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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Lleon Rangabe und seine Werke

Hippodrom zu Byzanz hingewiesen, während sie sich als Gattin Justinians nur
der Losung politischer Aufgaben und der Leitung des schwachen Kaisers widmete.
Ihr Tod ist ein natürlicher. Sie stirbt aus Gram über den zu spät erkannten
und gefundnen Sohn, der einer grausamen Justiz zum Opfer fällt.

"Kaiser Heraklios" folgt. Die Handlung umschließt den Zeitraum von
619 bis 641. Der Kaiser hatte bekanntlich seine eigne Nichte Martina ge¬
heiratet und als Orthodoxer damit ein schweres Verbrechen begangen. Nur
seiner Liebe allein lebend, achtet er der Gefahren nicht, die das Reich bedrohen.
Da dringt die schreckliche Botschaft nach Byzanz, daß sich die Perser Jerusalems
bemächtigt haben. Das heilige Kreuz auf Golgatha ist in ihre Hände ge¬
fallen; sie haben es geschändet, ausgerissen und nach Mesopotamien fortgeschleppt.
Da eilt der Patriarch, der seit zehn Jahren jede Verbindung mit Heraklios
vermieden hatte, zum Kaiser, dem er die Verzeihung des Himmels verspricht,
wenn der Monarch das Reich retten und das heilige Symbol zurückerobern
könne. Heraklios, durch die Hoffnung begeistert, rafft sich auf. Und nun folgt
die glorreiche Periode seines Lebens, eine ununterbrochne Reihe von glänzenden
Siegen in den schon einmal von Alexander dem Großen eroberten Ländern.
Er bezwingt die Perser, bringt das Kreuz nach Jerusalem zurück und pflanzt
es wieder auf Golgatha auf. Aber in dem Augenblick, wo er sich an den
Stufen des Kreuzes niederwerfen will, um Gott für die Siege und die ihm
gewordne Vergebung zu danken, stürmen seine Heerführer herbei und melden,
daß ein neues barbarisches Volk, die Türken, an den östlichen Grenzen seien
und, alles vernichtend, sein Werk zerstörten. In der Erkenntnis, daß der Himmel
doch unversöhnlich sei, verliert der Kaiser den Verstand. Er wird nach Byzanz
zurückgebracht und stirbt, während der Pöbel den Palast stürmt und die schöne
Martina sowie die Früchte dieser unheilvollen Ehe niedermetzelt.

"Die Bilderstürmer" schildern den großen Konflikt zwischen der neuen,
von der genialen Dynastie der Jsaurier geförderten Partei der Aufklärung und
dem blinden Obskurantismus der Bildervcrehrer. Diese werden von der bigotten
Kaiserin Irene geleitet, während ihr Sohn, Konstantin der Sechste, alle edeln
Träume seiner Rasse verkörpert. Neben dieser Mutter steht ihr Neffe Dukas,
ein Dämon, der selbst auf den Thron gelangen möchte. Konstantin will eine
Hofdame, die schöne Theodoke, zu seiner Gemahlin erheben. Irene begünstigt
scheinbar seinen Plan, um den Klerus und das Volk gegen ihren Sohn, den
sie haßt, aufzuwiegeln. Konstantin wird durch Dukas Machinationen auf Befehl
der eignen Mutter geblendet und stirbt. Der verzweifelten Theodoke bietet
Dukas, der nunmehrige Thronerbe, an der Bahre des Hingeopferten die Hand
zum neuen Ehebunde. Die Unglückliche erhört ihn scheinbar, aber, zum Thron
schreitend, ersticht sie den Vernichter ihres Glucks. Das Volk rächt den Tod
des geliebten Kaisers Konstantin, dessen Blendung es erfahren hat. Es stürmt
den Palast und proklamiert den Nikephoros zum neuen Kaiser. (Ende des
achten Jahrhunderts.)


Lleon Rangabe und seine Werke

Hippodrom zu Byzanz hingewiesen, während sie sich als Gattin Justinians nur
der Losung politischer Aufgaben und der Leitung des schwachen Kaisers widmete.
Ihr Tod ist ein natürlicher. Sie stirbt aus Gram über den zu spät erkannten
und gefundnen Sohn, der einer grausamen Justiz zum Opfer fällt.

