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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Verhältnis des Struth zur Kirche behandelt, das sich hier ganz anders ge¬
staltete als später im Westen nnter der Vorherrschaft des römischen Papsttums.
In Konstantinopel war und blieb die Kirche in Abhängigkeit vom Staate, der
fast die Formen des Cäsareopapismus annahm. Die Patriarchen der Hauptstadt
wurden ohne weiteres vom Kaiser ernannt. Auch darin unterschied sich Byzanz
vom Westen sehr stark, das; dort im Osten der Klerus keineswegs der einzige
Trüger literarischer Bildung war, sondern daß es auch eine rein weltliche
Bildung gab, die im Westen erst im später"? Mittelalter sehr allmählich neben
der kirchlichen emporkam.

Einen besondern Glanzpunkt in der Schilderung des byzantinischen Reiches
bildet natürlich das Zeitalter Justinians, jenes Kaisers, der in vollem Maße
die universalen Ideen des ehemaligen römischen Reiches wieder aufnahm und
sich namentlich durch seine Gesetzgebung einen Namen für alle Zeiten geschaffen
hat. Von dem hellen Lichte, das über seiner Regierung liegt, ist in der Dar¬
stellung Lindners ein wohl hier und da zu lichter Abglanz auf die gesamte
Geschichte des byzantinischen Reiches gefallen. Der Gesamtdarstellung ist das
insofern wieder zugute gekommen, als Lindner überhaupt den Schöpfungen der
orientalischen Kultur größeres Interesse und Verständnis entgegenbringt, als
es gemeinhin in universalhistorischen Schilderungen der Fall ist, die nur zu oft
den spätern Sieg der occidentalen Kultur auch auf die Darstellung der frühern
Perioden zurückwirken lassen. Seine auf die des byzantinischen Reiches folgenden
Schilderungen des neupersischen Reiches und namentlich des Islam zeigen das
in hervorragendem Grade. Namentlich ist die Darstellung der innern Zustande
des auf religiöser und kriegerischer Eroberung beruhenden Khalifenreiches eine
vortreffliche und in sich geschlossene Leistung. Die einheitliche, fest organisierte,
in mancher Hinsicht spätere Formen vorwegnehmende Verwaltung tritt uns in
anschaulichen Bildern vor Augen, die durch die Vergleiche mit den verwandten
Erscheinungen des byzantinischen Reiches noch lehrreicher gestaltet werden.
Kirchliche und weltliche Wissenschaft standen auch hier in verhältnismäßig großer
Selbständigkeit nebeneinander. Mit besondrer Vorliebe wird auch die moham¬
medanische Baukunst geschildert und das Urteil über sie in den Worten zu¬
sammengefaßt: "Wenn je in der Weltgeschichte, zeigt sich hier, was die gegenseitige
Befruchtung der Völker für die Menschheit zu bedeuten hat." Eben diese gegen¬
seitige Befruchtung in feindlichen wie freundlichen Berührungen hat er mit Recht
als eine der Hauptaufgaben seiner universalhistorischen Darstellung betrachtet.

Erst nach der Schilderung dieser am frühesten entwickelten orientalischen
Kulturen wendet sich Lindner nunmehr im dritten Buche des ersten Bandes
der weit später erst zu gleicher Höhe gedeihenden Entwicklung des Abendlandes
zu, das in den folgenden Jahrhunderten gegenüber der orientalischen Kultur
die führende Stellung gewinnen sollte. "Weder von dem oströmischen Reiche
noch vou dem Islam -- so sagt er Band I, Seite 263 -- ist die spätere Welt¬
kultur ausgegangen. Sie entfloß Ländern und Völkern, die damals hinter


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Verhältnis des Struth zur Kirche behandelt, das sich hier ganz anders ge¬
staltete als später im Westen nnter der Vorherrschaft des römischen Papsttums.
In Konstantinopel war und blieb die Kirche in Abhängigkeit vom Staate, der
fast die Formen des Cäsareopapismus annahm. Die Patriarchen der Hauptstadt
wurden ohne weiteres vom Kaiser ernannt. Auch darin unterschied sich Byzanz
vom Westen sehr stark, das; dort im Osten der Klerus keineswegs der einzige
Trüger literarischer Bildung war, sondern daß es auch eine rein weltliche
Bildung gab, die im Westen erst im später»? Mittelalter sehr allmählich neben
der kirchlichen emporkam.

