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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Lleon Rangabe und seine Werke

In der "Herzogin von Athen" wird die engere Geschichte des in Attika
und Böotien nach den Kreuzzügen gegründeten französischen Herzogtums als
Lehen der Familien Laroche und Brienne geschildert. Lascaris, ein ätherischer
Edelmann, will das Vaterland vom Joche befreien. Er ist aber heimlich mit
der jungen Witwe Mathilde des Herzogs Guy de Laroche vermählt und gerät
dadurch in grausamen Konflikt zwischen Pflicht und Liebe. Endlich vertreibt
er in der Schlacht bei Theben die. Eindringlinge, geht aber selbst mit der ge¬
liebten Frau zugrunde.

Das Stück gewann schon 1888 beim Wettbewerb während der Olympischen
Spiele den Siegespreis, wurde aber erst 1906 nach Erbauung des Königlichen
Theaters in Athen bei den damals wiederholten "Spielen" aufgeführt. Es
vollzog sich mit Wiedergabe dieses Dramas eine künstlerische Tat, für die die
ganze zivilisierte Welt dieser Bühne zu Dank verpflichtet ist, denn die "Herzogin"
ist eins der großartigsten Dichterwerke überhaupt. Der Beifall der aus aller
Herren Ländern zusammengeströmten Zuschauermenge verriet die zündende dra¬
matische Kraft, die von dem Drama ausging und die alle Seelen bewegte.

Der Roman "Harald, Fürst der Waräger", ein ebenfalls preisgekröntes
Meisterwerk, macht den Beschluß dieser Geschichtsbilder. Den Inhalt bildet das
Leben des Wikingers in Norwegen, den Zug Haralds nach Byzanz, seine dortigen
Erlebnisse, seine Rückkehr in die Heimat, wo er die Königswürde errang, ferner
seine Fahrt mit Wilhelm dem Eroberer nach England, wo er in der Schlacht
bei Hastings am 14. Oktober 1066 fiel.

Daß der Dichter auch meisterhaft das heitere Element beherrscht, zeigen
die anmutigen Lustspiele: "Die Freier der Penelope", eins der beliebtesten
Stücke in Griechenland, und "Die Liebe wacht".

Die Sammlung lyrischer Gedichte "Aus dunkeln Tiefen", deren schon ge¬
dacht worden ist, hat neben ihrem hohen dichterischen Wert noch besonders den,
als die äußerste Verfeinerung der Hochsprache zu gelten, eine Art Orchideen¬
strauß, der in den Kreisen der Hochgebildeten Griechenlands mit großer Be-
geistrung begrüßt wurde. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, daß schon
Rangabes Vater wie später Cleom Rangabe mit ihrer vollen Autorität dafür
eintraten, das Heiligtum ihrer Muttersprache von fremden Beimischungen zu
reinigen. Seit dreitausend Jahren lebt die griechischeSprache fast unverändert fort,
sodaß noch heute Homer und .Lenophon auch von nur wenig gebildeten Leuten
mit Leichtigkeit gelesen werden können. Nur während der dunkeln vier Jahr¬
hunderte der türkischen Knechtschaft hat die Sprache, obwohl immer lebendig und
frische Blüten treibend, durch Einschaltung von fremden, besonders italienischen
und türkischen Wörtern gelitten. Die erste Sorge der Gelehrten und Literaten
war es, nach Befreiung vom aufgedrungnen Joch, die Ausmerzung aller dieser
fremden Bestandteile vorzunehmen und die ursprüngliche Reinheit und Schön¬
heit des Griechischen wiederherzustellen. So entstand in kaum fünfzig Jahren
die Hochsprache, die unbedingt eine der herrlichsten ist, die je auf menschlichen


Lleon Rangabe und seine Werke

In der „Herzogin von Athen" wird die engere Geschichte des in Attika
und Böotien nach den Kreuzzügen gegründeten französischen Herzogtums als
Lehen der Familien Laroche und Brienne geschildert. Lascaris, ein ätherischer
Edelmann, will das Vaterland vom Joche befreien. Er ist aber heimlich mit
der jungen Witwe Mathilde des Herzogs Guy de Laroche vermählt und gerät
dadurch in grausamen Konflikt zwischen Pflicht und Liebe. Endlich vertreibt
er in der Schlacht bei Theben die. Eindringlinge, geht aber selbst mit der ge¬
liebten Frau zugrunde.

Das Stück gewann schon 1888 beim Wettbewerb während der Olympischen
Spiele den Siegespreis, wurde aber erst 1906 nach Erbauung des Königlichen
Theaters in Athen bei den damals wiederholten „Spielen" aufgeführt. Es
vollzog sich mit Wiedergabe dieses Dramas eine künstlerische Tat, für die die
ganze zivilisierte Welt dieser Bühne zu Dank verpflichtet ist, denn die „Herzogin"
ist eins der großartigsten Dichterwerke überhaupt. Der Beifall der aus aller
Herren Ländern zusammengeströmten Zuschauermenge verriet die zündende dra¬
matische Kraft, die von dem Drama ausging und die alle Seelen bewegte.

Der Roman „Harald, Fürst der Waräger", ein ebenfalls preisgekröntes
Meisterwerk, macht den Beschluß dieser Geschichtsbilder. Den Inhalt bildet das
Leben des Wikingers in Norwegen, den Zug Haralds nach Byzanz, seine dortigen
Erlebnisse, seine Rückkehr in die Heimat, wo er die Königswürde errang, ferner
seine Fahrt mit Wilhelm dem Eroberer nach England, wo er in der Schlacht
bei Hastings am 14. Oktober 1066 fiel.

