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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Der Kampf gegen die Korruption der Polizei in Newyork

Ich entnehme diese Rechnung dem vor zwei Jahren erschienenen Buche
von Felix Baumann: "Newhorker Kadetten', Enthüllungen über den Mädchen¬
handel in den Vereinigten Staaten." (Dresden-A., Ernst Engelmanns Nach¬
folger, 1905. 163 Seiten.) Baumann hatte schon früher in einer andern
Schrift ähnliche Verhältnisse gegeißelt. In der angeführten Schrift über die
"Kadetten" schildert er hauptsächlich das Treiben der Newhorker Kadetten, Min
drüben junge Männer genannt werden, die junge Mädchen (namentlich Kinder
von Auswandrern) crwerbsmäßig zu dem ausgesprochnen Zwecke zu verführen
suchen, sie in öffentliche Häuser zu bringen. Empörend ist ganz besonders die
Tatsache, daß die Polizei vielfach mit diesen Kadetten unter einer Decke steckt,
d. h. daß sie aus der Duldung einer Handlungsweise, deren Scheußlichkeit
jeden Urteils spottet, eine erhebliche jährliche Einnahme löst. Zu der aus solchen
Quellen fließenden Einnahme der Polizei von jährlich etwa 7 Millionen Dollars
(28 Millionen Mark) liefern die Kadetten einen sehr bedeutenden Beitrag.
Wie hoch sich die unmoralischen Nebeneinucchmeu einzelner Polizeibeamten
belaufen, dafür führt Baumann als Beispiel an, daß man im Oktober 1902
bei dein plötzlichen Tode des Captain Doncchue eine Kassette in seinem
Rcvierpult vorfand, die nicht weniger als 34000 Dollars (136000 Mary
enthielt.

Wie ekelhaft das Treiben der Kadetten betrieben wird, dafür erzählt
Baumann zum Beispiel folgendes: "Die Newhorker Stadtverwaltung hat im
Rathause (Lüd^ UM ein städtisches Hciratsbnreau eingerichtet, um mittellosen
Brautpaaren unnötig hohe Heiratsgebühren zu ersparen. Dieses Bureau ist im
Laufe der Zeit ein geradezu gemeingefährliches Institut geworden, da die
Kadetten sich hier ihre Opfer cmtranen lassen, um sie dann sogleich ihrer Be¬
stimmung zu überantworten."

Das Kadettennnwesen nahm schließlich so überHand, daß sich der Cith Club,
der die Reform der Newhorker Stadtverwaltung auf seiue Fahne geschrieben
hat, in seinem Wahlflugblatt vom Oktober 1901 ausdrücklich gegen diese Pest¬
beule wandte, die unter einer von .Korruption freien Polizciverwaltung unmög¬
lich sei.

Wie es den Besitzern von Salovns, Bordellen und Spielräumen möglich
ist, mit Hilfe der Polizei das Gesetz offenkundig zu umgehen? Das geschieht
folgendermaßen.

Die Gastwirte der Stadt Newyork gehören sämtlich zu einem Gastwirte¬
verein, der in jedem Stadtbezirk einen Zweigverein hat. Der Mitgliedsbeitrag
beträgt monatlich 24 Mark. Davon erhält die Polizei 20 Mark, während nur
4 Mark für andre Zwecke in der Kasse des Vereins bleiben. So erhebt also
die Polizei von jeden: Saloon eine Jcchresstener von 240 Mark, die einfach
in die Tasche der einzelnen Polizisten fließt.

In ähnlicher Weise zahlen auch die Besitzer von Spielzimmern, nnr daß
sie wesentlich mehr hergeben müssen, denn die Taxe betrügt für sie monatlich


Der Kampf gegen die Korruption der Polizei in Newyork

Ich entnehme diese Rechnung dem vor zwei Jahren erschienenen Buche
von Felix Baumann: „Newhorker Kadetten', Enthüllungen über den Mädchen¬
handel in den Vereinigten Staaten." (Dresden-A., Ernst Engelmanns Nach¬
folger, 1905. 163 Seiten.) Baumann hatte schon früher in einer andern
Schrift ähnliche Verhältnisse gegeißelt. In der angeführten Schrift über die
„Kadetten" schildert er hauptsächlich das Treiben der Newhorker Kadetten, Min
drüben junge Männer genannt werden, die junge Mädchen (namentlich Kinder
von Auswandrern) crwerbsmäßig zu dem ausgesprochnen Zwecke zu verführen
suchen, sie in öffentliche Häuser zu bringen. Empörend ist ganz besonders die
Tatsache, daß die Polizei vielfach mit diesen Kadetten unter einer Decke steckt,
d. h. daß sie aus der Duldung einer Handlungsweise, deren Scheußlichkeit
jeden Urteils spottet, eine erhebliche jährliche Einnahme löst. Zu der aus solchen
Quellen fließenden Einnahme der Polizei von jährlich etwa 7 Millionen Dollars
(28 Millionen Mark) liefern die Kadetten einen sehr bedeutenden Beitrag.
Wie hoch sich die unmoralischen Nebeneinucchmeu einzelner Polizeibeamten
belaufen, dafür führt Baumann als Beispiel an, daß man im Oktober 1902
bei dein plötzlichen Tode des Captain Doncchue eine Kassette in seinem
Rcvierpult vorfand, die nicht weniger als 34000 Dollars (136000 Mary
enthielt.

