Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.Neues von!>)undt spielt hier eine entscheidende Rolle -- für seine Zwecke verwandt werden Auf die Vorstellungen vom Wesen der Seele gewinnen nun diese Zu- Grenzbote" I 1908 . 43
Neues von!>)undt spielt hier eine entscheidende Rolle — für seine Zwecke verwandt werden Auf die Vorstellungen vom Wesen der Seele gewinnen nun diese Zu- Grenzbote» I 1908 . 43
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0333" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/311414"/> <fw type="header" place="top"> Neues von!>)undt</fw><lb/> <p xml:id="ID_1609" prev="#ID_1608"> spielt hier eine entscheidende Rolle — für seine Zwecke verwandt werden<lb/> können, so ist das Verstandesarbeit, eine Verstandesarbeit, die einen bedeutenden<lb/> Anteil hat an der dogmatischen Ausgestaltung und Befestigung der religiösen<lb/> Vorstellungen, Die Phantasietätigkeit braucht durch die Beteiligung des<lb/> deutenden und grübelnden Intellekts nicht eingeschränkt oder zurückgedrängt zu<lb/> werden. Das Gegenteil ist deutlich wahrzunehmen, „Wie drängen sich die<lb/> Bilder und die Gleichnisse schon bei einem Sacharja gegenüber der schlichten<lb/> und wuchtigen Sprache eines Hosea! Und wie ungeheuerlich wächst sich erst<lb/> diese phantastische Dichtung in der jüdischen und der christlichen Apokalyptik<lb/> oder in der Visionsliteratur der Inder aus! Doch gerade in dieser Fülle<lb/> der Bilder verrät sich hier der Ursprung der Visionen aus Traumbildern, die<lb/> selbst schon zum Teil Erzeugnisse religiöser Gefühlsrichtung, nachträglich in<lb/> dieser das wache Denken beherrschenden Tendenz umgedeutet und wohl auch<lb/> weiter phantastisch ausgeschmückt werden, sodaß sie nur halb wirkliche Traum-<lb/> Visionen, halb verstandesmäßig ausgedachte Allegorien sind."</p><lb/> <p xml:id="ID_1610" next="#ID_1611"> Auf die Vorstellungen vom Wesen der Seele gewinnen nun diese Zu-<lb/> stände besonders dadurch Einfluß, daß in ihnen bei außerordentlich gesteigerter<lb/> Erregung der Gesichts- und Gehörsuerven die Tahl- und Gemeinempfindungen<lb/> zurücktreten. Deren Mangel bewirkt, daß der Visionär der irdischen Schwere,<lb/> ja der ganzen Leiblichkeit ledig zu sein glaubt; unter den narkotischen Giften<lb/> erzeugen besonders Opium und Haschisch diese Empfindung oder eigentlich Be¬<lb/> freiung von gewöhnlichen Empfindungen. „Jene Befreiung von der Last der<lb/> eignen Körperempfiudungen ist es aber, auf der offenbar wesentlich die Fähig¬<lb/> keit der Versetzung in räumliche und zeitliche Fernen beruht." Man wird<lb/> also wohl — Wunde macht diese Anwendung nicht — die Berichte über das<lb/> Schweben mancher Ekstatischen in der Weise erklären dürfen, daß diese Per¬<lb/> sonen selbst die Empfindung des Schwedens hatten, daß sie davon ihrer Um¬<lb/> gebung Mitteilung machten, daß ihnen geglaubt wurde, und daß ihre Verehrer<lb/> sie schweben sahen, weil man leicht sieht, was man inbrünstig zu sehen wünscht.<lb/> Unsre heutigen Spiritisten sind groß in der Kraft, bei einer Seance alles zu<lb/> sehen, was sie sich zu sehen vorgenommen haben. So schwindet denn mehr<lb/> und mehr die primitive Vorstellung von der Leibscele, von der an den Körper<lb/> gebundnen Seele, und es stellt sich die andre ein, daß der Seele ein vom<lb/> Leibe unabhängiges Dasein zukomme. „So vollendet sich in der Vision und<lb/> Ekstase jene Befreiung der Seele aus der leiblichen Gebundenheit, die in der<lb/> Schattenseele des Traumes begonnen hatte, zunächst jedoch durch die über¬<lb/> mächtigen Motive der Körperseele noch zurückgehalten war. Jetzt erst, in dem<lb/> Augenblick, wo die ekstatische Erregung in einzelnen prophetischen Persönlich¬<lb/> keiten das unmittelbare Bewußtsein der seelischen Befreiung erweckt hat und<lb/> dieses Bewußtsein auch auf andre überströmen läßt, hat die geistige Seele<lb/> ihre Herrschaft angetreten, und die Zeit ist nicht mehr fern, wo eine von</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbote» I 1908 . 43</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0333]