Daß der Dichter auch meisterhaft das heitere Element beherrscht, zeigen
die anmutigen Lustspiele: „Die Freier der Penelope", eins der beliebtesten
Stücke in Griechenland, und „Die Liebe wacht".

Die Sammlung lyrischer Gedichte „Aus dunkeln Tiefen", deren schon ge¬
dacht worden ist, hat neben ihrem hohen dichterischen Wert noch besonders den,
als die äußerste Verfeinerung der Hochsprache zu gelten, eine Art Orchideen¬
strauß, der in den Kreisen der Hochgebildeten Griechenlands mit großer Be-
geistrung begrüßt wurde. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, daß schon
Rangabes Vater wie später Cleom Rangabe mit ihrer vollen Autorität dafür
eintraten, das Heiligtum ihrer Muttersprache von fremden Beimischungen zu
reinigen. Seit dreitausend Jahren lebt die griechischeSprache fast unverändert fort,
sodaß noch heute Homer und .Lenophon auch von nur wenig gebildeten Leuten
mit Leichtigkeit gelesen werden können. Nur während der dunkeln vier Jahr¬
hunderte der türkischen Knechtschaft hat die Sprache, obwohl immer lebendig und
frische Blüten treibend, durch Einschaltung von fremden, besonders italienischen
und türkischen Wörtern gelitten. Die erste Sorge der Gelehrten und Literaten
war es, nach Befreiung vom aufgedrungnen Joch, die Ausmerzung aller dieser
fremden Bestandteile vorzunehmen und die ursprüngliche Reinheit und Schön¬
heit des Griechischen wiederherzustellen. So entstand in kaum fünfzig Jahren
die Hochsprache, die unbedingt eine der herrlichsten ist, die je auf menschlichen


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[0189] Lleon Rangabe und seine Werke In der „Herzogin von Athen" wird die engere Geschichte des in Attika und Böotien nach den Kreuzzügen gegründeten französischen Herzogtums als Lehen der Familien Laroche und Brienne geschildert. Lascaris, ein ätherischer Edelmann, will das Vaterland vom Joche befreien. Er ist aber heimlich mit der jungen Witwe Mathilde des Herzogs Guy de Laroche vermählt und gerät dadurch in grausamen Konflikt zwischen Pflicht und Liebe. Endlich vertreibt er in der Schlacht bei Theben die. Eindringlinge, geht aber selbst mit der ge¬ liebten Frau zugrunde. Das Stück gewann schon 1888 beim Wettbewerb während der Olympischen Spiele den Siegespreis, wurde aber erst 1906 nach Erbauung des Königlichen Theaters in Athen bei den damals wiederholten „Spielen" aufgeführt. Es vollzog sich mit Wiedergabe dieses Dramas eine künstlerische Tat, für die die ganze zivilisierte Welt dieser Bühne zu Dank verpflichtet ist, denn die „Herzogin" ist eins der großartigsten Dichterwerke überhaupt. Der Beifall der aus aller Herren Ländern zusammengeströmten Zuschauermenge verriet die zündende dra¬ matische Kraft, die von dem Drama ausging und die alle Seelen bewegte. Der Roman „Harald, Fürst der Waräger", ein ebenfalls preisgekröntes Meisterwerk, macht den Beschluß dieser Geschichtsbilder. Den Inhalt bildet das Leben des Wikingers in Norwegen, den Zug Haralds nach Byzanz, seine dortigen Erlebnisse, seine Rückkehr in die Heimat, wo er die Königswürde errang, ferner seine Fahrt mit Wilhelm dem Eroberer nach England, wo er in der Schlacht bei Hastings am 14. Oktober 1066 fiel. Daß der Dichter auch meisterhaft das heitere Element beherrscht, zeigen die anmutigen Lustspiele: „Die Freier der Penelope", eins der beliebtesten Stücke in Griechenland, und „Die Liebe wacht". Die Sammlung lyrischer Gedichte „Aus dunkeln Tiefen", deren schon ge¬ dacht worden ist, hat neben ihrem hohen dichterischen Wert noch besonders den, als die äußerste Verfeinerung der Hochsprache zu gelten, eine Art Orchideen¬ strauß, der in den Kreisen der Hochgebildeten Griechenlands mit großer Be- geistrung begrüßt wurde. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, daß schon Rangabes Vater wie später Cleom Rangabe mit ihrer vollen Autorität dafür eintraten, das Heiligtum ihrer Muttersprache von fremden Beimischungen zu reinigen. Seit dreitausend Jahren lebt die griechischeSprache fast unverändert fort, sodaß noch heute Homer und .Lenophon auch von nur wenig gebildeten Leuten mit Leichtigkeit gelesen werden können. Nur während der dunkeln vier Jahr¬ hunderte der türkischen Knechtschaft hat die Sprache, obwohl immer lebendig und frische Blüten treibend, durch Einschaltung von fremden, besonders italienischen und türkischen Wörtern gelitten. Die erste Sorge der Gelehrten und Literaten war es, nach Befreiung vom aufgedrungnen Joch, die Ausmerzung aller dieser fremden Bestandteile vorzunehmen und die ursprüngliche Reinheit und Schön¬ heit des Griechischen wiederherzustellen. So entstand in kaum fünfzig Jahren die Hochsprache, die unbedingt eine der herrlichsten ist, die je auf menschlichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/189>, abgerufen am 04.07.2024.