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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Die neue Armada -- gegen Japan

andres Verhalten einschlug. Er mußte sich durch die Gefahr warnen lassen.
Die Möglichkeit, Truppenmassen an der amerikanischen Westküste zu landen,
mag man nicht allzuhoch anschlagen. Denn wenn auch der umfassende Mittel
in Anspruch nehmende Transport gelingen sollte, so wäre doch nur ein Anfangs¬
erfolg zu erwarten, da Massen amerikanischer Freiwilliger bald so anschwellen
würden, daß die Eindringlinge einen schweren Stand bekämen. Die unbegrenzten
Geldmittel der Union fielen für einen solchen Zweck ebenso schwer ins Gewicht
wie das "Selbst ist der Mann" des einzelnen Amerikaners. Viel ernster steht
es schon um die Möglichkeit, amerikanische Hafenstädte durch japanische Kriegs¬
schiffe zu zerstören. Mehrere von ihnen, namentlich San Franzisko, sind mit
so viel Befestigungen versehen, daß der in der Konferenz im Haag neu fest¬
gestellte Grundsatz, daß offne, unverteidigte Häfen nicht beschossen werden dürfen,
nicht in Frage kommen kann. Wenn die Vereinigten Staaten keine Macht¬
mittel haben, um solches abzuwehren, so hat Japan immer ein Druckmittel
gegen sie in der Hand. Namentlich aber muß man Hawaii und die Philippinen
als gefährdet ansehen. In Hawaii leben schon weit mehr als doppelt soviel
Japaner wie Weiße. Im Jahre 1900 waren von einer Gesamtzahl von
154000 Einwohnern 29834 Eingeborne und 7835 Mischlinge. Daneben
62122 Japaner, 25742 Chinesen und nur 28533 Weiße. Da füllt es schwer
ins Gewicht, wenn die maritime Überlegenheit auf feiten der Japaner ist, die
in acht Tagen weit mehr Truppen landen können als die Amerikaner. Die
Sache liegt eben anders als in Kalifornien. Dort können Amerikaner mit der
Eisenbahn anlangen; nach Hawaii können beide Nationen nur zu Schiff fahren.
Tutuila und Guam können hier außer Beziehung bleiben.

Aber die Philippinen! Mit großer Mühe haben die Amerikaner den
Unabhängigkeitsdrang dieser 7,6 Millionen Seelen umfassenden Nation ge¬
brochen. Es ist unbedingt sicher, daß er sich sofort von neuem Luft machen
wird, wenn den Amerikanern ein ernstlicher Feind ersteht. In wenigen Tagen
können die Japaner so viel Truppen hinüber werfen, daß nicht nur die kleine
Besatzung erdrückt wird, sondern daß von einer neuen gewaltsamen Landung
keine Rede mehr sein kann. Ob die Filipinos einen guten Tausch machen,
wenn sie statt der Aankees die Japaner zu Protektoren machen, ist eine andre
Frage; für den Augenblick ist kaum etwas andres denkbar, als daß die wider¬
willigen Untertanen der Amerikaner das Joch abschütteln in der Hoffnung, frei
zu werden. Diese haben mancherlei Enttäuschung an ihrem neuen Besitz er¬
lebt, sodaß nicht wenig Stimmen laut werden, die den Verzicht predigen. Das
Quäkertum verbindet sich mit dem alten Republikanertum, das dem Imperialismus
widerstrebt und in dem bürgerlichen Gemeinwesen ohne Heer und Kriegsflotte
wie in der Vergangenheit so auch in der Zukunft das Heil der Nation sieht.
Die Vereinigten Staaten müßten fortfahren, alle Kräfte der wirtschaftlichen und
bürgerlichen Wohlfahrt zu widmen. Militärische Machtmittel brächten den Ehr¬
geiz von Generalen empor und damit eine Bedrohung der Republik. Diese


Die neue Armada — gegen Japan

andres Verhalten einschlug. Er mußte sich durch die Gefahr warnen lassen.
Die Möglichkeit, Truppenmassen an der amerikanischen Westküste zu landen,
mag man nicht allzuhoch anschlagen. Denn wenn auch der umfassende Mittel
in Anspruch nehmende Transport gelingen sollte, so wäre doch nur ein Anfangs¬
erfolg zu erwarten, da Massen amerikanischer Freiwilliger bald so anschwellen
würden, daß die Eindringlinge einen schweren Stand bekämen. Die unbegrenzten
Geldmittel der Union fielen für einen solchen Zweck ebenso schwer ins Gewicht
wie das „Selbst ist der Mann" des einzelnen Amerikaners. Viel ernster steht
es schon um die Möglichkeit, amerikanische Hafenstädte durch japanische Kriegs¬
schiffe zu zerstören. Mehrere von ihnen, namentlich San Franzisko, sind mit
so viel Befestigungen versehen, daß der in der Konferenz im Haag neu fest¬
gestellte Grundsatz, daß offne, unverteidigte Häfen nicht beschossen werden dürfen,
nicht in Frage kommen kann. Wenn die Vereinigten Staaten keine Macht¬
mittel haben, um solches abzuwehren, so hat Japan immer ein Druckmittel
gegen sie in der Hand. Namentlich aber muß man Hawaii und die Philippinen
als gefährdet ansehen. In Hawaii leben schon weit mehr als doppelt soviel
Japaner wie Weiße. Im Jahre 1900 waren von einer Gesamtzahl von
154000 Einwohnern 29834 Eingeborne und 7835 Mischlinge. Daneben
62122 Japaner, 25742 Chinesen und nur 28533 Weiße. Da füllt es schwer
ins Gewicht, wenn die maritime Überlegenheit auf feiten der Japaner ist, die
in acht Tagen weit mehr Truppen landen können als die Amerikaner. Die
Sache liegt eben anders als in Kalifornien. Dort können Amerikaner mit der
Eisenbahn anlangen; nach Hawaii können beide Nationen nur zu Schiff fahren.
Tutuila und Guam können hier außer Beziehung bleiben.

