Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Bedeutung des Militäretats von 1^9^^

dieses Maschinengewehr nichts mehr gehört worden ist, wird man wohl gut
tun, auch die neuauftauchenden Nachrichten darüber mit Vorsicht aufzunehmen.

Ein andrer Posten von Wichtigkeit aus dem neuen Militüretat beläuft
sich auf rund 15 Millionen zur Beschaffung einer Reserve von Feldartillerie¬
material, von Feldgerät für leichte Munitionskolonnen und für weitere Zwecke
der Feldartillerie. In einem Teile der Presse wird dazu gewünscht, daß etwas
von diesen Forderungen, angesichts der soeben bekannt gewordnen Absichten
der französischen obersten Heeresleitung, ihre Artillerie fast um die Hälfte des
bisherigen Standes zu erhöhen, zur Aufstellung der noch fehlenden Batterien
bei der 37. und der 39. Division an der Ost- und der Westgrenze sowie zur Er¬
höhung des Bespannungsetats der Feldartillerie verwandt werde. Andre
Wünsche gehn noch viel weiter und verlangen die sofortige Einbringung einer
neuen Artillerievorlage, die den angeblichen Vorsprung, den uns die Franzosen
abgewonnen haben sollen, wieder einholen soll. Diese Forderungen, so patriotisch
sie auch erscheinen mögen, sind im Augenblick teils unerfüllbar, teils schießen
sie über das Ziel hinaus und sind geeignet, nicht nur in militärischen, sondern
auch in Laienkreisen Unruhe über eine vermeintliche, plötzlich auftretende Über¬
legenheit der französischen Artillerie zu verbreiten, zu der bei näherer Be¬
trachtung auch nicht die geringste Veranlassung vorliegt. Was zunächst die
gegenwärtige Unerfüllbarkeit der verschiednen Wünsche und Anregungen an¬
langt, so ist sie damit zu begründen, daß die Einzelheiten der Verwendung
der für 1908 geforderten 15 Millionen Mark für artilleristisches Material,
von denen oben die Rede war, längst unveränderlich festgelegt waren, als das
neue französische Kadergesetz, das die große Artillerievermehrung enthält, be¬
kannt wurde. Näheres über diese Einzelheiten kann natürlich im Interesse
der Landesverteidigung nicht verbreitet werden, nur das darf gesagt werden,
daß sie mit einer Verstärkung unsrer jetzigen Batterie- oder Geschützzahl nichts
zu tun haben. Eine solche organisatorische Maßnahme wäre ja zudem innerhalb
des Quinquennats, das erst am 31. März 1910 abläuft, unzulässig, womit
die Forderung ängstlicher Gemüter nach Einbringung einer neuen Artillerie¬
vorlage noch während der augenblicklichen Neichstagssitzungen schon an sich
abgetan ist. Ganz abgesehen davon, daß sich eine so wichtige und folgen¬
schwere Vorlage doch nicht von heute zu morgen zu Papier bringen läßt.
Müßte sie sich doch vor allen Dingen mit der vielumstrittenen Frage be¬
schäftigen, ob wir nur unsre Geschützzahl vermehren, was die weniger kost¬
spielige Lösung wäre, oder ob wir, wie die Franzosen, außerdem noch zur
Formation unsrer Batterien auf je vier Geschütze übergehn sollen, um dann
mit den überzähligen beiden Geschützen jeder Batterie eine beträchtliche
Zahl neuer Batterien aufzustellen. Aber unsers Erachtens drängt eine Ent¬
scheidung über eine Vermehrung der deutschen Artillerie überhaupt nicht
in dem Maße, wie sie von vielen Seiten verlangt wird. Und zwar ans
zwiefachen Gründen nicht. Erstens weil eine tatsächliche Überlegenheit der


Die Bedeutung des Militäretats von 1^9^^

dieses Maschinengewehr nichts mehr gehört worden ist, wird man wohl gut
tun, auch die neuauftauchenden Nachrichten darüber mit Vorsicht aufzunehmen.

