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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Der Acnnpf gegen die Korruption der Polizei in Newyork

freigelassen wird, und daß man ihm eine tüchtige Geldstrafe aufbrummt. Steht
er aber mit der Polizei gut, d. h, schmiert er sie ordentlich, so kaun er ruhig
noch lauge nach ein Uhr nachts sein Bier ausschenken; ich habe oft genug
noch ein oder zwei Stunden später in Newyork am Biertisch gestanden. Der
Saloon ist ein beliebter Versammlungsort für die Arbeiterkreise, und am
Sonntag, wenn sie sich von der Werktagsarbeit ausruhen, wird er natürlich
stark besucht. Auch ist es selbstverständlich, daß das Schankverbot am Sonntag
fast allenthalben übertreten wird. Es gibt vielleicht kein besseres Beispiel für
den alten Klugheitsgrundsatz, daß man kein Verbot erlassen solle, das den
elementarsten Bedürfnissen der menschlichen Natur widerspricht. Die Zeitschrift
Outloolc meint mit vollem Recht: "Die Puritaner machen die Gesetze, die ehr¬
lichen Leute richten sich danach, die Vergnügungsuchenden brechen sie, und die
Polizei schlägt Kapital aus ihnen."

Ganz ähnlich steht es mit den Bordellen. So sehr man sich mich zu
den verschiedensten Zeiten bemüht hat, die Prostitution auszurotten, so ist dies
doch bekanntlich niemals gelungen. Die menschliche Natur schafft sich eben
doch Auswege, die dann meist nur schlimmere Formen annehmen, als wenn
man einem Übel, mit dem die Welt nun einmal behaftet ist, möglichst unschäd¬
liche Formen zu geben sucht. Es ist deshalb ein gesetzgeberischer Unsinn
sondergleichen, die Bordelle verbieten zu wollen. Dennoch wird dieser Unsinn
in den Vereinigten Staaten, in denen die Heuchelei auf diesem Gebiete ganz
besonders stark entwickelt zu sein scheint, immer wieder begangen. In die aller-
schwierigste Lage muß dadurch selbstverständlich die Polizei kommen. Aus¬
zurotten sind die Bordelle nun einmal nicht; infolgedessen wird denn auch den
Polizeibeamten durch Paragraph 135 in den On^ OKm-ters ausdrücklich zur
Pflicht gemacht, alle Bordelle, Spielzimmer und ähnliche vom Gesetz direkt
verbotnen Einrichtungen zu überwachen. Die Folge ist, daß die Polizei, die
nun einmal verdorben ist, mit den Bordellbesitzern uuter einer Decke steckt und
hohe Bestechungsgelder von ihnen annimmt. Jedes Bordell kann ruhig und
ungestört bestehn, wenn es der Polizei bestimmte Abgaben zahlt.

Ja die Unverfrorenheit einzelner Polizisten geht so weit, daß zum Bei¬
spiel einige Liquidationen, die sich auf die Bekämpfung der Bordelle bezogen,
im Jahre 1903 von dem städtischen Sückelmeister (Comptroller) Gront nnr
unter Protest bezahlt wurden. Eine der Hauptrechnungen lautete zum Beispiel
folgendermaßen:

Für Getränke und Zigarren............ 3512,60 Dollar
Für Frauen, um sie zu unmoralischen Handlungen zu verleiten 1086,60 "
In Spielhöllen verausgabt............2218,-- "
Zimmermiete sür unmoralische Zwecke........258,-- "
Droschkenmiete................ 62,-- "
Auf Pferde gewettet......., , , , , - , 629,-- "
Summa 7756,20 Dollar
(31024,80 Mark)

Der Acnnpf gegen die Korruption der Polizei in Newyork

freigelassen wird, und daß man ihm eine tüchtige Geldstrafe aufbrummt. Steht
er aber mit der Polizei gut, d. h, schmiert er sie ordentlich, so kaun er ruhig
noch lauge nach ein Uhr nachts sein Bier ausschenken; ich habe oft genug
noch ein oder zwei Stunden später in Newyork am Biertisch gestanden. Der
Saloon ist ein beliebter Versammlungsort für die Arbeiterkreise, und am
Sonntag, wenn sie sich von der Werktagsarbeit ausruhen, wird er natürlich
stark besucht. Auch ist es selbstverständlich, daß das Schankverbot am Sonntag
fast allenthalben übertreten wird. Es gibt vielleicht kein besseres Beispiel für
den alten Klugheitsgrundsatz, daß man kein Verbot erlassen solle, das den
elementarsten Bedürfnissen der menschlichen Natur widerspricht. Die Zeitschrift
Outloolc meint mit vollem Recht: „Die Puritaner machen die Gesetze, die ehr¬
lichen Leute richten sich danach, die Vergnügungsuchenden brechen sie, und die
Polizei schlägt Kapital aus ihnen."

