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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Die Bedeutung des INilitäretcits von 1^9^^

sein sollen. Damit wird der Pferdestand jeder Kompagnie, wenn man zwei
Reservezugpferde und ein Reservereitpferd hinzurechnet, auf 28 Tiere gebracht.
Die Maschinengewehre haben, nachdem sie schon im südafrikanischen Kriege
auf englischer Seite vortreffliche Dienste geleistet hatten, ihre ganz besonders
hohe Leistungsfähigkeit im russisch-japanischen Kriege dargetan, mit dem
Resultat, daß die russische Armee schou heute die Jnfanterieregimenter fast
sämtlicher Divisionen -- es fehlen nur noch acht -- mit Maschinengewehr¬
kompagnien ausgerüstet hat. Diese Formationen sind Nadfahrerkompagnien
und Bataillonen zweifellos vorzuziehen, und unsre Kricgsverwaltung hat nur
recht daran getan, daß sie die Mittel nicht für solche neue Einheiten, sondern
nur für Maschinengewehre gefordert hat. In Frankreich tobt dafür der Kampf
zwischen den Anhängern und den Gegnern von geschlossenen Radfahrertruppen
und Maschinengewehrformationen um so lebhafter. Eine große Gefolgschaft
hat der angesehene General Langlois, der nichts von Maschinengewehren
wissen will und dafür die Umbildung von achtzehn Jägerbataillonen in Rad-
fahrerbataillonc empfiehlt. Der Große Generalstab und mit ihm der Kriegs¬
minister wünschen dagegen die schleunige Bewaffnung des Heeres mit Maschinen¬
gewehren. Dagegen liegt nur ein Hinderungsgrund vor, daß nämlich die
Wahl und Beschaffung eines zweckmüßigen Maschinengewehrmodells noch fort¬
während die größten Schwierigkeiten macht. Minister Picquart hat zwar kürzlich
in der Deputiertenkammcr das Gegenteil behauptet, um das Land zu be¬
ruhigen, aber trotzdem bleibt die Tatsache bestehn, daß die französische Armee
mit ihren Maschinengewehren noch nicht aus dem Versnchsstadinm heraus ist.
Der Grund dafür liegt hauptsächlich in fortgesetzten Meinungsverschiedenheiten
zwischen der Infanterie- und der Artilleriedirektion im Kriegsministerium, die
jede für sich das Verdienst beansprucht, das beste Maschinengewehr liefern zu
wollen. Augenblicklich wird in Versailles ein nach Angaben der Artillerie-
direktion in Se. Etienne hergestelltes Maschinengewehr erprobt, das imstande
sein soll, 650 Schuß in der Minute abzugeben, wobei die Erhitzung nicht über
45 Grad hinausgehe. Bei dieser Gelegenheit weisen die Franzosen mit be¬
sondrer Betonung darauf hin, daß mit diesen Resultaten ihres neuen Maschinen¬
gewehrs sogar die angeblich großartigen Erfolge der jüngsten Erfindung des
englischen Majors Fitzgerald in den Schatten gestellt würden. Leider hat
auch ein Teil der deutschen Presse, ohne der Sache näherzutreten, die Aus¬
lassungen auswärtiger Blätter über das neue Fitzgerald-Maschinengewehr wieder¬
gegeben. Es muß aber darauf aufmerksam gemacht werden, daß schon im
Jahre 1899 ähnliche sensationelle Nachrichten über die englische Gewehr¬
erfindung durch die Presse gingen. Es hieß damals, Fitzgerald habe ein
neues Maschinengewehr (inavllwö lmttsi^ Zur) erfunden, dieses habe acht in
zwei Reihen zu je vier angeordnete Lee-Metfordläufe mit Fallblockverschluß.
Es könne niemals klemmen, niemals Schmutzer und niemals springen! Mit
Rücksicht darauf, daß trotz dieser wunderbaren Eigenschaften seitdem über