Ein andrer Posten von Wichtigkeit aus dem neuen Militüretat beläuft
sich auf rund 15 Millionen zur Beschaffung einer Reserve von Feldartillerie¬
material, von Feldgerät für leichte Munitionskolonnen und für weitere Zwecke
der Feldartillerie. In einem Teile der Presse wird dazu gewünscht, daß etwas
von diesen Forderungen, angesichts der soeben bekannt gewordnen Absichten
der französischen obersten Heeresleitung, ihre Artillerie fast um die Hälfte des
bisherigen Standes zu erhöhen, zur Aufstellung der noch fehlenden Batterien
bei der 37. und der 39. Division an der Ost- und der Westgrenze sowie zur Er¬
höhung des Bespannungsetats der Feldartillerie verwandt werde. Andre
Wünsche gehn noch viel weiter und verlangen die sofortige Einbringung einer
neuen Artillerievorlage, die den angeblichen Vorsprung, den uns die Franzosen
abgewonnen haben sollen, wieder einholen soll. Diese Forderungen, so patriotisch
sie auch erscheinen mögen, sind im Augenblick teils unerfüllbar, teils schießen
sie über das Ziel hinaus und sind geeignet, nicht nur in militärischen, sondern
auch in Laienkreisen Unruhe über eine vermeintliche, plötzlich auftretende Über¬
legenheit der französischen Artillerie zu verbreiten, zu der bei näherer Be¬
trachtung auch nicht die geringste Veranlassung vorliegt. Was zunächst die
gegenwärtige Unerfüllbarkeit der verschiednen Wünsche und Anregungen an¬
langt, so ist sie damit zu begründen, daß die Einzelheiten der Verwendung
der für 1908 geforderten 15 Millionen Mark für artilleristisches Material,
von denen oben die Rede war, längst unveränderlich festgelegt waren, als das
neue französische Kadergesetz, das die große Artillerievermehrung enthält, be¬
kannt wurde. Näheres über diese Einzelheiten kann natürlich im Interesse
der Landesverteidigung nicht verbreitet werden, nur das darf gesagt werden,
daß sie mit einer Verstärkung unsrer jetzigen Batterie- oder Geschützzahl nichts
zu tun haben. Eine solche organisatorische Maßnahme wäre ja zudem innerhalb
des Quinquennats, das erst am 31. März 1910 abläuft, unzulässig, womit
die Forderung ängstlicher Gemüter nach Einbringung einer neuen Artillerie¬
vorlage noch während der augenblicklichen Neichstagssitzungen schon an sich
abgetan ist. Ganz abgesehen davon, daß sich eine so wichtige und folgen¬
schwere Vorlage doch nicht von heute zu morgen zu Papier bringen läßt.
