Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.Die Winterausstellung der Akademie der Künste in Berlin Akademie werden die in ihrer alten Art verharrenden Meister mehr Anspruch Die Winterausstellung der Akademie der Künste in Berlin Akademie werden die in ihrer alten Art verharrenden Meister mehr Anspruch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0032" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/311113"/> <fw type="header" place="top"> Die Winterausstellung der Akademie der Künste in Berlin</fw><lb/> <p xml:id="ID_69" prev="#ID_68" next="#ID_70"> Akademie werden die in ihrer alten Art verharrenden Meister mehr Anspruch<lb/> auf Anerkennung verdienen als die Unsichern, die Kompromißler. Kraus,<lb/> Meherheim und Skarbina sind mir lieber als Hugo Vogel, der eine „junge<lb/> Dame im Garten", ein großes Freilichtbild mit stark vorherrschender Lokal¬<lb/> farbe, ausstellt. Entweder man ist Hugo Vogel, oder man ist Renoir. Er¬<lb/> freulicher ist eine gewisse Verjüngung in den Landschafts- und Architektur¬<lb/> bildchen Albert Hertels festzustellen; was dieser Künstler im Bunde mit Friedrich<lb/> Kallmorgen für die Heranbildung einer ganzen Generation tüchtiger, ausgeprägt<lb/> märkischer Landschafter geleistet hat, stellt ein noch ungeschriebnes, aber recht wesent¬<lb/> liches Kapitel in der Geschichte der Berliner akademischen Hochschule dar, vielleicht<lb/> das einzige rühmliche in einer schon historischen, aber darum nicht minder un¬<lb/> freundlich zu beurteilenden Periode. Daß Max Liebermann, übrigens schon<lb/> seit zehn Jahren, ordentliches Mitglied der Akademie ist, wird manchem Leser<lb/> neu sein; während er auf der Ausstellung des vorigen Jahres mit dem ge¬<lb/> waltigen Bilde der „Netzflickerinnen" aus der Hamburger Kunsthalle einen<lb/> großen persönlichen Triumph auch bei Gegnern seiner Kunstrichtung errang,<lb/> tritt er diesmal mit der „Straße in Haarlem" (1907) und den „Polospielern"<lb/> etwas zurück, nicht weil diese Gemälde hinter seiner sonstigen Produktion<lb/> zurückstehn, sondern weil sie nur seine von vielen Sonderausstellungen her ver¬<lb/> traute Art darstellen. Ein andrer Führer der Berliner Sezession, Walter<lb/> Leistikow, ist in den „alten Lotsenbooten" nicht ganz er selbst, und auch<lb/> Reinhold Lepsius haben wir schon glücklicher vertreten gesehen als in dem in<lb/> der Komposition gar zu lockern Bildnis der Gräfin Aorck von Warteuburg<lb/> mit ihren Kindern. Viel anregender ist, was auswärtige Gäste eingeschickt<lb/> haben: Gotthard Kuehl in Dresden ein farbig ungemein frisches „Mädchen<lb/> am grünen Koffer", eine wahre Augenfreude in diesem nebelgrauen, unkoloristischen<lb/> Winter, und Karl Bantzer zwei Bilder aus seiner Domäne, dem hessischen<lb/> Bauernleben. Einmal stellt er einen lebensgroßen, ganz in Weiß gekleideten<lb/> greisen „Erntearbeiter", von Korn umwogt, in flimmerndes Sonnenlicht; ein<lb/> andres Gemälde gibt dunkelgekleidete feierliche Bauern, vor dem Kirchgang oder<lb/> zu einem Leichenkondukt versammelt, wieder. Vortrefflich gemalt, vortrefflich<lb/> beobachtet, aber trotzdem leer wirkend; warum muß auch ein solcher Vorgang<lb/> auf einer Riesenleinwand aus der Rüstkammer der Historienmalerei ge¬<lb/> schildert werden? Wie fein verstand es Menzel, das Format seiner Gemälde<lb/> jeweils dem Inhalt anzupassen! Genannt seien wenigstens noch der Königs¬<lb/> berger Akademiedirektor Ludwig Dettmann mit einer „Idyll" getauften rem-<lb/> brcindtisierenden Heiligen Nacht, das schon bekannte, ganz hervorragende Bildnis<lb/> eines alten Herrn in Schneelandschaft von Hans Otte Weimar) und Ludwig<lb/> von Hofmanns badende Frauen. Wer nicht ungerecht werden will, kann eine<lb/> solche Aufzählung kaum vermeiden, denn es fällt schwer, den Faden zu finden,<lb/> der so verschiedenartige Werke verbindet. Die kleine Kreuzigung Franz Stücks<lb/> vom Jahre 1906, die in Berlin noch nicht gezeigt worden ist, verdient aber</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0032]
