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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Der Marquis von Larabas

Lippen geblüht haben. Daneben florierte aber von jeher ein bescheidner Zweig des¬
selben Stammes, das Volksidiom, worin während der Knechtschaft die prächtigen
Klephthenlieder, deren Dichter Freischärler waren, entstanden. Diesen Dialekt¬
dichtungen, die jedem griechischen Vaterlandsfreunde ans Herz gewachsen sind,
laßt der Dichter selbstverständlich volle Würdigung widerfahren. Er hat sogar
eine Reihe von Liedern in Mundarten geschaffen und Körners "Schwertlied"
in den armatolischen Dialekt übertragen. Als aber die Partei der "Langhaariger"
ihr unheilvolles Wirken begann, das übrigens im Auslande vielfach nicht ver¬
standen wurde, lehnte sich der Dichter und mit ihm alle gebildeten griechischen
Patrioten gegen diese Tendenz auf. Sie machte sich nicht etwa die Erhaltung
der Volkssprache zur Aufgabe, sondern Schaffung eines nach dem Vorbilde der
französischen Dekadenten Varlaine und Mariane frei erfundnen Idioms --
eines unbegreiflich erscheinenden Kauderwelschs, dem man nicht das Recht ein¬
räumen durfte, sich in die herrliche Sprache einzunisten, die das wertvollste Erbe
der Ahnen aus Griechenlands großer Vergangenheit ist.




Der Marquis von (Larabas
Palle Rosenkrantz Roman von
Zehntes Kapitel

(das das alte Sprichwort bestätigt: Wenn die Katze nicht zu
dein Tisch)zause, dann tanzen die Mäuse auf

> is Streiter voll heißen Verlangens und unbezwinglichen Mutes war
Kalt von Steensgacird zur Stadt gezogen; als des Hauses getreuer
und sorgsamer Wohltäter und Vvrseher kehrte er nun zurück. Reich
an Geld, reicher noch an Erfahrungen, am reichsten aber an Plänen.
Aber ach, wie unsicher ist doch alles in der Welt, und wie wenig unsern
! Erwartungen gemäß finden wir, was wir einst verließen, wieder!

Es war zur Frühstückszeit, als Kalt seinen Einzug auf Steensgacird hielt.
Jörgen empfing ihn auf der Treppe; er war von der geglückten Mission schon
unterrichtet und lächelte deshalb, wenn er sich auch im übrigen ganz gefaßt zeigte.
Es war ja nicht seine, sondern Kalks Sache gewesen, und Kalt verlangte auch keine
Anerkennung von ihm. Sagt nicht schon der Philosoph Pompvnazzi, daß die Tugend
ihren Lohn in sich selbst trage?

Aber!

Am Frühstückstisch saß ein kleines, rot-weißes Mädchen mit krausem, leuchtenden!
Blondhaar, in ein hellblaues Leinenkleid gehüllt und mit einer gewaltigen Schürze
versehen, in der eine große, strahlende I^s, l^iAiuzs-Rose steckte.

Kalt stutzte und blieb wie angewurzelt stehn. Er war sprachlos.

Da legte ihm Jörgen seine Hand auf die Schulter.

Das ist Kalt, sagte er vorstellend, und das ist Pips.

Pips? fragte Kalt und sah regelrecht dumm aus. Alle Vorteile waren auf
ihrer Seite, denn sie hatte schon von Kalt gehört, während er . . .!


Der Marquis von Larabas

Lippen geblüht haben. Daneben florierte aber von jeher ein bescheidner Zweig des¬
selben Stammes, das Volksidiom, worin während der Knechtschaft die prächtigen
Klephthenlieder, deren Dichter Freischärler waren, entstanden. Diesen Dialekt¬
dichtungen, die jedem griechischen Vaterlandsfreunde ans Herz gewachsen sind,
laßt der Dichter selbstverständlich volle Würdigung widerfahren. Er hat sogar
eine Reihe von Liedern in Mundarten geschaffen und Körners „Schwertlied"
in den armatolischen Dialekt übertragen. Als aber die Partei der „Langhaariger"
ihr unheilvolles Wirken begann, das übrigens im Auslande vielfach nicht ver¬
standen wurde, lehnte sich der Dichter und mit ihm alle gebildeten griechischen
Patrioten gegen diese Tendenz auf. Sie machte sich nicht etwa die Erhaltung
der Volkssprache zur Aufgabe, sondern Schaffung eines nach dem Vorbilde der
französischen Dekadenten Varlaine und Mariane frei erfundnen Idioms —
eines unbegreiflich erscheinenden Kauderwelschs, dem man nicht das Recht ein¬
räumen durfte, sich in die herrliche Sprache einzunisten, die das wertvollste Erbe
der Ahnen aus Griechenlands großer Vergangenheit ist.