Müßte sie sich doch vor allen Dingen mit der vielumstrittenen Frage be¬
schäftigen, ob wir nur unsre Geschützzahl vermehren, was die weniger kost¬
spielige Lösung wäre, oder ob wir, wie die Franzosen, außerdem noch zur
Formation unsrer Batterien auf je vier Geschütze übergehn sollen, um dann
mit den überzähligen beiden Geschützen jeder Batterie eine beträchtliche
Zahl neuer Batterien aufzustellen. Aber unsers Erachtens drängt eine Ent¬
scheidung über eine Vermehrung der deutschen Artillerie überhaupt nicht
in dem Maße, wie sie von vielen Seiten verlangt wird. Und zwar ans
zwiefachen Gründen nicht. Erstens weil eine tatsächliche Überlegenheit der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0213" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/311294"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Bedeutung des Militäretats von 1^9^^</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1015" prev="#ID_1014"> dieses Maschinengewehr nichts mehr gehört worden ist, wird man wohl gut<lb/>
tun, auch die neuauftauchenden Nachrichten darüber mit Vorsicht aufzunehmen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1016" next="#ID_1017"> Ein andrer Posten von Wichtigkeit aus dem neuen Militüretat beläuft<lb/>
sich auf rund 15 Millionen zur Beschaffung einer Reserve von Feldartillerie¬<lb/>
material, von Feldgerät für leichte Munitionskolonnen und für weitere Zwecke<lb/>
der Feldartillerie. In einem Teile der Presse wird dazu gewünscht, daß etwas<lb/>
von diesen Forderungen, angesichts der soeben bekannt gewordnen Absichten<lb/>
der französischen obersten Heeresleitung, ihre Artillerie fast um die Hälfte des<lb/>
bisherigen Standes zu erhöhen, zur Aufstellung der noch fehlenden Batterien<lb/>
bei der 37. und der 39. Division an der Ost- und der Westgrenze sowie zur Er¬<lb/>
höhung des Bespannungsetats der Feldartillerie verwandt werde. Andre<lb/>
Wünsche gehn noch viel weiter und verlangen die sofortige Einbringung einer<lb/>
neuen Artillerievorlage, die den angeblichen Vorsprung, den uns die Franzosen<lb/>
abgewonnen haben sollen, wieder einholen soll. Diese Forderungen, so patriotisch<lb/>
sie auch erscheinen mögen, sind im Augenblick teils unerfüllbar, teils schießen<lb/>
sie über das Ziel hinaus und sind geeignet, nicht nur in militärischen, sondern<lb/>
auch in Laienkreisen Unruhe über eine vermeintliche, plötzlich auftretende Über¬<lb/>
legenheit der französischen Artillerie zu verbreiten, zu der bei näherer Be¬<lb/>
trachtung auch nicht die geringste Veranlassung vorliegt. Was zunächst die<lb/>
gegenwärtige Unerfüllbarkeit der verschiednen Wünsche und Anregungen an¬<lb/>
langt, so ist sie damit zu begründen, daß die Einzelheiten der Verwendung<lb/>
der für 1908 geforderten 15 Millionen Mark für artilleristisches Material,<lb/>
von denen oben die Rede war, längst unveränderlich festgelegt waren, als das<lb/>
neue französische Kadergesetz, das die große Artillerievermehrung enthält, be¬<lb/>
kannt wurde. Näheres über diese Einzelheiten kann natürlich im Interesse<lb/>
der Landesverteidigung nicht verbreitet werden, nur das darf gesagt werden,<lb/>
daß sie mit einer Verstärkung unsrer jetzigen Batterie- oder Geschützzahl nichts<lb/>
zu tun haben. Eine solche organisatorische Maßnahme wäre ja zudem innerhalb<lb/>
des Quinquennats, das erst am 31. März 1910 abläuft, unzulässig, womit<lb/>
die Forderung ängstlicher Gemüter nach Einbringung einer neuen Artillerie¬<lb/>
vorlage noch während der augenblicklichen Neichstagssitzungen schon an sich<lb/>
abgetan ist. Ganz abgesehen davon, daß sich eine so wichtige und folgen¬<lb/>
schwere Vorlage doch nicht von heute zu morgen zu Papier bringen läßt.<lb/>
Müßte sie sich doch vor allen Dingen mit der vielumstrittenen Frage be¬<lb/>
schäftigen, ob wir nur unsre Geschützzahl vermehren, was die weniger kost¬<lb/>
spielige Lösung wäre, oder ob wir, wie die Franzosen, außerdem noch zur<lb/>