Neues von!>)undt
spielt hier eine entscheidende Rolle — für seine Zwecke verwandt werden
können, so ist das Verstandesarbeit, eine Verstandesarbeit, die einen bedeutenden
Anteil hat an der dogmatischen Ausgestaltung und Befestigung der religiösen
Vorstellungen, Die Phantasietätigkeit braucht durch die Beteiligung des
deutenden und grübelnden Intellekts nicht eingeschränkt oder zurückgedrängt zu
werden. Das Gegenteil ist deutlich wahrzunehmen, „Wie drängen sich die
Bilder und die Gleichnisse schon bei einem Sacharja gegenüber der schlichten
und wuchtigen Sprache eines Hosea! Und wie ungeheuerlich wächst sich erst
diese phantastische Dichtung in der jüdischen und der christlichen Apokalyptik
oder in der Visionsliteratur der Inder aus! Doch gerade in dieser Fülle
der Bilder verrät sich hier der Ursprung der Visionen aus Traumbildern, die
selbst schon zum Teil Erzeugnisse religiöser Gefühlsrichtung, nachträglich in
dieser das wache Denken beherrschenden Tendenz umgedeutet und wohl auch
weiter phantastisch ausgeschmückt werden, sodaß sie nur halb wirkliche Traum-
Visionen, halb verstandesmäßig ausgedachte Allegorien sind."
Auf die Vorstellungen vom Wesen der Seele gewinnen nun diese Zu-
stände besonders dadurch Einfluß, daß in ihnen bei außerordentlich gesteigerter
Erregung der Gesichts- und Gehörsuerven die Tahl- und Gemeinempfindungen
zurücktreten. Deren Mangel bewirkt, daß der Visionär der irdischen Schwere,
ja der ganzen Leiblichkeit ledig zu sein glaubt; unter den narkotischen Giften
erzeugen besonders Opium und Haschisch diese Empfindung oder eigentlich Be¬
freiung von gewöhnlichen Empfindungen. „Jene Befreiung von der Last der
eignen Körperempfiudungen ist es aber, auf der offenbar wesentlich die Fähig¬
keit der Versetzung in räumliche und zeitliche Fernen beruht." Man wird
also wohl — Wunde macht diese Anwendung nicht — die Berichte über das
Schweben mancher Ekstatischen in der Weise erklären dürfen, daß diese Per¬
sonen selbst die Empfindung des Schwedens hatten, daß sie davon ihrer Um¬
gebung Mitteilung machten, daß ihnen geglaubt wurde, und daß ihre Verehrer
sie schweben sahen, weil man leicht sieht, was man inbrünstig zu sehen wünscht.
Unsre heutigen Spiritisten sind groß in der Kraft, bei einer Seance alles zu
sehen, was sie sich zu sehen vorgenommen haben. So schwindet denn mehr
und mehr die primitive Vorstellung von der Leibscele, von der an den Körper
gebundnen Seele, und es stellt sich die andre ein, daß der Seele ein vom
Leibe unabhängiges Dasein zukomme. „So vollendet sich in der Vision und
Ekstase jene Befreiung der Seele aus der leiblichen Gebundenheit, die in der
Schattenseele des Traumes begonnen hatte, zunächst jedoch durch die über¬
mächtigen Motive der Körperseele noch zurückgehalten war. Jetzt erst, in dem
Augenblick, wo die ekstatische Erregung in einzelnen prophetischen Persönlich¬
keiten das unmittelbare Bewußtsein der seelischen Befreiung erweckt hat und
dieses Bewußtsein auch auf andre überströmen läßt, hat die geistige Seele
ihre Herrschaft angetreten, und die Zeit ist nicht mehr fern, wo eine von
Grenzbote» I 1908 . 43
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