Die Bedeutung des INilitäretcits von 1^9^^

sein sollen. Damit wird der Pferdestand jeder Kompagnie, wenn man zwei
Reservezugpferde und ein Reservereitpferd hinzurechnet, auf 28 Tiere gebracht.
Die Maschinengewehre haben, nachdem sie schon im südafrikanischen Kriege
auf englischer Seite vortreffliche Dienste geleistet hatten, ihre ganz besonders
hohe Leistungsfähigkeit im russisch-japanischen Kriege dargetan, mit dem
Resultat, daß die russische Armee schou heute die Jnfanterieregimenter fast
sämtlicher Divisionen — es fehlen nur noch acht — mit Maschinengewehr¬
kompagnien ausgerüstet hat. Diese Formationen sind Nadfahrerkompagnien
und Bataillonen zweifellos vorzuziehen, und unsre Kricgsverwaltung hat nur
recht daran getan, daß sie die Mittel nicht für solche neue Einheiten, sondern
nur für Maschinengewehre gefordert hat. In Frankreich tobt dafür der Kampf
zwischen den Anhängern und den Gegnern von geschlossenen Radfahrertruppen
und Maschinengewehrformationen um so lebhafter. Eine große Gefolgschaft
hat der angesehene General Langlois, der nichts von Maschinengewehren
wissen will und dafür die Umbildung von achtzehn Jägerbataillonen in Rad-
fahrerbataillonc empfiehlt. Der Große Generalstab und mit ihm der Kriegs¬
minister wünschen dagegen die schleunige Bewaffnung des Heeres mit Maschinen¬
gewehren. Dagegen liegt nur ein Hinderungsgrund vor, daß nämlich die
Wahl und Beschaffung eines zweckmüßigen Maschinengewehrmodells noch fort¬
während die größten Schwierigkeiten macht. Minister Picquart hat zwar kürzlich
in der Deputiertenkammcr das Gegenteil behauptet, um das Land zu be¬
ruhigen, aber trotzdem bleibt die Tatsache bestehn, daß die französische Armee
mit ihren Maschinengewehren noch nicht aus dem Versnchsstadinm heraus ist.
Der Grund dafür liegt hauptsächlich in fortgesetzten Meinungsverschiedenheiten
zwischen der Infanterie- und der Artilleriedirektion im Kriegsministerium, die
jede für sich das Verdienst beansprucht, das beste Maschinengewehr liefern zu
wollen. Augenblicklich wird in Versailles ein nach Angaben der Artillerie-
direktion in Se. Etienne hergestelltes Maschinengewehr erprobt, das imstande
sein soll, 650 Schuß in der Minute abzugeben, wobei die Erhitzung nicht über
45 Grad hinausgehe. Bei dieser Gelegenheit weisen die Franzosen mit be¬
sondrer Betonung darauf hin, daß mit diesen Resultaten ihres neuen Maschinen¬
gewehrs sogar die angeblich großartigen Erfolge der jüngsten Erfindung des
englischen Majors Fitzgerald in den Schatten gestellt würden. Leider hat
auch ein Teil der deutschen Presse, ohne der Sache näherzutreten, die Aus¬
lassungen auswärtiger Blätter über das neue Fitzgerald-Maschinengewehr wieder¬
gegeben. Es muß aber darauf aufmerksam gemacht werden, daß schon im
Jahre 1899 ähnliche sensationelle Nachrichten über die englische Gewehr¬
erfindung durch die Presse gingen. Es hieß damals, Fitzgerald habe ein
neues Maschinengewehr (inavllwö lmttsi^ Zur) erfunden, dieses habe acht in
zwei Reihen zu je vier angeordnete Lee-Metfordläufe mit Fallblockverschluß.
Es könne niemals klemmen, niemals Schmutzer und niemals springen! Mit
Rücksicht darauf, daß trotz dieser wunderbaren Eigenschaften seitdem über


