Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die großen Heeresreformen in Frankreich

zu diesem Ziel soll durch Errichtung von Applikationsschulen für alle Offiziere
jedweder Herkunft nach Waffengattungen geteilt und durch Umformung der
Schule vou Se. Cyr gebildet werden, die bis zu dieser Stunde als die Pflanz¬
stätte des Ofsiziernachwuchses ausschließlich der gebildeten Stände angesehen
wird. Mit andern Worten, es werden Schulen eingerichtet werden, in denen
nicht uur die aus dem Unteroffizicrstande hervorgegangnen Offizieranwärter,
die die Schulen von Saint Maixent (Infanterie), Saumur (Kavallerie) und
von Versailles (Artillerie, Genie und Train) besucht haben, Aufnahme finden,
sondern auch die Schüler von Se. Cyr und Saumur. Von diesem Zeitpunkt
an, der vorläufig für das Jahr 1909 in Aussicht genommen ist, wird alsdann
Se. Cyr nur noch den angehenden Jnfanterieoffizieren offen stehn. Über den
Lehrplan auf den Applikationsschulen liegen noch keine nähern Angaben vor. Nur
so viel steht schou fest, daß der Kursus von einjähriger Dauer sein wird, und
daß das Programm und die Anforderungen auf allen Schulen übereinstimmend
dieselben sein sollen; die erreichten Leistungen entscheiden dann über das
Dienstalter aller jungen Leutnants, gleichgiltig, ob sie aus dem Unteroffizier¬
stande oder aus den höhern Schulen hervorgegangen sind. Da es nun aber
sehr schwer sein würde, diese weitumfassende Reform für die Schaffung eines
einheitlichen Offizierkorps mit einem Schlage durchzuführen, insbesondre soweit
Se. Cyr in Frage kommt, so sieht das Kadergesetz, um einen Übergang zu
schaffen, schou für jetzt eine Umgestaltung dieser Schule vor. Nach deu neuen
Statuten soll die frühere Einteilung der Militärschüler der Infanterie in Ba¬
taillone und Kompagnien aufhören, und an ihre Stelle die Gliederung in
drei Brigaden treten, die je von einem Hauptmann befehligt werden; jede Bri¬
gade wiederum zerfällt in drei Abteilungen, an deren Spitze je ein Jnstruktious-
lentnant steht. Auch die Schwadron, worin die der Kavallerie angehörenden
Zöglinge jetzt eingestellt werden, soll fallen gelassen und wie für die Jnfcmterie-
schüler durch die Einteilung in eine Brigade ersetzt werden. Den Jnstruktions-
leutnants liegt zunächst ob, die militärische Ausbildung der ihnen unterstellten
Zöglinge zu leiten, außerdem aber müssen sie selbst an den allgemeinen Jn-
struktionskursen für das Lehrpersonal teilnehmen. Da nun die jungen Offizier¬
anwärter nach dem Gesetz über die zweijährige Dienstzeit vom 31. März 1905
schon durch einen einjährigen Dienst bei der Truppe vorgebildet sind, ehe sie
nach Se. Cyr einberufen werden, fällt hier jetzt bei der militärischen Ausbildung
das Exerzieren in Reih und Glied usw. ganz weg. An seine Stelle treten
nur praktische Übungen, die aus den Zöglingen Lehrer und Offiziere und nicht
Soldaten wie früher machen sollen. Der Aufenthalt in Se. Cyr soll in Zu¬
kunft nur auf ein Jahr bemessen werden, worauf die Anwärter nach bestandner
Prüfung zu Unterleutnants befördert werden. Infolge dieser Zeitverkürzung
um ein Jahr für die Gesamtausbildung hat natürlich auch das Lehrprogramm
von Grund auf geändert werden müssen; es ist vereinfacht und verkürzt worden
entsprechend den Zielen, die in einem Jahr erreicht werden sollen.