Die Winterausstellung der Akademie der Künste in Berlin
Akademie werden die in ihrer alten Art verharrenden Meister mehr Anspruch
auf Anerkennung verdienen als die Unsichern, die Kompromißler. Kraus,
Meherheim und Skarbina sind mir lieber als Hugo Vogel, der eine „junge
Dame im Garten", ein großes Freilichtbild mit stark vorherrschender Lokal¬
farbe, ausstellt. Entweder man ist Hugo Vogel, oder man ist Renoir. Er¬
freulicher ist eine gewisse Verjüngung in den Landschafts- und Architektur¬
bildchen Albert Hertels festzustellen; was dieser Künstler im Bunde mit Friedrich
Kallmorgen für die Heranbildung einer ganzen Generation tüchtiger, ausgeprägt
märkischer Landschafter geleistet hat, stellt ein noch ungeschriebnes, aber recht wesent¬
liches Kapitel in der Geschichte der Berliner akademischen Hochschule dar, vielleicht
das einzige rühmliche in einer schon historischen, aber darum nicht minder un¬
freundlich zu beurteilenden Periode. Daß Max Liebermann, übrigens schon
seit zehn Jahren, ordentliches Mitglied der Akademie ist, wird manchem Leser
neu sein; während er auf der Ausstellung des vorigen Jahres mit dem ge¬
waltigen Bilde der „Netzflickerinnen" aus der Hamburger Kunsthalle einen
großen persönlichen Triumph auch bei Gegnern seiner Kunstrichtung errang,
tritt er diesmal mit der „Straße in Haarlem" (1907) und den „Polospielern"
etwas zurück, nicht weil diese Gemälde hinter seiner sonstigen Produktion
zurückstehn, sondern weil sie nur seine von vielen Sonderausstellungen her ver¬
traute Art darstellen. Ein andrer Führer der Berliner Sezession, Walter
Leistikow, ist in den „alten Lotsenbooten" nicht ganz er selbst, und auch
Reinhold Lepsius haben wir schon glücklicher vertreten gesehen als in dem in
der Komposition gar zu lockern Bildnis der Gräfin Aorck von Warteuburg
mit ihren Kindern. Viel anregender ist, was auswärtige Gäste eingeschickt
haben: Gotthard Kuehl in Dresden ein farbig ungemein frisches „Mädchen
am grünen Koffer", eine wahre Augenfreude in diesem nebelgrauen, unkoloristischen
Winter, und Karl Bantzer zwei Bilder aus seiner Domäne, dem hessischen
Bauernleben. Einmal stellt er einen lebensgroßen, ganz in Weiß gekleideten
greisen „Erntearbeiter", von Korn umwogt, in flimmerndes Sonnenlicht; ein
andres Gemälde gibt dunkelgekleidete feierliche Bauern, vor dem Kirchgang oder
zu einem Leichenkondukt versammelt, wieder. Vortrefflich gemalt, vortrefflich
beobachtet, aber trotzdem leer wirkend; warum muß auch ein solcher Vorgang
auf einer Riesenleinwand aus der Rüstkammer der Historienmalerei ge¬
schildert werden? Wie fein verstand es Menzel, das Format seiner Gemälde
jeweils dem Inhalt anzupassen! Genannt seien wenigstens noch der Königs¬
berger Akademiedirektor Ludwig Dettmann mit einer „Idyll" getauften rem-
brcindtisierenden Heiligen Nacht, das schon bekannte, ganz hervorragende Bildnis
eines alten Herrn in Schneelandschaft von Hans Otte Weimar) und Ludwig
von Hofmanns badende Frauen. Wer nicht ungerecht werden will, kann eine
solche Aufzählung kaum vermeiden, denn es fällt schwer, den Faden zu finden,
der so verschiedenartige Werke verbindet. Die kleine Kreuzigung Franz Stücks
vom Jahre 1906, die in Berlin noch nicht gezeigt worden ist, verdient aber
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