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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Zunächst dienen die Reservisten in Frankreich, wie bei uns, zur Er¬
gänzung der Truppen des stehenden Heeres. Danach sollten an Reserveinfanterie¬
formationen bisher 145 Regimenter aufgestellt werden, und rin dieser Zahl
wird man vermutlich auch fernerhin zu rechnen haben. Aus ihnen und Reserve¬
truppen der andern Waffen werden Reservedivisionen zusammengestellt, die man
sich auf die mobilen Armeekorps verteilt denken muß.

Der im Augenblick zumal bei der Infanterie noch bestehende Mangel an
Reserveoffizieren soll, so wird gehofft, infolge des Wehrgesetzes von 1905 mit
der Zeit aufhören; bis dies geschehn sein wird, soll er durch Heranziehung
ehemaliger aktiver Unteroffiziere sowie von Reserveunteroffizieren und andern
geeigneten jungen Leute" gedeckt werden.

Für die Territorialarmee (Titel III des Gesetzentwurfs) stehn sechs Jahr¬
gänge Territorialer (etwa unsrer Landwehr zweiten Aufgebots entsprechend) und
sechs Jahrgänge von der "Reserve der Territorialarmee" zur Verfügung. Diese
entsprechen den sechs Jahresklassen unsers Landstnrms zweiten Aufgebots, die
Territorialtruppen überhaupt also unsern Landwehr- und Laudsturmformationeu.
Jede der 145 "subdivisions" (Teile von Armeekvrpsbezirken) stellt ein
Territorialinfanterieregiment auf, das in der Regel 3 Bataillone umfaßt, aber
auch viel stärker sein kann. Außerdem werden noch Territorialzuaven- und
Jägerbataillone gebildet. Jeder Korpsbezirk formiert je nach der verfügbaren
Zahl von Mannschaften und Pferden mehrere Eskadrons und Batterie" der
Territorialarmee, ferner 1 Geniebataillon und 1 Traineskadron. Was die
Offiziere der Territorialarmee anlangt, so gilt hier das bei den Reserve¬
truppen gesagte.

Ein großer Vorteil der französischen Organisation besteht darin, daß die
Offizierkorps der Reserve- und Territorialtruppen nicht, wie bei uns, nur in
Mobilmachungsranglisten auf dem Papier stehn, sondern im Frieden tatsächlich
gebildet sind und ihre ständigen Kommandcure haben. Die Kommandeure der
Territorialregimenter zum Beispiel -- verabschiedete Stabsoffiziere des aktiven
Heeres -- lernen ihre Offiziere schon im Frieden persönlich kennen und haben
bei den Übungen wie außerhalb dieser Zeit Gelegenheit, auf deren militärische
Ausbildung einzuwirken.

Die Einzelheiten von Interesse aus dem neuen französischen Militärgesetze
beziehen sich aber nicht allein auf die hier besprochnen Reformen der Truppen-
eiuheiten und die damit verbundnen Veränderungen in der Zusammensetzung
der Stäbe, der Zentralbehörden, des Generalstabs, der Intendantur, des
Sanitätskorps usw., sondern sie erstrecken sich insonderheit auch auf die Re¬
organisation des gesamten Militärerziehungs- und Bildungswesens. Diese
Reform erscheint von ausschlaggebender Bedeutung, weil sie auf dem demo¬
kratischen Prinzip aufgebaut ist, das immer festern Fuß in Frankreich faßt und
alle staatlichen Einrichtungen und Gesetze beherrschend, für das Offizierkorps
das längst ersehnte Ziel einer und6 ä'onUiiö zu erreichen hofft. Der Weg


Zunächst dienen die Reservisten in Frankreich, wie bei uns, zur Er¬
gänzung der Truppen des stehenden Heeres. Danach sollten an Reserveinfanterie¬
formationen bisher 145 Regimenter aufgestellt werden, und rin dieser Zahl
wird man vermutlich auch fernerhin zu rechnen haben. Aus ihnen und Reserve¬
truppen der andern Waffen werden Reservedivisionen zusammengestellt, die man
sich auf die mobilen Armeekorps verteilt denken muß.

Der im Augenblick zumal bei der Infanterie noch bestehende Mangel an
Reserveoffizieren soll, so wird gehofft, infolge des Wehrgesetzes von 1905 mit
der Zeit aufhören; bis dies geschehn sein wird, soll er durch Heranziehung
ehemaliger aktiver Unteroffiziere sowie von Reserveunteroffizieren und andern
geeigneten jungen Leute» gedeckt werden.

Für die Territorialarmee (Titel III des Gesetzentwurfs) stehn sechs Jahr¬
gänge Territorialer (etwa unsrer Landwehr zweiten Aufgebots entsprechend) und
sechs Jahrgänge von der „Reserve der Territorialarmee" zur Verfügung. Diese
entsprechen den sechs Jahresklassen unsers Landstnrms zweiten Aufgebots, die
Territorialtruppen überhaupt also unsern Landwehr- und Laudsturmformationeu.
Jede der 145 „subdivisions" (Teile von Armeekvrpsbezirken) stellt ein
Territorialinfanterieregiment auf, das in der Regel 3 Bataillone umfaßt, aber
auch viel stärker sein kann. Außerdem werden noch Territorialzuaven- und
Jägerbataillone gebildet. Jeder Korpsbezirk formiert je nach der verfügbaren
Zahl von Mannschaften und Pferden mehrere Eskadrons und Batterie» der
Territorialarmee, ferner 1 Geniebataillon und 1 Traineskadron. Was die
Offiziere der Territorialarmee anlangt, so gilt hier das bei den Reserve¬
truppen gesagte.