Die großen Heeresreformen in Frankreich

zu diesem Ziel soll durch Errichtung von Applikationsschulen für alle Offiziere
jedweder Herkunft nach Waffengattungen geteilt und durch Umformung der
Schule vou Se. Cyr gebildet werden, die bis zu dieser Stunde als die Pflanz¬
stätte des Ofsiziernachwuchses ausschließlich der gebildeten Stände angesehen
wird. Mit andern Worten, es werden Schulen eingerichtet werden, in denen
nicht uur die aus dem Unteroffizicrstande hervorgegangnen Offizieranwärter,
die die Schulen von Saint Maixent (Infanterie), Saumur (Kavallerie) und
von Versailles (Artillerie, Genie und Train) besucht haben, Aufnahme finden,
sondern auch die Schüler von Se. Cyr und Saumur. Von diesem Zeitpunkt
an, der vorläufig für das Jahr 1909 in Aussicht genommen ist, wird alsdann
Se. Cyr nur noch den angehenden Jnfanterieoffizieren offen stehn. Über den
Lehrplan auf den Applikationsschulen liegen noch keine nähern Angaben vor. Nur
so viel steht schou fest, daß der Kursus von einjähriger Dauer sein wird, und
daß das Programm und die Anforderungen auf allen Schulen übereinstimmend
dieselben sein sollen; die erreichten Leistungen entscheiden dann über das
Dienstalter aller jungen Leutnants, gleichgiltig, ob sie aus dem Unteroffizier¬
stande oder aus den höhern Schulen hervorgegangen sind. Da es nun aber
sehr schwer sein würde, diese weitumfassende Reform für die Schaffung eines
einheitlichen Offizierkorps mit einem Schlage durchzuführen, insbesondre soweit
Se. Cyr in Frage kommt, so sieht das Kadergesetz, um einen Übergang zu
schaffen, schou für jetzt eine Umgestaltung dieser Schule vor. Nach deu neuen
Statuten soll die frühere Einteilung der Militärschüler der Infanterie in Ba¬
taillone und Kompagnien aufhören, und an ihre Stelle die Gliederung in
drei Brigaden treten, die je von einem Hauptmann befehligt werden; jede Bri¬
gade wiederum zerfällt in drei Abteilungen, an deren Spitze je ein Jnstruktious-
lentnant steht. Auch die Schwadron, worin die der Kavallerie angehörenden
Zöglinge jetzt eingestellt werden, soll fallen gelassen und wie für die Jnfcmterie-
schüler durch die Einteilung in eine Brigade ersetzt werden. Den Jnstruktions-
leutnants liegt zunächst ob, die militärische Ausbildung der ihnen unterstellten
Zöglinge zu leiten, außerdem aber müssen sie selbst an den allgemeinen Jn-
struktionskursen für das Lehrpersonal teilnehmen. Da nun die jungen Offizier¬
anwärter nach dem Gesetz über die zweijährige Dienstzeit vom 31. März 1905
schon durch einen einjährigen Dienst bei der Truppe vorgebildet sind, ehe sie
nach Se. Cyr einberufen werden, fällt hier jetzt bei der militärischen Ausbildung
das Exerzieren in Reih und Glied usw. ganz weg. An seine Stelle treten
nur praktische Übungen, die aus den Zöglingen Lehrer und Offiziere und nicht
Soldaten wie früher machen sollen. Der Aufenthalt in Se. Cyr soll in Zu¬
kunft nur auf ein Jahr bemessen werden, worauf die Anwärter nach bestandner
Prüfung zu Unterleutnants befördert werden. Infolge dieser Zeitverkürzung
um ein Jahr für die Gesamtausbildung hat natürlich auch das Lehrprogramm
von Grund auf geändert werden müssen; es ist vereinfacht und verkürzt worden
entsprechend den Zielen, die in einem Jahr erreicht werden sollen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0460" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/311541"/>
