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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Uolouiale Lingebornenpolitil' und Arbi-iterfrugv

beziehen, von dein Nachfolger des Bezirkschefs nicht ohne weiteres aufgehoben
werden dürfen, wie dies zum Schaden des Ansehens der Beamten leider vielfach
geschehen ist. In dieser Beziehung ist der Neger überaus feinfühlig. Überhaupt
muß er unbedingt das Gefühl haben, daß der Weiße immer der Herr ist, ob er
Uniform trügt oder nicht. Eine gerechte Behandlung und ein wohlwollendes
Eingehen auf seine kleinen Interessen werden das übrige tun.

Alle diese Vorschläge sind vornehmlich auf ostafrikanische Verhältnisse zu¬
geschnitten, wären sinngemäß aber auch in den andern Kolonien zu verwenden.

Von mancher Seite ist in neuerer Zeit die Einfuhr von chinesischen Arbeitern
"ach Ostafrika empfohlen worden. Dem muß vorläufig mit Entschiedenheit
widersprochen werden. Ehe wir ein neues fremdes Element in unsre Kolonien
einlassen, sollten wir lieber alles daran setzen, die Eingebornen zur Arbeit heran¬
zuziehen. In einem milden Arbeitszwang ist sicherlich nichts verwerfliches
zu finden, sondern eher ein tieferes soziales Verständnis für den Neger. Denn
in dem Chinesen, dem Arbeiter par sxc,sUev.<ze, erwächst ihm ein unbedingt über¬
legner Konkurrent. Über die Chineseneinfuhr ließe sich höchstens in der Form
reden, daß die Chinesen die Arbeit an den Eisenbahnen übernehmen, falls ver-
schiedne Linien zugleich gebaut werden sollten. Die Eingebornen Hütten dann
die Arbeit auf den Plantagen zu leisten, damit die landwirtschaftliche Erschließung
nicht ins Stocken gerät. Voraussetzung wäre, daß die Chinesen von den Ein¬
gebornen getrennt und sofort nach Beendigung der Bahnbauten wieder abge¬
schoben würden. Gegen die Verwendung der Chinesen in der Südsee läßt sich
weniger einwenden.

Es ist klar, daß tiefeingreifende Maßregeln, die unser Verhältnis zu den
Eingebornen endlich regeln sollen, nur allmählich und vorsichtig angewandt
werden müssen. Die Einzelheiten müssen entschieden den örtlichen Verwaltungs¬
behörden überlassen werden. Die Hauptsache ist, daß endlich die Verpflichtung
der Eingebornen zur Mitarbeit nu unsern wirtschaftlichen Unternehmungen von
unsrer Kolonialverwaltung grundsätzlich anerkannt, und daß die Beamten ange¬
halten werden, sich bewußt in den Dienst der wirtschaftlichen Erschließung der
Kolonien zu stellen. Alles andre wird sich dann schon von selbst finden, wenn
den Behörden draußen im übrigen größere Selbständigkeit gelassen wird.

Es ist wirklich nicht einzusehen, daß wir nicht berechtigt sein sollen, uns
den Neger dienstbar zu machen. Sind wir hier zu Hause nicht auch mancherlei
Zwang unterworfen: Schulpflicht, Militärpflicht, Steuerpflicht, ohne daß wir
uns darüber beklagen?

Wenn wir den Neger durch planmäßige Erziehung zu regelmäßiger Arbeit
allmählich auf eine höhere Stufe heben und die Kolonien durch seine Mitarbeit
zu blühenden Gemeinwesen und nutzbringenden Gliedern der deutschen National¬
wirtschaft machen, so vollbringen wir eine Kulturtat, für die uns unsre Nach¬
kommen und auch die Nachkommen der heutigen Bewohner unsrer Kolonien
danken werden.


Uolouiale Lingebornenpolitil' und Arbi-iterfrugv

beziehen, von dein Nachfolger des Bezirkschefs nicht ohne weiteres aufgehoben
werden dürfen, wie dies zum Schaden des Ansehens der Beamten leider vielfach
geschehen ist. In dieser Beziehung ist der Neger überaus feinfühlig. Überhaupt
muß er unbedingt das Gefühl haben, daß der Weiße immer der Herr ist, ob er
Uniform trügt oder nicht. Eine gerechte Behandlung und ein wohlwollendes
Eingehen auf seine kleinen Interessen werden das übrige tun.

Alle diese Vorschläge sind vornehmlich auf ostafrikanische Verhältnisse zu¬
geschnitten, wären sinngemäß aber auch in den andern Kolonien zu verwenden.

Von mancher Seite ist in neuerer Zeit die Einfuhr von chinesischen Arbeitern
»ach Ostafrika empfohlen worden. Dem muß vorläufig mit Entschiedenheit
widersprochen werden. Ehe wir ein neues fremdes Element in unsre Kolonien
einlassen, sollten wir lieber alles daran setzen, die Eingebornen zur Arbeit heran¬
zuziehen. In einem milden Arbeitszwang ist sicherlich nichts verwerfliches
zu finden, sondern eher ein tieferes soziales Verständnis für den Neger. Denn
in dem Chinesen, dem Arbeiter par sxc,sUev.<ze, erwächst ihm ein unbedingt über¬
legner Konkurrent. Über die Chineseneinfuhr ließe sich höchstens in der Form
reden, daß die Chinesen die Arbeit an den Eisenbahnen übernehmen, falls ver-
schiedne Linien zugleich gebaut werden sollten. Die Eingebornen Hütten dann
die Arbeit auf den Plantagen zu leisten, damit die landwirtschaftliche Erschließung
nicht ins Stocken gerät. Voraussetzung wäre, daß die Chinesen von den Ein¬
gebornen getrennt und sofort nach Beendigung der Bahnbauten wieder abge¬
schoben würden. Gegen die Verwendung der Chinesen in der Südsee läßt sich
weniger einwenden.

Es ist klar, daß tiefeingreifende Maßregeln, die unser Verhältnis zu den
Eingebornen endlich regeln sollen, nur allmählich und vorsichtig angewandt
werden müssen. Die Einzelheiten müssen entschieden den örtlichen Verwaltungs¬
behörden überlassen werden. Die Hauptsache ist, daß endlich die Verpflichtung
der Eingebornen zur Mitarbeit nu unsern wirtschaftlichen Unternehmungen von
unsrer Kolonialverwaltung grundsätzlich anerkannt, und daß die Beamten ange¬
halten werden, sich bewußt in den Dienst der wirtschaftlichen Erschließung der
Kolonien zu stellen. Alles andre wird sich dann schon von selbst finden, wenn
den Behörden draußen im übrigen größere Selbständigkeit gelassen wird.

Es ist wirklich nicht einzusehen, daß wir nicht berechtigt sein sollen, uns
den Neger dienstbar zu machen. Sind wir hier zu Hause nicht auch mancherlei
Zwang unterworfen: Schulpflicht, Militärpflicht, Steuerpflicht, ohne daß wir
uns darüber beklagen?

Wenn wir den Neger durch planmäßige Erziehung zu regelmäßiger Arbeit
allmählich auf eine höhere Stufe heben und die Kolonien durch seine Mitarbeit
zu blühenden Gemeinwesen und nutzbringenden Gliedern der deutschen National¬
wirtschaft machen, so vollbringen wir eine Kulturtat, für die uns unsre Nach¬
kommen und auch die Nachkommen der heutigen Bewohner unsrer Kolonien
danken werden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/412>, abgerufen am 04.07.2024.