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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Die neue Armada -- gegen Japan

Stimmen kommen zum Teil aus dem eignen Parteilager des Präsidenten,
namentlich aber aus dem gegnerischen demokratischen. Daß der Imperialismus
alles aufbieten muß, sie zum Schweigen zu bringen, liegt auf der Hand. Wie
man auch über diese Tendenz urteilen möge: jetzt leichtherzig auf die für
Kultur, Handel und Krieg so wichtige Position vor der Südküste Chinas und
am Eingang des Sunda-Archipels verzichten, wäre ein Unding.

Präsident Noosevelt ist die Verkörperung des Imperialismus. Er hat
alles aufgeboten, das nordamerikanische Volk dafür zu gewinnen, daß der
Friede nur mit Hilfe einer kräftigen Wehrmacht zu Lande und namentlich zu
Wasser zu sichern sei. Noch in seiner letzten Kongreßbotschaft vom Dezember 1907
hat er ausgeführt, daß es an Berufssoldaten und Offizieren fehle, während
sich die Katers im Ernstfall schnell genug füllen würden. Die Unterhaltung
einer ausreichenden Macht zu Wasser und zu Lande sei die denkbar billigste
Versicherung des Friedens. Jeder Krieg habe viel größere Summen gekostet
als die Unterhaltung einer angemessenen Macht für eine lange Reihe von
Friedensjahren. Er ist es gewesen, der die Schaffung einer ansehnlichen
amerikanischen Flotte mit allen Mitteln betrieben und bei seiner Nation den
nötigen Anklang gefunden hat. Vor zwei oder drei Jahren stand er am Ge¬
stade des Stillen Ozeans, reckte die Hand über die Fluten und sagte, daß
eigentlich die Vereinigten Staaten hier die leitende Rolle spielen sollten. Der
Gedankengang ist der: alle europäischen Mächte reichen nur mit abgelegnen
Kolonien an den Stillen Ozean heran; die Vereinigten Staaten allein grenzen
unmittelbar an ihn. Weiter liegt in dem Gedankengang: Japan zählt nicht
mit, weil es eine asiatische, mongolische Macht ist.

Nun meldet sich Japan aber doch! Zunächst keineswegs als Prätendent
für politische Geltung. Aber Japan will als Kulturnation gerechnet werden. Es
hat sich der europäisch-amerikanischen Gesittung erschlossen. Bei sich selber hat
es solche Rechtsbürgschaften eingeführt, daß die Exterritorialität der Kaukasier
hat aufgegeben werden müssen. Seine Auswandrer unterwerfen sich vollständig
den Gesetzen der Länder, wo sie sich niederlassen. Dort gönnt man allen weißen
Völkerschaften den Zutritt, nicht nur Nordwesteuropüern und Südeuropäern, sondern
auch Russen, die kaum auf so hoher Kulturstufe stehn wie die Japaner. Ferner
Juden, die dein Stamme nach von der into-europäischen Rasse grundverschieden sind.
Sogar Kleiuasier, Syrer, Tscherkessen läßt man herein. Weshalb nicht Japaner?
Ihre Hautfarbe ist ebenso hell wie die der Südeuropäer, Kleinasier und Syrer.
Diese Zurücksetzung will sich Japan um so weniger gefallen lassen, als es
die Armut seiner Bewohner, die Kleinheit seines Kulturbodens so dringend ge¬
bieten, Luft zu machen. Japan hat in keineswegs übermäßiger Weise Ansprüche
geltend gemacht. Es hat sogar durch Überwachung der Auswcmdrung und
einstweilige Zurückhaltung von bloßen Kukis seinen guten Willen bekundet, auf
amerikanische Wünsche möglichst Rücksicht zu nehmen. Der Gegensatz ist eben
im Grunde unüberbrückbar, davon hat sich auch Präsident Noosevelt überzeugen


Die neue Armada — gegen Japan

Stimmen kommen zum Teil aus dem eignen Parteilager des Präsidenten,
namentlich aber aus dem gegnerischen demokratischen. Daß der Imperialismus
alles aufbieten muß, sie zum Schweigen zu bringen, liegt auf der Hand. Wie
man auch über diese Tendenz urteilen möge: jetzt leichtherzig auf die für
Kultur, Handel und Krieg so wichtige Position vor der Südküste Chinas und
am Eingang des Sunda-Archipels verzichten, wäre ein Unding.

Präsident Noosevelt ist die Verkörperung des Imperialismus. Er hat
alles aufgeboten, das nordamerikanische Volk dafür zu gewinnen, daß der
Friede nur mit Hilfe einer kräftigen Wehrmacht zu Lande und namentlich zu
Wasser zu sichern sei. Noch in seiner letzten Kongreßbotschaft vom Dezember 1907
hat er ausgeführt, daß es an Berufssoldaten und Offizieren fehle, während
sich die Katers im Ernstfall schnell genug füllen würden. Die Unterhaltung
einer ausreichenden Macht zu Wasser und zu Lande sei die denkbar billigste
Versicherung des Friedens. Jeder Krieg habe viel größere Summen gekostet
als die Unterhaltung einer angemessenen Macht für eine lange Reihe von
Friedensjahren. Er ist es gewesen, der die Schaffung einer ansehnlichen
amerikanischen Flotte mit allen Mitteln betrieben und bei seiner Nation den
nötigen Anklang gefunden hat. Vor zwei oder drei Jahren stand er am Ge¬
stade des Stillen Ozeans, reckte die Hand über die Fluten und sagte, daß
eigentlich die Vereinigten Staaten hier die leitende Rolle spielen sollten. Der
Gedankengang ist der: alle europäischen Mächte reichen nur mit abgelegnen
Kolonien an den Stillen Ozean heran; die Vereinigten Staaten allein grenzen
unmittelbar an ihn. Weiter liegt in dem Gedankengang: Japan zählt nicht
mit, weil es eine asiatische, mongolische Macht ist.

