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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Die Mission tai^us ^lAiZvAss ,'n China

Wir haben die Kolonien erworben und ungezählte Millionen des deutschen
Steuerzahlers hineingesteckt. Wir haben damit auch die Verpflichtung über¬
nommen, sie nutzbar zu machen. Ohne die Mithilfe der Eingebornen geht es
nicht mehr, also ist uns der Weg deutlich gewesen, den wir gehen müssen.
Und zwar bald, denn Zeit ist Geld!




Die W88i'on tai'yue k^ANtzaise in China

or kurzem ging durch die große deutsche Tagespresse ein Aufsatz
vom Geheimen Legationsrat Knappe, worin dieser die Fortschritte
der deutschen Kulturarbeit in China beleuchtete. Ihm folgte vor
wenigen Tagen Professor Claude du Bois-Reymond, der von
der Stiftung und Einrichtung der deutschen Medizinschule in
Schanghai erzählte. Es ist sehr leicht möglich, daß wenigstens der erste dieser
beiden Berichte, die die spät einsetzende, aber energische Kulturarbeit Deutsch¬
lands im Reich der Mitte schildern, in Frankreich ein Echo fand und hier
anspornte, auf dem längst beschrittnen Wege schneller vorwärts zu gehn, um
sich von rührigen Rivalen nicht einholen oder überflügeln zu lassen.

Denn Frankreich will im Vordergrunde der Nationen stehn, die in China
europäische Kultur verbreiten. Nicht nur aus allgemeinen zivilisatorischer
Gründen und um französischen Geist und französische Gesittung überall hin¬
zutragen, wo Menschen wohnen, sondern auch hier wieder aus einem ganz
modern-französischen Beweggrunde. Es hat wie zwischen Marokko und Algerien,
zwischen seinem indochinesischen Besitz und dem Reich der Mitte eine lange
gemeinsame Grenze zu schützen und leitet daraus einen ganz besondern An¬
spruch her, sich um die innern Verhältnisse Chinas zu kümmern. Außerdem
hat es sehr ernste Handelsinteressen in China selbst. So kehren genau die¬
selben Schlagworte wieder, die in der französischen Marokkopolitik gang und
gäbe wurden. Die Aufrechterhaltung der politischen Sicherheit in China,
sagt man in Paris, ist für den indochinesischen Kolonialbesitz Frankreichs eine
Lebensfrage. Alle Umwälzungen, alle Unruhen in China finden ihr Echo in
der französischen Nachbarkolonie und wirken hier mehr oder weniger nach¬
haltig. Nichts kann in China im öffentlichen Leben vor sich gehn, ohne daß
man im benachbarten Tonkin davon Kenntnis nimmt und sich damit aus¬
einandersetzt. In dem jüngsten Bericht über das Budget des Ministeriums
des Auswärtigen sagt der Berichterstatter, Herr Paul Deschcmel, wörtlich:
"Ganz abgesehen von allen politischen Gründen interessieren die ungeheuern
wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten, die die chinesische Welt bietet,
öffentliche Arbeiten, Eisenbahnen, Bergwerke, Frankreich ganz besonders, das


Grenzboten I 1908 53
Die Mission tai^us ^lAiZvAss ,'n China

Wir haben die Kolonien erworben und ungezählte Millionen des deutschen
Steuerzahlers hineingesteckt. Wir haben damit auch die Verpflichtung über¬
nommen, sie nutzbar zu machen. Ohne die Mithilfe der Eingebornen geht es
nicht mehr, also ist uns der Weg deutlich gewesen, den wir gehen müssen.
Und zwar bald, denn Zeit ist Geld!




Die W88i'on tai'yue k^ANtzaise in China

or kurzem ging durch die große deutsche Tagespresse ein Aufsatz
vom Geheimen Legationsrat Knappe, worin dieser die Fortschritte
der deutschen Kulturarbeit in China beleuchtete. Ihm folgte vor
wenigen Tagen Professor Claude du Bois-Reymond, der von
der Stiftung und Einrichtung der deutschen Medizinschule in
Schanghai erzählte. Es ist sehr leicht möglich, daß wenigstens der erste dieser
beiden Berichte, die die spät einsetzende, aber energische Kulturarbeit Deutsch¬
lands im Reich der Mitte schildern, in Frankreich ein Echo fand und hier
anspornte, auf dem längst beschrittnen Wege schneller vorwärts zu gehn, um
sich von rührigen Rivalen nicht einholen oder überflügeln zu lassen.