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[0212] Die Bedeutung des INilitäretcits von 1^9^^ sein sollen. Damit wird der Pferdestand jeder Kompagnie, wenn man zwei Reservezugpferde und ein Reservereitpferd hinzurechnet, auf 28 Tiere gebracht. Die Maschinengewehre haben, nachdem sie schon im südafrikanischen Kriege auf englischer Seite vortreffliche Dienste geleistet hatten, ihre ganz besonders hohe Leistungsfähigkeit im russisch-japanischen Kriege dargetan, mit dem Resultat, daß die russische Armee schou heute die Jnfanterieregimenter fast sämtlicher Divisionen — es fehlen nur noch acht — mit Maschinengewehr¬ kompagnien ausgerüstet hat. Diese Formationen sind Nadfahrerkompagnien und Bataillonen zweifellos vorzuziehen, und unsre Kricgsverwaltung hat nur recht daran getan, daß sie die Mittel nicht für solche neue Einheiten, sondern nur für Maschinengewehre gefordert hat. In Frankreich tobt dafür der Kampf zwischen den Anhängern und den Gegnern von geschlossenen Radfahrertruppen und Maschinengewehrformationen um so lebhafter. Eine große Gefolgschaft hat der angesehene General Langlois, der nichts von Maschinengewehren wissen will und dafür die Umbildung von achtzehn Jägerbataillonen in Rad- fahrerbataillonc empfiehlt. Der Große Generalstab und mit ihm der Kriegs¬ minister wünschen dagegen die schleunige Bewaffnung des Heeres mit Maschinen¬ gewehren. Dagegen liegt nur ein Hinderungsgrund vor, daß nämlich die Wahl und Beschaffung eines zweckmüßigen Maschinengewehrmodells noch fort¬ während die größten Schwierigkeiten macht. Minister Picquart hat zwar kürzlich in der Deputiertenkammcr das Gegenteil behauptet, um das Land zu be¬ ruhigen, aber trotzdem bleibt die Tatsache bestehn, daß die französische Armee mit ihren Maschinengewehren noch nicht aus dem Versnchsstadinm heraus ist. Der Grund dafür liegt hauptsächlich in fortgesetzten Meinungsverschiedenheiten zwischen der Infanterie- und der Artilleriedirektion im Kriegsministerium, die jede für sich das Verdienst beansprucht, das beste Maschinengewehr liefern zu wollen. Augenblicklich wird in Versailles ein nach Angaben der Artillerie- direktion in Se. Etienne hergestelltes Maschinengewehr erprobt, das imstande sein soll, 650 Schuß in der Minute abzugeben, wobei die Erhitzung nicht über 45 Grad hinausgehe. Bei dieser Gelegenheit weisen die Franzosen mit be¬ sondrer Betonung darauf hin, daß mit diesen Resultaten ihres neuen Maschinen¬ gewehrs sogar die angeblich großartigen Erfolge der jüngsten Erfindung des englischen Majors Fitzgerald in den Schatten gestellt würden. Leider hat auch ein Teil der deutschen Presse, ohne der Sache näherzutreten, die Aus¬ lassungen auswärtiger Blätter über das neue Fitzgerald-Maschinengewehr wieder¬ gegeben. Es muß aber darauf aufmerksam gemacht werden, daß schon im Jahre 1899 ähnliche sensationelle Nachrichten über die englische Gewehr¬ erfindung durch die Presse gingen. Es hieß damals, Fitzgerald habe ein neues Maschinengewehr (inavllwö lmttsi^ Zur) erfunden, dieses habe acht in zwei Reihen zu je vier angeordnete Lee-Metfordläufe mit Fallblockverschluß. Es könne niemals klemmen, niemals Schmutzer und niemals springen! Mit Rücksicht darauf, daß trotz dieser wunderbaren Eigenschaften seitdem über

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/212>, abgerufen am 22.07.2024.