Wie ekelhaft das Treiben der Kadetten betrieben wird, dafür erzählt
Baumann zum Beispiel folgendes: „Die Newhorker Stadtverwaltung hat im
Rathause (Lüd^ UM ein städtisches Hciratsbnreau eingerichtet, um mittellosen
Brautpaaren unnötig hohe Heiratsgebühren zu ersparen. Dieses Bureau ist im
Laufe der Zeit ein geradezu gemeingefährliches Institut geworden, da die
Kadetten sich hier ihre Opfer cmtranen lassen, um sie dann sogleich ihrer Be¬
stimmung zu überantworten."

Das Kadettennnwesen nahm schließlich so überHand, daß sich der Cith Club,
der die Reform der Newhorker Stadtverwaltung auf seiue Fahne geschrieben
hat, in seinem Wahlflugblatt vom Oktober 1901 ausdrücklich gegen diese Pest¬
beule wandte, die unter einer von .Korruption freien Polizciverwaltung unmög¬
lich sei.

Wie es den Besitzern von Salovns, Bordellen und Spielräumen möglich
ist, mit Hilfe der Polizei das Gesetz offenkundig zu umgehen? Das geschieht
folgendermaßen.

Die Gastwirte der Stadt Newyork gehören sämtlich zu einem Gastwirte¬
verein, der in jedem Stadtbezirk einen Zweigverein hat. Der Mitgliedsbeitrag
beträgt monatlich 24 Mark. Davon erhält die Polizei 20 Mark, während nur
4 Mark für andre Zwecke in der Kasse des Vereins bleiben. So erhebt also
die Polizei von jeden: Saloon eine Jcchresstener von 240 Mark, die einfach
in die Tasche der einzelnen Polizisten fließt.

In ähnlicher Weise zahlen auch die Besitzer von Spielzimmern, nnr daß
sie wesentlich mehr hergeben müssen, denn die Taxe betrügt für sie monatlich


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[0324] Der Kampf gegen die Korruption der Polizei in Newyork Ich entnehme diese Rechnung dem vor zwei Jahren erschienenen Buche von Felix Baumann: „Newhorker Kadetten', Enthüllungen über den Mädchen¬ handel in den Vereinigten Staaten." (Dresden-A., Ernst Engelmanns Nach¬ folger, 1905. 163 Seiten.) Baumann hatte schon früher in einer andern Schrift ähnliche Verhältnisse gegeißelt. In der angeführten Schrift über die „Kadetten" schildert er hauptsächlich das Treiben der Newhorker Kadetten, Min drüben junge Männer genannt werden, die junge Mädchen (namentlich Kinder von Auswandrern) crwerbsmäßig zu dem ausgesprochnen Zwecke zu verführen suchen, sie in öffentliche Häuser zu bringen. Empörend ist ganz besonders die Tatsache, daß die Polizei vielfach mit diesen Kadetten unter einer Decke steckt, d. h. daß sie aus der Duldung einer Handlungsweise, deren Scheußlichkeit jeden Urteils spottet, eine erhebliche jährliche Einnahme löst. Zu der aus solchen Quellen fließenden Einnahme der Polizei von jährlich etwa 7 Millionen Dollars (28 Millionen Mark) liefern die Kadetten einen sehr bedeutenden Beitrag. Wie hoch sich die unmoralischen Nebeneinucchmeu einzelner Polizeibeamten belaufen, dafür führt Baumann als Beispiel an, daß man im Oktober 1902 bei dein plötzlichen Tode des Captain Doncchue eine Kassette in seinem Rcvierpult vorfand, die nicht weniger als 34000 Dollars (136000 Mary enthielt. Wie ekelhaft das Treiben der Kadetten betrieben wird, dafür erzählt Baumann zum Beispiel folgendes: „Die Newhorker Stadtverwaltung hat im Rathause (Lüd^ UM ein städtisches Hciratsbnreau eingerichtet, um mittellosen Brautpaaren unnötig hohe Heiratsgebühren zu ersparen. Dieses Bureau ist im Laufe der Zeit ein geradezu gemeingefährliches Institut geworden, da die Kadetten sich hier ihre Opfer cmtranen lassen, um sie dann sogleich ihrer Be¬ stimmung zu überantworten." Das Kadettennnwesen nahm schließlich so überHand, daß sich der Cith Club, der die Reform der Newhorker Stadtverwaltung auf seiue Fahne geschrieben hat, in seinem Wahlflugblatt vom Oktober 1901 ausdrücklich gegen diese Pest¬ beule wandte, die unter einer von .Korruption freien Polizciverwaltung unmög¬ lich sei. Wie es den Besitzern von Salovns, Bordellen und Spielräumen möglich ist, mit Hilfe der Polizei das Gesetz offenkundig zu umgehen? Das geschieht folgendermaßen. Die Gastwirte der Stadt Newyork gehören sämtlich zu einem Gastwirte¬ verein, der in jedem Stadtbezirk einen Zweigverein hat. Der Mitgliedsbeitrag beträgt monatlich 24 Mark. Davon erhält die Polizei 20 Mark, während nur 4 Mark für andre Zwecke in der Kasse des Vereins bleiben. So erhebt also die Polizei von jeden: Saloon eine Jcchresstener von 240 Mark, die einfach in die Tasche der einzelnen Polizisten fließt. In ähnlicher Weise zahlen auch die Besitzer von Spielzimmern, nnr daß sie wesentlich mehr hergeben müssen, denn die Taxe betrügt für sie monatlich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/324>, abgerufen am 22.07.2024.