Aber die Philippinen! Mit großer Mühe haben die Amerikaner den
Unabhängigkeitsdrang dieser 7,6 Millionen Seelen umfassenden Nation ge¬
brochen. Es ist unbedingt sicher, daß er sich sofort von neuem Luft machen
wird, wenn den Amerikanern ein ernstlicher Feind ersteht. In wenigen Tagen
können die Japaner so viel Truppen hinüber werfen, daß nicht nur die kleine
Besatzung erdrückt wird, sondern daß von einer neuen gewaltsamen Landung
keine Rede mehr sein kann. Ob die Filipinos einen guten Tausch machen,
wenn sie statt der Aankees die Japaner zu Protektoren machen, ist eine andre
Frage; für den Augenblick ist kaum etwas andres denkbar, als daß die wider¬
willigen Untertanen der Amerikaner das Joch abschütteln in der Hoffnung, frei
zu werden. Diese haben mancherlei Enttäuschung an ihrem neuen Besitz er¬
lebt, sodaß nicht wenig Stimmen laut werden, die den Verzicht predigen. Das
Quäkertum verbindet sich mit dem alten Republikanertum, das dem Imperialismus
widerstrebt und in dem bürgerlichen Gemeinwesen ohne Heer und Kriegsflotte
wie in der Vergangenheit so auch in der Zukunft das Heil der Nation sieht.
Die Vereinigten Staaten müßten fortfahren, alle Kräfte der wirtschaftlichen und
bürgerlichen Wohlfahrt zu widmen. Militärische Machtmittel brächten den Ehr¬
geiz von Generalen empor und damit eine Bedrohung der Republik. Diese


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[0265] Die neue Armada — gegen Japan andres Verhalten einschlug. Er mußte sich durch die Gefahr warnen lassen. Die Möglichkeit, Truppenmassen an der amerikanischen Westküste zu landen, mag man nicht allzuhoch anschlagen. Denn wenn auch der umfassende Mittel in Anspruch nehmende Transport gelingen sollte, so wäre doch nur ein Anfangs¬ erfolg zu erwarten, da Massen amerikanischer Freiwilliger bald so anschwellen würden, daß die Eindringlinge einen schweren Stand bekämen. Die unbegrenzten Geldmittel der Union fielen für einen solchen Zweck ebenso schwer ins Gewicht wie das „Selbst ist der Mann" des einzelnen Amerikaners. Viel ernster steht es schon um die Möglichkeit, amerikanische Hafenstädte durch japanische Kriegs¬ schiffe zu zerstören. Mehrere von ihnen, namentlich San Franzisko, sind mit so viel Befestigungen versehen, daß der in der Konferenz im Haag neu fest¬ gestellte Grundsatz, daß offne, unverteidigte Häfen nicht beschossen werden dürfen, nicht in Frage kommen kann. Wenn die Vereinigten Staaten keine Macht¬ mittel haben, um solches abzuwehren, so hat Japan immer ein Druckmittel gegen sie in der Hand. Namentlich aber muß man Hawaii und die Philippinen als gefährdet ansehen. In Hawaii leben schon weit mehr als doppelt soviel Japaner wie Weiße. Im Jahre 1900 waren von einer Gesamtzahl von 154000 Einwohnern 29834 Eingeborne und 7835 Mischlinge. Daneben 62122 Japaner, 25742 Chinesen und nur 28533 Weiße. Da füllt es schwer ins Gewicht, wenn die maritime Überlegenheit auf feiten der Japaner ist, die in acht Tagen weit mehr Truppen landen können als die Amerikaner. Die Sache liegt eben anders als in Kalifornien. Dort können Amerikaner mit der Eisenbahn anlangen; nach Hawaii können beide Nationen nur zu Schiff fahren. Tutuila und Guam können hier außer Beziehung bleiben. Aber die Philippinen! Mit großer Mühe haben die Amerikaner den Unabhängigkeitsdrang dieser 7,6 Millionen Seelen umfassenden Nation ge¬ brochen. Es ist unbedingt sicher, daß er sich sofort von neuem Luft machen wird, wenn den Amerikanern ein ernstlicher Feind ersteht. In wenigen Tagen können die Japaner so viel Truppen hinüber werfen, daß nicht nur die kleine Besatzung erdrückt wird, sondern daß von einer neuen gewaltsamen Landung keine Rede mehr sein kann. Ob die Filipinos einen guten Tausch machen, wenn sie statt der Aankees die Japaner zu Protektoren machen, ist eine andre Frage; für den Augenblick ist kaum etwas andres denkbar, als daß die wider¬ willigen Untertanen der Amerikaner das Joch abschütteln in der Hoffnung, frei zu werden. Diese haben mancherlei Enttäuschung an ihrem neuen Besitz er¬ lebt, sodaß nicht wenig Stimmen laut werden, die den Verzicht predigen. Das Quäkertum verbindet sich mit dem alten Republikanertum, das dem Imperialismus widerstrebt und in dem bürgerlichen Gemeinwesen ohne Heer und Kriegsflotte wie in der Vergangenheit so auch in der Zukunft das Heil der Nation sieht. Die Vereinigten Staaten müßten fortfahren, alle Kräfte der wirtschaftlichen und bürgerlichen Wohlfahrt zu widmen. Militärische Machtmittel brächten den Ehr¬ geiz von Generalen empor und damit eine Bedrohung der Republik. Diese

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/265>, abgerufen am 28.06.2024.