Einen besondern Glanzpunkt in der Schilderung des byzantinischen Reiches
bildet natürlich das Zeitalter Justinians, jenes Kaisers, der in vollem Maße
die universalen Ideen des ehemaligen römischen Reiches wieder aufnahm und
sich namentlich durch seine Gesetzgebung einen Namen für alle Zeiten geschaffen
hat. Von dem hellen Lichte, das über seiner Regierung liegt, ist in der Dar¬
stellung Lindners ein wohl hier und da zu lichter Abglanz auf die gesamte
Geschichte des byzantinischen Reiches gefallen. Der Gesamtdarstellung ist das
insofern wieder zugute gekommen, als Lindner überhaupt den Schöpfungen der
orientalischen Kultur größeres Interesse und Verständnis entgegenbringt, als
es gemeinhin in universalhistorischen Schilderungen der Fall ist, die nur zu oft
den spätern Sieg der occidentalen Kultur auch auf die Darstellung der frühern
Perioden zurückwirken lassen. Seine auf die des byzantinischen Reiches folgenden
Schilderungen des neupersischen Reiches und namentlich des Islam zeigen das
in hervorragendem Grade. Namentlich ist die Darstellung der innern Zustande
des auf religiöser und kriegerischer Eroberung beruhenden Khalifenreiches eine
vortreffliche und in sich geschlossene Leistung. Die einheitliche, fest organisierte,
in mancher Hinsicht spätere Formen vorwegnehmende Verwaltung tritt uns in
anschaulichen Bildern vor Augen, die durch die Vergleiche mit den verwandten
Erscheinungen des byzantinischen Reiches noch lehrreicher gestaltet werden.
Kirchliche und weltliche Wissenschaft standen auch hier in verhältnismäßig großer
Selbständigkeit nebeneinander. Mit besondrer Vorliebe wird auch die moham¬
medanische Baukunst geschildert und das Urteil über sie in den Worten zu¬
sammengefaßt: „Wenn je in der Weltgeschichte, zeigt sich hier, was die gegenseitige
Befruchtung der Völker für die Menschheit zu bedeuten hat." Eben diese gegen¬
seitige Befruchtung in feindlichen wie freundlichen Berührungen hat er mit Recht
als eine der Hauptaufgaben seiner universalhistorischen Darstellung betrachtet.

Erst nach der Schilderung dieser am frühesten entwickelten orientalischen
Kulturen wendet sich Lindner nunmehr im dritten Buche des ersten Bandes
der weit später erst zu gleicher Höhe gedeihenden Entwicklung des Abendlandes
zu, das in den folgenden Jahrhunderten gegenüber der orientalischen Kultur
die führende Stellung gewinnen sollte. „Weder von dem oströmischen Reiche
noch vou dem Islam — so sagt er Band I, Seite 263 — ist die spätere Welt¬
kultur ausgegangen. Sie entfloß Ländern und Völkern, die damals hinter


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[0470] Thcodm' «-aduers !vcltges.hichio Verhältnis des Struth zur Kirche behandelt, das sich hier ganz anders ge¬ staltete als später im Westen nnter der Vorherrschaft des römischen Papsttums. In Konstantinopel war und blieb die Kirche in Abhängigkeit vom Staate, der fast die Formen des Cäsareopapismus annahm. Die Patriarchen der Hauptstadt wurden ohne weiteres vom Kaiser ernannt. Auch darin unterschied sich Byzanz vom Westen sehr stark, das; dort im Osten der Klerus keineswegs der einzige Trüger literarischer Bildung war, sondern daß es auch eine rein weltliche Bildung gab, die im Westen erst im später»? Mittelalter sehr allmählich neben der kirchlichen emporkam. Einen besondern Glanzpunkt in der Schilderung des byzantinischen Reiches bildet natürlich das Zeitalter Justinians, jenes Kaisers, der in vollem Maße die universalen Ideen des ehemaligen römischen Reiches wieder aufnahm und sich namentlich durch seine Gesetzgebung einen Namen für alle Zeiten geschaffen hat. Von dem hellen Lichte, das über seiner Regierung liegt, ist in der Dar¬ stellung Lindners ein wohl hier und da zu lichter Abglanz auf die gesamte Geschichte des byzantinischen Reiches gefallen. Der Gesamtdarstellung ist das insofern wieder zugute gekommen, als Lindner überhaupt den Schöpfungen der orientalischen Kultur größeres Interesse und Verständnis entgegenbringt, als es gemeinhin in universalhistorischen Schilderungen der Fall ist, die nur zu oft den spätern Sieg der occidentalen Kultur auch auf die Darstellung der frühern Perioden zurückwirken lassen. Seine auf die des byzantinischen Reiches folgenden Schilderungen des neupersischen Reiches und namentlich des Islam zeigen das in hervorragendem Grade. Namentlich ist die Darstellung der innern Zustande des auf religiöser und kriegerischer Eroberung beruhenden Khalifenreiches eine vortreffliche und in sich geschlossene Leistung. Die einheitliche, fest organisierte, in mancher Hinsicht spätere Formen vorwegnehmende Verwaltung tritt uns in anschaulichen Bildern vor Augen, die durch die Vergleiche mit den verwandten Erscheinungen des byzantinischen Reiches noch lehrreicher gestaltet werden. Kirchliche und weltliche Wissenschaft standen auch hier in verhältnismäßig großer Selbständigkeit nebeneinander. Mit besondrer Vorliebe wird auch die moham¬ medanische Baukunst geschildert und das Urteil über sie in den Worten zu¬ sammengefaßt: „Wenn je in der Weltgeschichte, zeigt sich hier, was die gegenseitige Befruchtung der Völker für die Menschheit zu bedeuten hat." Eben diese gegen¬ seitige Befruchtung in feindlichen wie freundlichen Berührungen hat er mit Recht als eine der Hauptaufgaben seiner universalhistorischen Darstellung betrachtet. Erst nach der Schilderung dieser am frühesten entwickelten orientalischen Kulturen wendet sich Lindner nunmehr im dritten Buche des ersten Bandes der weit später erst zu gleicher Höhe gedeihenden Entwicklung des Abendlandes zu, das in den folgenden Jahrhunderten gegenüber der orientalischen Kultur die führende Stellung gewinnen sollte. „Weder von dem oströmischen Reiche noch vou dem Islam — so sagt er Band I, Seite 263 — ist die spätere Welt¬ kultur ausgegangen. Sie entfloß Ländern und Völkern, die damals hinter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/470>, abgerufen am 24.08.2024.