Ganz ähnlich steht es mit den Bordellen. So sehr man sich mich zu
den verschiedensten Zeiten bemüht hat, die Prostitution auszurotten, so ist dies
doch bekanntlich niemals gelungen. Die menschliche Natur schafft sich eben
doch Auswege, die dann meist nur schlimmere Formen annehmen, als wenn
man einem Übel, mit dem die Welt nun einmal behaftet ist, möglichst unschäd¬
liche Formen zu geben sucht. Es ist deshalb ein gesetzgeberischer Unsinn
sondergleichen, die Bordelle verbieten zu wollen. Dennoch wird dieser Unsinn
in den Vereinigten Staaten, in denen die Heuchelei auf diesem Gebiete ganz
besonders stark entwickelt zu sein scheint, immer wieder begangen. In die aller-
schwierigste Lage muß dadurch selbstverständlich die Polizei kommen. Aus¬
zurotten sind die Bordelle nun einmal nicht; infolgedessen wird denn auch den
Polizeibeamten durch Paragraph 135 in den On^ OKm-ters ausdrücklich zur
Pflicht gemacht, alle Bordelle, Spielzimmer und ähnliche vom Gesetz direkt
verbotnen Einrichtungen zu überwachen. Die Folge ist, daß die Polizei, die
nun einmal verdorben ist, mit den Bordellbesitzern uuter einer Decke steckt und
hohe Bestechungsgelder von ihnen annimmt. Jedes Bordell kann ruhig und
ungestört bestehn, wenn es der Polizei bestimmte Abgaben zahlt.

Ja die Unverfrorenheit einzelner Polizisten geht so weit, daß zum Bei¬
spiel einige Liquidationen, die sich auf die Bekämpfung der Bordelle bezogen,
im Jahre 1903 von dem städtischen Sückelmeister (Comptroller) Gront nnr
unter Protest bezahlt wurden. Eine der Hauptrechnungen lautete zum Beispiel
folgendermaßen:

Für Getränke und Zigarren............ 3512,60 Dollar
Für Frauen, um sie zu unmoralischen Handlungen zu verleiten 1086,60 „
In Spielhöllen verausgabt............2218,— „
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[0323] Der Acnnpf gegen die Korruption der Polizei in Newyork freigelassen wird, und daß man ihm eine tüchtige Geldstrafe aufbrummt. Steht er aber mit der Polizei gut, d. h, schmiert er sie ordentlich, so kaun er ruhig noch lauge nach ein Uhr nachts sein Bier ausschenken; ich habe oft genug noch ein oder zwei Stunden später in Newyork am Biertisch gestanden. Der Saloon ist ein beliebter Versammlungsort für die Arbeiterkreise, und am Sonntag, wenn sie sich von der Werktagsarbeit ausruhen, wird er natürlich stark besucht. Auch ist es selbstverständlich, daß das Schankverbot am Sonntag fast allenthalben übertreten wird. Es gibt vielleicht kein besseres Beispiel für den alten Klugheitsgrundsatz, daß man kein Verbot erlassen solle, das den elementarsten Bedürfnissen der menschlichen Natur widerspricht. Die Zeitschrift Outloolc meint mit vollem Recht: „Die Puritaner machen die Gesetze, die ehr¬ lichen Leute richten sich danach, die Vergnügungsuchenden brechen sie, und die Polizei schlägt Kapital aus ihnen." Ganz ähnlich steht es mit den Bordellen. So sehr man sich mich zu den verschiedensten Zeiten bemüht hat, die Prostitution auszurotten, so ist dies doch bekanntlich niemals gelungen. Die menschliche Natur schafft sich eben doch Auswege, die dann meist nur schlimmere Formen annehmen, als wenn man einem Übel, mit dem die Welt nun einmal behaftet ist, möglichst unschäd¬ liche Formen zu geben sucht. Es ist deshalb ein gesetzgeberischer Unsinn sondergleichen, die Bordelle verbieten zu wollen. Dennoch wird dieser Unsinn in den Vereinigten Staaten, in denen die Heuchelei auf diesem Gebiete ganz besonders stark entwickelt zu sein scheint, immer wieder begangen. In die aller- schwierigste Lage muß dadurch selbstverständlich die Polizei kommen. Aus¬ zurotten sind die Bordelle nun einmal nicht; infolgedessen wird denn auch den Polizeibeamten durch Paragraph 135 in den On^ OKm-ters ausdrücklich zur Pflicht gemacht, alle Bordelle, Spielzimmer und ähnliche vom Gesetz direkt verbotnen Einrichtungen zu überwachen. Die Folge ist, daß die Polizei, die nun einmal verdorben ist, mit den Bordellbesitzern uuter einer Decke steckt und hohe Bestechungsgelder von ihnen annimmt. Jedes Bordell kann ruhig und ungestört bestehn, wenn es der Polizei bestimmte Abgaben zahlt. Ja die Unverfrorenheit einzelner Polizisten geht so weit, daß zum Bei¬ spiel einige Liquidationen, die sich auf die Bekämpfung der Bordelle bezogen, im Jahre 1903 von dem städtischen Sückelmeister (Comptroller) Gront nnr unter Protest bezahlt wurden. Eine der Hauptrechnungen lautete zum Beispiel folgendermaßen: Für Getränke und Zigarren............ 3512,60 Dollar Für Frauen, um sie zu unmoralischen Handlungen zu verleiten 1086,60 „ In Spielhöllen verausgabt............2218,— „ Zimmermiete sür unmoralische Zwecke........258,— „ Droschkenmiete................ 62,— „ Auf Pferde gewettet......., , , , , - , 629,— „ Summa 7756,20 Dollar (31024,80 Mark)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/323>, abgerufen am 24.08.2024.