          <fw type="header" place="top"> Die großen Heeresreformen in Frankreich</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2207" prev="#ID_2206"> zu diesem Ziel soll durch Errichtung von Applikationsschulen für alle Offiziere<lb/>
jedweder Herkunft nach Waffengattungen geteilt und durch Umformung der<lb/>
Schule vou Se. Cyr gebildet werden, die bis zu dieser Stunde als die Pflanz¬<lb/>
stätte des Ofsiziernachwuchses ausschließlich der gebildeten Stände angesehen<lb/>
wird. Mit andern Worten, es werden Schulen eingerichtet werden, in denen<lb/>
nicht uur die aus dem Unteroffizicrstande hervorgegangnen Offizieranwärter,<lb/>
die die Schulen von Saint Maixent (Infanterie), Saumur (Kavallerie) und<lb/>
von Versailles (Artillerie, Genie und Train) besucht haben, Aufnahme finden,<lb/>
sondern auch die Schüler von Se. Cyr und Saumur. Von diesem Zeitpunkt<lb/>
an, der vorläufig für das Jahr 1909 in Aussicht genommen ist, wird alsdann<lb/>
Se. Cyr nur noch den angehenden Jnfanterieoffizieren offen stehn. Über den<lb/>
Lehrplan auf den Applikationsschulen liegen noch keine nähern Angaben vor. Nur<lb/>
so viel steht schou fest, daß der Kursus von einjähriger Dauer sein wird, und<lb/>
daß das Programm und die Anforderungen auf allen Schulen übereinstimmend<lb/>
dieselben sein sollen; die erreichten Leistungen entscheiden dann über das<lb/>
Dienstalter aller jungen Leutnants, gleichgiltig, ob sie aus dem Unteroffizier¬<lb/>
stande oder aus den höhern Schulen hervorgegangen sind. Da es nun aber<lb/>
sehr schwer sein würde, diese weitumfassende Reform für die Schaffung eines<lb/>
einheitlichen Offizierkorps mit einem Schlage durchzuführen, insbesondre soweit<lb/>
Se. Cyr in Frage kommt, so sieht das Kadergesetz, um einen Übergang zu<lb/>
schaffen, schou für jetzt eine Umgestaltung dieser Schule vor. Nach deu neuen<lb/>
Statuten soll die frühere Einteilung der Militärschüler der Infanterie in Ba¬<lb/>
taillone und Kompagnien aufhören, und an ihre Stelle die Gliederung in<lb/>
drei Brigaden treten, die je von einem Hauptmann befehligt werden; jede Bri¬<lb/>
gade wiederum zerfällt in drei Abteilungen, an deren Spitze je ein Jnstruktious-<lb/>
lentnant steht. Auch die Schwadron, worin die der Kavallerie angehörenden<lb/>
Zöglinge jetzt eingestellt werden, soll fallen gelassen und wie für die Jnfcmterie-<lb/>
schüler durch die Einteilung in eine Brigade ersetzt werden. Den Jnstruktions-<lb/>
leutnants liegt zunächst ob, die militärische Ausbildung der ihnen unterstellten<lb/>
Zöglinge zu leiten, außerdem aber müssen sie selbst an den allgemeinen Jn-<lb/>
struktionskursen für das Lehrpersonal teilnehmen. Da nun die jungen Offizier¬<lb/>
anwärter nach dem Gesetz über die zweijährige Dienstzeit vom 31. März 1905<lb/>
schon durch einen einjährigen Dienst bei der Truppe vorgebildet sind, ehe sie<lb/>
nach Se. Cyr einberufen werden, fällt hier jetzt bei der militärischen Ausbildung<lb/>
das Exerzieren in Reih und Glied usw. ganz weg. An seine Stelle treten<lb/>
nur praktische Übungen, die aus den Zöglingen Lehrer und Offiziere und nicht<lb/>
Soldaten wie früher machen sollen. Der Aufenthalt in Se. Cyr soll in Zu¬<lb/>
kunft nur auf ein Jahr bemessen werden, worauf die Anwärter nach bestandner<lb/>
Prüfung zu Unterleutnants befördert werden. Infolge dieser Zeitverkürzung<lb/>
um ein Jahr für die Gesamtausbildung hat natürlich auch das Lehrprogramm<lb/>
von Grund auf geändert werden müssen; es ist vereinfacht und verkürzt worden<lb/>
