ebenso ists mit den andern. Gainsborough
hätte verhungern müssen, Hütte er sich auf die vou ihm so geliebte Landschafts-
malerei beschränkt. Unverkauft standen Werke dieser Gattung stapelweise an den
Wänden seines Ateliers, aber man riß sich auch um das bescheidenste Bildnis
von seiner Hand. Hoppner gar, die Romney, Raeburn und Lawrence sind aus¬
schließlich Spezialisten des Bildnisses. Eine ganz einzigartige Erscheinung in der
Kunstgeschichte! Denn alle diese Männer, Hoppner vielleicht ausgenommen,
waren reich genug, um auch auf audern Gebieten Vvllkvmmnes leisten zu können.
Sie entäußerten sich freiwillig ihres Besitzes und wurden reich, im ursprünglichen
Sinne des Wortes, indem sie geistig und künstlerisch doch schließlich verarmten.
Denn anch der größte Bewundrer dieser bezaubernden Kunst kann es sich nicht
verhehle", daß die sehr großen Vorzüge einer unendlich sichern malerischen Technik
anch die Schatten einer gefährlichen, weil rein-äußerlichen Virtuosität werfen.

Nichts wäre verkehrter, als der englischen Gesellschaft dieser Periode, die
erst mit dem Jahre 1830, dem Todesjahre von Thomas Lawrence schließt, einen
Vorwurf daraus zu machen. Wie stark und gefestigt mußte sie sich fühle", um
solche Herolde z" gewinnen und ihrem Dienst so ausschließlich zu erhalten. Hier
haben wir sie, die heute gerade bei uns in Deutschland so schmerzlich vermißte
Einheit zwischen Künstler und Auftraggeber! Die englische Kunstgeschichte weiß
kaum eine jeuer Anekdoten zu erzählen, an denen etwa die Hollands so reich


Englische Porträtkunst

keit am stärksten überzeugten, verfolgt. Das Launige und sarkastische, das Tief¬
sinnige und sprudelnde, das Melancholische und Grillenhafte, lauter Züge, die
auch noch den großen englischen Prosaschriftstellern des achtzehnten Jahrhunderts
eigen sind, sind von dieser Bühne verbannt. Freilich, Hogarth, der Maler
Hogarth, den man solange höchst ungerechterweise hinter dem Moralisten zurück¬
stellte, fehlte in den Sälen der Akademie, er, der Älteste der großen Künstler
Englands, den Edmund Burke in seinem berühmten Nachrufe auf Reynolds
vergaß: „Er war der erste Engländer, der den Ruhm der schönen Künste der
Ehre und d'em Glnuze seines Vaterlands hinzufügte." So ist das Gesamtbild
der Ausstellung einseitig geworden, und auch die Vertretung der Landschafts¬
malerei durch wenige Stücke von Wilson, Constable und Turner konnte nicht
viel daran ändern, aber vielleicht beruhte gerade auf diesem Mangel der un¬
vergleichlich festliche, heitere und in seiner Art erhebende Eindruck, den die Ver-
anstaltung auf jeden unbefangne«, nicht auf gewisse Kuustdogmen eingeschwornen
Besucher machen mußte.

Von Reynolds, dein außerordentlich vielseitig und bedeutend vertrctuen,
gibt es auch religiöse und mythologische Darstellungen; seinem Ruhm haben sie
wenig hinzugefügt. Immerhin, ihm war das Können eines Universellen eigen,
ob auch das Wollen, ist heilte nicht zu entscheiden. Dieses steht fest: die Gesell¬
schaft, eine im wesentlichen monarchisch-aristokratische und gut bürgerliche, bemächtigte
sich seiner reifen und klugen Kunst und machte ihn zu dem großen Bilduismaler,
der seinen Platz nicht neben, aber doch ganz nahe bei den alten Meistern, die
er so innig verehrte, behauptet. Und ebenso ists mit den andern. Gainsborough
hätte verhungern müssen, Hütte er sich auf die vou ihm so geliebte Landschafts-
malerei beschränkt. Unverkauft standen Werke dieser Gattung stapelweise an den
Wänden seines Ateliers, aber man riß sich auch um das bescheidenste Bildnis
von seiner Hand. Hoppner gar, die Romney, Raeburn und Lawrence sind aus¬
schließlich Spezialisten des Bildnisses. Eine ganz einzigartige Erscheinung in der
Kunstgeschichte! Denn alle diese Männer, Hoppner vielleicht ausgenommen,
waren reich genug, um auch auf audern Gebieten Vvllkvmmnes leisten zu können.
Sie entäußerten sich freiwillig ihres Besitzes und wurden reich, im ursprünglichen
Sinne des Wortes, indem sie geistig und künstlerisch doch schließlich verarmten.
Denn anch der größte Bewundrer dieser bezaubernden Kunst kann es sich nicht
verhehle», daß die sehr großen Vorzüge einer unendlich sichern malerischen Technik
anch die Schatten einer gefährlichen, weil rein-äußerlichen Virtuosität werfen.