Ein großer Vorteil der französischen Organisation besteht darin, daß die
Offizierkorps der Reserve- und Territorialtruppen nicht, wie bei uns, nur in
Mobilmachungsranglisten auf dem Papier stehn, sondern im Frieden tatsächlich
gebildet sind und ihre ständigen Kommandcure haben. Die Kommandeure der
Territorialregimenter zum Beispiel — verabschiedete Stabsoffiziere des aktiven
Heeres — lernen ihre Offiziere schon im Frieden persönlich kennen und haben
bei den Übungen wie außerhalb dieser Zeit Gelegenheit, auf deren militärische
Ausbildung einzuwirken.

Die Einzelheiten von Interesse aus dem neuen französischen Militärgesetze
beziehen sich aber nicht allein auf die hier besprochnen Reformen der Truppen-
eiuheiten und die damit verbundnen Veränderungen in der Zusammensetzung
der Stäbe, der Zentralbehörden, des Generalstabs, der Intendantur, des
Sanitätskorps usw., sondern sie erstrecken sich insonderheit auch auf die Re¬
organisation des gesamten Militärerziehungs- und Bildungswesens. Diese
Reform erscheint von ausschlaggebender Bedeutung, weil sie auf dem demo¬
kratischen Prinzip aufgebaut ist, das immer festern Fuß in Frankreich faßt und
alle staatlichen Einrichtungen und Gesetze beherrschend, für das Offizierkorps
das längst ersehnte Ziel einer und6 ä'onUiiö zu erreichen hofft. Der Weg


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[0459] Zunächst dienen die Reservisten in Frankreich, wie bei uns, zur Er¬ gänzung der Truppen des stehenden Heeres. Danach sollten an Reserveinfanterie¬ formationen bisher 145 Regimenter aufgestellt werden, und rin dieser Zahl wird man vermutlich auch fernerhin zu rechnen haben. Aus ihnen und Reserve¬ truppen der andern Waffen werden Reservedivisionen zusammengestellt, die man sich auf die mobilen Armeekorps verteilt denken muß. Der im Augenblick zumal bei der Infanterie noch bestehende Mangel an Reserveoffizieren soll, so wird gehofft, infolge des Wehrgesetzes von 1905 mit der Zeit aufhören; bis dies geschehn sein wird, soll er durch Heranziehung ehemaliger aktiver Unteroffiziere sowie von Reserveunteroffizieren und andern geeigneten jungen Leute» gedeckt werden. Für die Territorialarmee (Titel III des Gesetzentwurfs) stehn sechs Jahr¬ gänge Territorialer (etwa unsrer Landwehr zweiten Aufgebots entsprechend) und sechs Jahrgänge von der „Reserve der Territorialarmee" zur Verfügung. Diese entsprechen den sechs Jahresklassen unsers Landstnrms zweiten Aufgebots, die Territorialtruppen überhaupt also unsern Landwehr- und Laudsturmformationeu. Jede der 145 „subdivisions" (Teile von Armeekvrpsbezirken) stellt ein Territorialinfanterieregiment auf, das in der Regel 3 Bataillone umfaßt, aber auch viel stärker sein kann. Außerdem werden noch Territorialzuaven- und Jägerbataillone gebildet. Jeder Korpsbezirk formiert je nach der verfügbaren Zahl von Mannschaften und Pferden mehrere Eskadrons und Batterie» der Territorialarmee, ferner 1 Geniebataillon und 1 Traineskadron. Was die Offiziere der Territorialarmee anlangt, so gilt hier das bei den Reserve¬ truppen gesagte. Ein großer Vorteil der französischen Organisation besteht darin, daß die Offizierkorps der Reserve- und Territorialtruppen nicht, wie bei uns, nur in Mobilmachungsranglisten auf dem Papier stehn, sondern im Frieden tatsächlich gebildet sind und ihre ständigen Kommandcure haben. Die Kommandeure der Territorialregimenter zum Beispiel — verabschiedete Stabsoffiziere des aktiven Heeres — lernen ihre Offiziere schon im Frieden persönlich kennen und haben bei den Übungen wie außerhalb dieser Zeit Gelegenheit, auf deren militärische Ausbildung einzuwirken. Die Einzelheiten von Interesse aus dem neuen französischen Militärgesetze beziehen sich aber nicht allein auf die hier besprochnen Reformen der Truppen- eiuheiten und die damit verbundnen Veränderungen in der Zusammensetzung der Stäbe, der Zentralbehörden, des Generalstabs, der Intendantur, des Sanitätskorps usw., sondern sie erstrecken sich insonderheit auch auf die Re¬ organisation des gesamten Militärerziehungs- und Bildungswesens. Diese Reform erscheint von ausschlaggebender Bedeutung, weil sie auf dem demo¬ kratischen Prinzip aufgebaut ist, das immer festern Fuß in Frankreich faßt und alle staatlichen Einrichtungen und Gesetze beherrschend, für das Offizierkorps das längst ersehnte Ziel einer und6 ä'onUiiö zu erreichen hofft. Der Weg

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/459>, abgerufen am 24.08.2024.