Nun meldet sich Japan aber doch! Zunächst keineswegs als Prätendent
für politische Geltung. Aber Japan will als Kulturnation gerechnet werden. Es
hat sich der europäisch-amerikanischen Gesittung erschlossen. Bei sich selber hat
es solche Rechtsbürgschaften eingeführt, daß die Exterritorialität der Kaukasier
hat aufgegeben werden müssen. Seine Auswandrer unterwerfen sich vollständig
den Gesetzen der Länder, wo sie sich niederlassen. Dort gönnt man allen weißen
Völkerschaften den Zutritt, nicht nur Nordwesteuropüern und Südeuropäern, sondern
auch Russen, die kaum auf so hoher Kulturstufe stehn wie die Japaner. Ferner
Juden, die dein Stamme nach von der into-europäischen Rasse grundverschieden sind.
Sogar Kleiuasier, Syrer, Tscherkessen läßt man herein. Weshalb nicht Japaner?
Ihre Hautfarbe ist ebenso hell wie die der Südeuropäer, Kleinasier und Syrer.
Diese Zurücksetzung will sich Japan um so weniger gefallen lassen, als es
die Armut seiner Bewohner, die Kleinheit seines Kulturbodens so dringend ge¬
bieten, Luft zu machen. Japan hat in keineswegs übermäßiger Weise Ansprüche
geltend gemacht. Es hat sogar durch Überwachung der Auswcmdrung und
einstweilige Zurückhaltung von bloßen Kukis seinen guten Willen bekundet, auf
amerikanische Wünsche möglichst Rücksicht zu nehmen. Der Gegensatz ist eben
im Grunde unüberbrückbar, davon hat sich auch Präsident Noosevelt überzeugen


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[0266] Die neue Armada — gegen Japan Stimmen kommen zum Teil aus dem eignen Parteilager des Präsidenten, namentlich aber aus dem gegnerischen demokratischen. Daß der Imperialismus alles aufbieten muß, sie zum Schweigen zu bringen, liegt auf der Hand. Wie man auch über diese Tendenz urteilen möge: jetzt leichtherzig auf die für Kultur, Handel und Krieg so wichtige Position vor der Südküste Chinas und am Eingang des Sunda-Archipels verzichten, wäre ein Unding. Präsident Noosevelt ist die Verkörperung des Imperialismus. Er hat alles aufgeboten, das nordamerikanische Volk dafür zu gewinnen, daß der Friede nur mit Hilfe einer kräftigen Wehrmacht zu Lande und namentlich zu Wasser zu sichern sei. Noch in seiner letzten Kongreßbotschaft vom Dezember 1907 hat er ausgeführt, daß es an Berufssoldaten und Offizieren fehle, während sich die Katers im Ernstfall schnell genug füllen würden. Die Unterhaltung einer ausreichenden Macht zu Wasser und zu Lande sei die denkbar billigste Versicherung des Friedens. Jeder Krieg habe viel größere Summen gekostet als die Unterhaltung einer angemessenen Macht für eine lange Reihe von Friedensjahren. Er ist es gewesen, der die Schaffung einer ansehnlichen amerikanischen Flotte mit allen Mitteln betrieben und bei seiner Nation den nötigen Anklang gefunden hat. Vor zwei oder drei Jahren stand er am Ge¬ stade des Stillen Ozeans, reckte die Hand über die Fluten und sagte, daß eigentlich die Vereinigten Staaten hier die leitende Rolle spielen sollten. Der Gedankengang ist der: alle europäischen Mächte reichen nur mit abgelegnen Kolonien an den Stillen Ozean heran; die Vereinigten Staaten allein grenzen unmittelbar an ihn. Weiter liegt in dem Gedankengang: Japan zählt nicht mit, weil es eine asiatische, mongolische Macht ist. Nun meldet sich Japan aber doch! Zunächst keineswegs als Prätendent für politische Geltung. Aber Japan will als Kulturnation gerechnet werden. Es hat sich der europäisch-amerikanischen Gesittung erschlossen. Bei sich selber hat es solche Rechtsbürgschaften eingeführt, daß die Exterritorialität der Kaukasier hat aufgegeben werden müssen. Seine Auswandrer unterwerfen sich vollständig den Gesetzen der Länder, wo sie sich niederlassen. Dort gönnt man allen weißen Völkerschaften den Zutritt, nicht nur Nordwesteuropüern und Südeuropäern, sondern auch Russen, die kaum auf so hoher Kulturstufe stehn wie die Japaner. Ferner Juden, die dein Stamme nach von der into-europäischen Rasse grundverschieden sind. Sogar Kleiuasier, Syrer, Tscherkessen läßt man herein. Weshalb nicht Japaner? Ihre Hautfarbe ist ebenso hell wie die der Südeuropäer, Kleinasier und Syrer. Diese Zurücksetzung will sich Japan um so weniger gefallen lassen, als es die Armut seiner Bewohner, die Kleinheit seines Kulturbodens so dringend ge¬ bieten, Luft zu machen. Japan hat in keineswegs übermäßiger Weise Ansprüche geltend gemacht. Es hat sogar durch Überwachung der Auswcmdrung und einstweilige Zurückhaltung von bloßen Kukis seinen guten Willen bekundet, auf amerikanische Wünsche möglichst Rücksicht zu nehmen. Der Gegensatz ist eben im Grunde unüberbrückbar, davon hat sich auch Präsident Noosevelt überzeugen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/266>, abgerufen am 30.06.2024.