Der Marquis von (Larabas
Palle Rosenkrantz Roman von
Zehntes Kapitel

(das das alte Sprichwort bestätigt: Wenn die Katze nicht zu
dein Tisch)zause, dann tanzen die Mäuse auf

> is Streiter voll heißen Verlangens und unbezwinglichen Mutes war
Kalt von Steensgacird zur Stadt gezogen; als des Hauses getreuer
und sorgsamer Wohltäter und Vvrseher kehrte er nun zurück. Reich
an Geld, reicher noch an Erfahrungen, am reichsten aber an Plänen.
Aber ach, wie unsicher ist doch alles in der Welt, und wie wenig unsern
! Erwartungen gemäß finden wir, was wir einst verließen, wieder!

Es war zur Frühstückszeit, als Kalt seinen Einzug auf Steensgacird hielt.
Jörgen empfing ihn auf der Treppe; er war von der geglückten Mission schon
unterrichtet und lächelte deshalb, wenn er sich auch im übrigen ganz gefaßt zeigte.
Es war ja nicht seine, sondern Kalks Sache gewesen, und Kalt verlangte auch keine
Anerkennung von ihm. Sagt nicht schon der Philosoph Pompvnazzi, daß die Tugend
ihren Lohn in sich selbst trage?

Aber!

Am Frühstückstisch saß ein kleines, rot-weißes Mädchen mit krausem, leuchtenden!
Blondhaar, in ein hellblaues Leinenkleid gehüllt und mit einer gewaltigen Schürze
versehen, in der eine große, strahlende I^s, l^iAiuzs-Rose steckte.

Kalt stutzte und blieb wie angewurzelt stehn. Er war sprachlos.

Da legte ihm Jörgen seine Hand auf die Schulter.

Das ist Kalt, sagte er vorstellend, und das ist Pips.

Pips? fragte Kalt und sah regelrecht dumm aus. Alle Vorteile waren auf
ihrer Seite, denn sie hatte schon von Kalt gehört, während er . . .!


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[0190] Der Marquis von Larabas Lippen geblüht haben. Daneben florierte aber von jeher ein bescheidner Zweig des¬ selben Stammes, das Volksidiom, worin während der Knechtschaft die prächtigen Klephthenlieder, deren Dichter Freischärler waren, entstanden. Diesen Dialekt¬ dichtungen, die jedem griechischen Vaterlandsfreunde ans Herz gewachsen sind, laßt der Dichter selbstverständlich volle Würdigung widerfahren. Er hat sogar eine Reihe von Liedern in Mundarten geschaffen und Körners „Schwertlied" in den armatolischen Dialekt übertragen. Als aber die Partei der „Langhaariger" ihr unheilvolles Wirken begann, das übrigens im Auslande vielfach nicht ver¬ standen wurde, lehnte sich der Dichter und mit ihm alle gebildeten griechischen Patrioten gegen diese Tendenz auf. Sie machte sich nicht etwa die Erhaltung der Volkssprache zur Aufgabe, sondern Schaffung eines nach dem Vorbilde der französischen Dekadenten Varlaine und Mariane frei erfundnen Idioms — eines unbegreiflich erscheinenden Kauderwelschs, dem man nicht das Recht ein¬ räumen durfte, sich in die herrliche Sprache einzunisten, die das wertvollste Erbe der Ahnen aus Griechenlands großer Vergangenheit ist. Der Marquis von (Larabas Palle Rosenkrantz Roman von Zehntes Kapitel (das das alte Sprichwort bestätigt: Wenn die Katze nicht zu dein Tisch)zause, dann tanzen die Mäuse auf > is Streiter voll heißen Verlangens und unbezwinglichen Mutes war Kalt von Steensgacird zur Stadt gezogen; als des Hauses getreuer und sorgsamer Wohltäter und Vvrseher kehrte er nun zurück. Reich an Geld, reicher noch an Erfahrungen, am reichsten aber an Plänen. Aber ach, wie unsicher ist doch alles in der Welt, und wie wenig unsern ! Erwartungen gemäß finden wir, was wir einst verließen, wieder! Es war zur Frühstückszeit, als Kalt seinen Einzug auf Steensgacird hielt. Jörgen empfing ihn auf der Treppe; er war von der geglückten Mission schon unterrichtet und lächelte deshalb, wenn er sich auch im übrigen ganz gefaßt zeigte. Es war ja nicht seine, sondern Kalks Sache gewesen, und Kalt verlangte auch keine Anerkennung von ihm. Sagt nicht schon der Philosoph Pompvnazzi, daß die Tugend ihren Lohn in sich selbst trage? Aber! Am Frühstückstisch saß ein kleines, rot-weißes Mädchen mit krausem, leuchtenden! Blondhaar, in ein hellblaues Leinenkleid gehüllt und mit einer gewaltigen Schürze versehen, in der eine große, strahlende I^s, l^iAiuzs-Rose steckte. Kalt stutzte und blieb wie angewurzelt stehn. Er war sprachlos. Da legte ihm Jörgen seine Hand auf die Schulter. Das ist Kalt, sagte er vorstellend, und das ist Pips. Pips? fragte Kalt und sah regelrecht dumm aus. Alle Vorteile waren auf ihrer Seite, denn sie hatte schon von Kalt gehört, während er . . .!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/190>, abgerufen am 04.07.2024.