Nichts wäre verkehrter, als der englischen Gesellschaft dieser Periode, die
erst mit dem Jahre 1830, dem Todesjahre von Thomas Lawrence schließt, einen
Vorwurf daraus zu machen. Wie stark und gefestigt mußte sie sich fühle», um
solche Herolde z» gewinnen und ihrem Dienst so ausschließlich zu erhalten. Hier
haben wir sie, die heute gerade bei uns in Deutschland so schmerzlich vermißte
Einheit zwischen Künstler und Auftraggeber! Die englische Kunstgeschichte weiß
kaum eine jeuer Anekdoten zu erzählen, an denen etwa die Hollands so reich


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[0536] Englische Porträtkunst keit am stärksten überzeugten, verfolgt. Das Launige und sarkastische, das Tief¬ sinnige und sprudelnde, das Melancholische und Grillenhafte, lauter Züge, die auch noch den großen englischen Prosaschriftstellern des achtzehnten Jahrhunderts eigen sind, sind von dieser Bühne verbannt. Freilich, Hogarth, der Maler Hogarth, den man solange höchst ungerechterweise hinter dem Moralisten zurück¬ stellte, fehlte in den Sälen der Akademie, er, der Älteste der großen Künstler Englands, den Edmund Burke in seinem berühmten Nachrufe auf Reynolds vergaß: „Er war der erste Engländer, der den Ruhm der schönen Künste der Ehre und d'em Glnuze seines Vaterlands hinzufügte." So ist das Gesamtbild der Ausstellung einseitig geworden, und auch die Vertretung der Landschafts¬ malerei durch wenige Stücke von Wilson, Constable und Turner konnte nicht viel daran ändern, aber vielleicht beruhte gerade auf diesem Mangel der un¬ vergleichlich festliche, heitere und in seiner Art erhebende Eindruck, den die Ver- anstaltung auf jeden unbefangne«, nicht auf gewisse Kuustdogmen eingeschwornen Besucher machen mußte. Von Reynolds, dein außerordentlich vielseitig und bedeutend vertrctuen, gibt es auch religiöse und mythologische Darstellungen; seinem Ruhm haben sie wenig hinzugefügt. Immerhin, ihm war das Können eines Universellen eigen, ob auch das Wollen, ist heilte nicht zu entscheiden. Dieses steht fest: die Gesell¬ schaft, eine im wesentlichen monarchisch-aristokratische und gut bürgerliche, bemächtigte sich seiner reifen und klugen Kunst und machte ihn zu dem großen Bilduismaler, der seinen Platz nicht neben, aber doch ganz nahe bei den alten Meistern, die er so innig verehrte, behauptet. Und ebenso ists mit den andern. Gainsborough hätte verhungern müssen, Hütte er sich auf die vou ihm so geliebte Landschafts- malerei beschränkt. Unverkauft standen Werke dieser Gattung stapelweise an den Wänden seines Ateliers, aber man riß sich auch um das bescheidenste Bildnis von seiner Hand. Hoppner gar, die Romney, Raeburn und Lawrence sind aus¬ schließlich Spezialisten des Bildnisses. Eine ganz einzigartige Erscheinung in der Kunstgeschichte! Denn alle diese Männer, Hoppner vielleicht ausgenommen, waren reich genug, um auch auf audern Gebieten Vvllkvmmnes leisten zu können. Sie entäußerten sich freiwillig ihres Besitzes und wurden reich, im ursprünglichen Sinne des Wortes, indem sie geistig und künstlerisch doch schließlich verarmten. Denn anch der größte Bewundrer dieser bezaubernden Kunst kann es sich nicht verhehle», daß die sehr großen Vorzüge einer unendlich sichern malerischen Technik anch die Schatten einer gefährlichen, weil rein-äußerlichen Virtuosität werfen. Nichts wäre verkehrter, als der englischen Gesellschaft dieser Periode, die erst mit dem Jahre 1830, dem Todesjahre von Thomas Lawrence schließt, einen Vorwurf daraus zu machen. Wie stark und gefestigt mußte sie sich fühle», um solche Herolde z» gewinnen und ihrem Dienst so ausschließlich zu erhalten. Hier haben wir sie, die heute gerade bei uns in Deutschland so schmerzlich vermißte Einheit zwischen Künstler und Auftraggeber! Die englische Kunstgeschichte weiß kaum eine jeuer Anekdoten zu erzählen, an denen etwa die Hollands so reich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/536>, abgerufen am 23.07.2024.