Denn Frankreich will im Vordergrunde der Nationen stehn, die in China
europäische Kultur verbreiten. Nicht nur aus allgemeinen zivilisatorischer
Gründen und um französischen Geist und französische Gesittung überall hin¬
zutragen, wo Menschen wohnen, sondern auch hier wieder aus einem ganz
modern-französischen Beweggrunde. Es hat wie zwischen Marokko und Algerien,
zwischen seinem indochinesischen Besitz und dem Reich der Mitte eine lange
gemeinsame Grenze zu schützen und leitet daraus einen ganz besondern An¬
spruch her, sich um die innern Verhältnisse Chinas zu kümmern. Außerdem
hat es sehr ernste Handelsinteressen in China selbst. So kehren genau die¬
selben Schlagworte wieder, die in der französischen Marokkopolitik gang und
gäbe wurden. Die Aufrechterhaltung der politischen Sicherheit in China,
sagt man in Paris, ist für den indochinesischen Kolonialbesitz Frankreichs eine
Lebensfrage. Alle Umwälzungen, alle Unruhen in China finden ihr Echo in
der französischen Nachbarkolonie und wirken hier mehr oder weniger nach¬
haltig. Nichts kann in China im öffentlichen Leben vor sich gehn, ohne daß
man im benachbarten Tonkin davon Kenntnis nimmt und sich damit aus¬
einandersetzt. In dem jüngsten Bericht über das Budget des Ministeriums
des Auswärtigen sagt der Berichterstatter, Herr Paul Deschcmel, wörtlich:
»Ganz abgesehen von allen politischen Gründen interessieren die ungeheuern
wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten, die die chinesische Welt bietet,
öffentliche Arbeiten, Eisenbahnen, Bergwerke, Frankreich ganz besonders, das


Grenzboten I 1908 53
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[0413] Die Mission tai^us ^lAiZvAss ,'n China Wir haben die Kolonien erworben und ungezählte Millionen des deutschen Steuerzahlers hineingesteckt. Wir haben damit auch die Verpflichtung über¬ nommen, sie nutzbar zu machen. Ohne die Mithilfe der Eingebornen geht es nicht mehr, also ist uns der Weg deutlich gewesen, den wir gehen müssen. Und zwar bald, denn Zeit ist Geld! Die W88i'on tai'yue k^ANtzaise in China or kurzem ging durch die große deutsche Tagespresse ein Aufsatz vom Geheimen Legationsrat Knappe, worin dieser die Fortschritte der deutschen Kulturarbeit in China beleuchtete. Ihm folgte vor wenigen Tagen Professor Claude du Bois-Reymond, der von der Stiftung und Einrichtung der deutschen Medizinschule in Schanghai erzählte. Es ist sehr leicht möglich, daß wenigstens der erste dieser beiden Berichte, die die spät einsetzende, aber energische Kulturarbeit Deutsch¬ lands im Reich der Mitte schildern, in Frankreich ein Echo fand und hier anspornte, auf dem längst beschrittnen Wege schneller vorwärts zu gehn, um sich von rührigen Rivalen nicht einholen oder überflügeln zu lassen. Denn Frankreich will im Vordergrunde der Nationen stehn, die in China europäische Kultur verbreiten. Nicht nur aus allgemeinen zivilisatorischer Gründen und um französischen Geist und französische Gesittung überall hin¬ zutragen, wo Menschen wohnen, sondern auch hier wieder aus einem ganz modern-französischen Beweggrunde. Es hat wie zwischen Marokko und Algerien, zwischen seinem indochinesischen Besitz und dem Reich der Mitte eine lange gemeinsame Grenze zu schützen und leitet daraus einen ganz besondern An¬ spruch her, sich um die innern Verhältnisse Chinas zu kümmern. Außerdem hat es sehr ernste Handelsinteressen in China selbst. So kehren genau die¬ selben Schlagworte wieder, die in der französischen Marokkopolitik gang und gäbe wurden. Die Aufrechterhaltung der politischen Sicherheit in China, sagt man in Paris, ist für den indochinesischen Kolonialbesitz Frankreichs eine Lebensfrage. Alle Umwälzungen, alle Unruhen in China finden ihr Echo in der französischen Nachbarkolonie und wirken hier mehr oder weniger nach¬ haltig. Nichts kann in China im öffentlichen Leben vor sich gehn, ohne daß man im benachbarten Tonkin davon Kenntnis nimmt und sich damit aus¬ einandersetzt. In dem jüngsten Bericht über das Budget des Ministeriums des Auswärtigen sagt der Berichterstatter, Herr Paul Deschcmel, wörtlich: »Ganz abgesehen von allen politischen Gründen interessieren die ungeheuern wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten, die die chinesische Welt bietet, öffentliche Arbeiten, Eisenbahnen, Bergwerke, Frankreich ganz besonders, das Grenzboten I 1908 53

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/413>, abgerufen am 04.07.2024.