Formation unsrer Batterien auf je vier Geschütze übergehn sollen, um dann<lb/>
mit den überzähligen beiden Geschützen jeder Batterie eine beträchtliche<lb/>
Zahl neuer Batterien aufzustellen. Aber unsers Erachtens drängt eine Ent¬<lb/>
scheidung über eine Vermehrung der deutschen Artillerie überhaupt nicht<lb/>
in dem Maße, wie sie von vielen Seiten verlangt wird. Und zwar ans<lb/>
zwiefachen Gründen nicht.  Erstens weil eine tatsächliche Überlegenheit der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0213] Die Bedeutung des Militäretats von 1^9^^ dieses Maschinengewehr nichts mehr gehört worden ist, wird man wohl gut tun, auch die neuauftauchenden Nachrichten darüber mit Vorsicht aufzunehmen. Ein andrer Posten von Wichtigkeit aus dem neuen Militüretat beläuft sich auf rund 15 Millionen zur Beschaffung einer Reserve von Feldartillerie¬ material, von Feldgerät für leichte Munitionskolonnen und für weitere Zwecke der Feldartillerie. In einem Teile der Presse wird dazu gewünscht, daß etwas von diesen Forderungen, angesichts der soeben bekannt gewordnen Absichten der französischen obersten Heeresleitung, ihre Artillerie fast um die Hälfte des bisherigen Standes zu erhöhen, zur Aufstellung der noch fehlenden Batterien bei der 37. und der 39. Division an der Ost- und der Westgrenze sowie zur Er¬ höhung des Bespannungsetats der Feldartillerie verwandt werde. Andre Wünsche gehn noch viel weiter und verlangen die sofortige Einbringung einer neuen Artillerievorlage, die den angeblichen Vorsprung, den uns die Franzosen abgewonnen haben sollen, wieder einholen soll. Diese Forderungen, so patriotisch sie auch erscheinen mögen, sind im Augenblick teils unerfüllbar, teils schießen sie über das Ziel hinaus und sind geeignet, nicht nur in militärischen, sondern auch in Laienkreisen Unruhe über eine vermeintliche, plötzlich auftretende Über¬ legenheit der französischen Artillerie zu verbreiten, zu der bei näherer Be¬ trachtung auch nicht die geringste Veranlassung vorliegt. Was zunächst die gegenwärtige Unerfüllbarkeit der verschiednen Wünsche und Anregungen an¬ langt, so ist sie damit zu begründen, daß die Einzelheiten der Verwendung der für 1908 geforderten 15 Millionen Mark für artilleristisches Material, von denen oben die Rede war, längst unveränderlich festgelegt waren, als das neue französische Kadergesetz, das die große Artillerievermehrung enthält, be¬ kannt wurde. Näheres über diese Einzelheiten kann natürlich im Interesse der Landesverteidigung nicht verbreitet werden, nur das darf gesagt werden, daß sie mit einer Verstärkung unsrer jetzigen Batterie- oder Geschützzahl nichts zu tun haben. Eine solche organisatorische Maßnahme wäre ja zudem innerhalb des Quinquennats, das erst am 31. März 1910 abläuft, unzulässig, womit die Forderung ängstlicher Gemüter nach Einbringung einer neuen Artillerie¬ vorlage noch während der augenblicklichen Neichstagssitzungen schon an sich abgetan ist. Ganz abgesehen davon, daß sich eine so wichtige und folgen¬ schwere Vorlage doch nicht von heute zu morgen zu Papier bringen läßt. Müßte sie sich doch vor allen Dingen mit der vielumstrittenen Frage be¬ schäftigen, ob wir nur unsre Geschützzahl vermehren, was die weniger kost¬ spielige Lösung wäre, oder ob wir, wie die Franzosen, außerdem noch zur Formation unsrer Batterien auf je vier Geschütze übergehn sollen, um dann mit den überzähligen beiden Geschützen jeder Batterie eine beträchtliche Zahl neuer Batterien aufzustellen. Aber unsers Erachtens drängt eine Ent¬ scheidung über eine Vermehrung der deutschen Artillerie überhaupt nicht in dem Maße, wie sie von vielen Seiten verlangt wird. Und zwar ans zwiefachen Gründen nicht. Erstens weil eine tatsächliche Überlegenheit der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/213
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/213>, abgerufen am 22.07.2024.