entsprechend den Zielen, die in einem Jahr erreicht werden sollen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0460] Die großen Heeresreformen in Frankreich zu diesem Ziel soll durch Errichtung von Applikationsschulen für alle Offiziere jedweder Herkunft nach Waffengattungen geteilt und durch Umformung der Schule vou Se. Cyr gebildet werden, die bis zu dieser Stunde als die Pflanz¬ stätte des Ofsiziernachwuchses ausschließlich der gebildeten Stände angesehen wird. Mit andern Worten, es werden Schulen eingerichtet werden, in denen nicht uur die aus dem Unteroffizicrstande hervorgegangnen Offizieranwärter, die die Schulen von Saint Maixent (Infanterie), Saumur (Kavallerie) und von Versailles (Artillerie, Genie und Train) besucht haben, Aufnahme finden, sondern auch die Schüler von Se. Cyr und Saumur. Von diesem Zeitpunkt an, der vorläufig für das Jahr 1909 in Aussicht genommen ist, wird alsdann Se. Cyr nur noch den angehenden Jnfanterieoffizieren offen stehn. Über den Lehrplan auf den Applikationsschulen liegen noch keine nähern Angaben vor. Nur so viel steht schou fest, daß der Kursus von einjähriger Dauer sein wird, und daß das Programm und die Anforderungen auf allen Schulen übereinstimmend dieselben sein sollen; die erreichten Leistungen entscheiden dann über das Dienstalter aller jungen Leutnants, gleichgiltig, ob sie aus dem Unteroffizier¬ stande oder aus den höhern Schulen hervorgegangen sind. Da es nun aber sehr schwer sein würde, diese weitumfassende Reform für die Schaffung eines einheitlichen Offizierkorps mit einem Schlage durchzuführen, insbesondre soweit Se. Cyr in Frage kommt, so sieht das Kadergesetz, um einen Übergang zu schaffen, schou für jetzt eine Umgestaltung dieser Schule vor. Nach deu neuen Statuten soll die frühere Einteilung der Militärschüler der Infanterie in Ba¬ taillone und Kompagnien aufhören, und an ihre Stelle die Gliederung in drei Brigaden treten, die je von einem Hauptmann befehligt werden; jede Bri¬ gade wiederum zerfällt in drei Abteilungen, an deren Spitze je ein Jnstruktious- lentnant steht. Auch die Schwadron, worin die der Kavallerie angehörenden Zöglinge jetzt eingestellt werden, soll fallen gelassen und wie für die Jnfcmterie- schüler durch die Einteilung in eine Brigade ersetzt werden. Den Jnstruktions- leutnants liegt zunächst ob, die militärische Ausbildung der ihnen unterstellten Zöglinge zu leiten, außerdem aber müssen sie selbst an den allgemeinen Jn- struktionskursen für das Lehrpersonal teilnehmen. Da nun die jungen Offizier¬ anwärter nach dem Gesetz über die zweijährige Dienstzeit vom 31. März 1905 schon durch einen einjährigen Dienst bei der Truppe vorgebildet sind, ehe sie nach Se. Cyr einberufen werden, fällt hier jetzt bei der militärischen Ausbildung das Exerzieren in Reih und Glied usw. ganz weg. An seine Stelle treten nur praktische Übungen, die aus den Zöglingen Lehrer und Offiziere und nicht Soldaten wie früher machen sollen. Der Aufenthalt in Se. Cyr soll in Zu¬ kunft nur auf ein Jahr bemessen werden, worauf die Anwärter nach bestandner Prüfung zu Unterleutnants befördert werden. Infolge dieser Zeitverkürzung um ein Jahr für die Gesamtausbildung hat natürlich auch das Lehrprogramm von Grund auf geändert werden müssen; es ist vereinfacht und verkürzt worden entsprechend den Zielen, die in einem Jahr erreicht werden sollen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/460
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/460>, abgerufen am 02.10.2024.