„Kaiser Heraklios" folgt. Die Handlung umschließt den Zeitraum von
619 bis 641. Der Kaiser hatte bekanntlich seine eigne Nichte Martina ge¬
heiratet und als Orthodoxer damit ein schweres Verbrechen begangen. Nur
seiner Liebe allein lebend, achtet er der Gefahren nicht, die das Reich bedrohen.
Da dringt die schreckliche Botschaft nach Byzanz, daß sich die Perser Jerusalems
bemächtigt haben. Das heilige Kreuz auf Golgatha ist in ihre Hände ge¬
fallen; sie haben es geschändet, ausgerissen und nach Mesopotamien fortgeschleppt.
Da eilt der Patriarch, der seit zehn Jahren jede Verbindung mit Heraklios
vermieden hatte, zum Kaiser, dem er die Verzeihung des Himmels verspricht,
wenn der Monarch das Reich retten und das heilige Symbol zurückerobern
könne. Heraklios, durch die Hoffnung begeistert, rafft sich auf. Und nun folgt
die glorreiche Periode seines Lebens, eine ununterbrochne Reihe von glänzenden
Siegen in den schon einmal von Alexander dem Großen eroberten Ländern.
Er bezwingt die Perser, bringt das Kreuz nach Jerusalem zurück und pflanzt
es wieder auf Golgatha auf. Aber in dem Augenblick, wo er sich an den
Stufen des Kreuzes niederwerfen will, um Gott für die Siege und die ihm
gewordne Vergebung zu danken, stürmen seine Heerführer herbei und melden,
daß ein neues barbarisches Volk, die Türken, an den östlichen Grenzen seien
und, alles vernichtend, sein Werk zerstörten. In der Erkenntnis, daß der Himmel
doch unversöhnlich sei, verliert der Kaiser den Verstand. Er wird nach Byzanz
zurückgebracht und stirbt, während der Pöbel den Palast stürmt und die schöne
Martina sowie die Früchte dieser unheilvollen Ehe niedermetzelt.

„Die Bilderstürmer" schildern den großen Konflikt zwischen der neuen,
von der genialen Dynastie der Jsaurier geförderten Partei der Aufklärung und
dem blinden Obskurantismus der Bildervcrehrer. Diese werden von der bigotten
Kaiserin Irene geleitet, während ihr Sohn, Konstantin der Sechste, alle edeln
Träume seiner Rasse verkörpert. Neben dieser Mutter steht ihr Neffe Dukas,
ein Dämon, der selbst auf den Thron gelangen möchte. Konstantin will eine
Hofdame, die schöne Theodoke, zu seiner Gemahlin erheben. Irene begünstigt
scheinbar seinen Plan, um den Klerus und das Volk gegen ihren Sohn, den
sie haßt, aufzuwiegeln. Konstantin wird durch Dukas Machinationen auf Befehl
der eignen Mutter geblendet und stirbt. Der verzweifelten Theodoke bietet
Dukas, der nunmehrige Thronerbe, an der Bahre des Hingeopferten die Hand
zum neuen Ehebunde. Die Unglückliche erhört ihn scheinbar, aber, zum Thron
schreitend, ersticht sie den Vernichter ihres Glucks. Das Volk rächt den Tod
des geliebten Kaisers Konstantin, dessen Blendung es erfahren hat. Es stürmt
den Palast und proklamiert den Nikephoros zum neuen Kaiser. (Ende des
achten Jahrhunderts.)


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[0188] Lleon Rangabe und seine Werke Hippodrom zu Byzanz hingewiesen, während sie sich als Gattin Justinians nur der Losung politischer Aufgaben und der Leitung des schwachen Kaisers widmete. Ihr Tod ist ein natürlicher. Sie stirbt aus Gram über den zu spät erkannten und gefundnen Sohn, der einer grausamen Justiz zum Opfer fällt. „Kaiser Heraklios" folgt. Die Handlung umschließt den Zeitraum von 619 bis 641. Der Kaiser hatte bekanntlich seine eigne Nichte Martina ge¬ heiratet und als Orthodoxer damit ein schweres Verbrechen begangen. Nur seiner Liebe allein lebend, achtet er der Gefahren nicht, die das Reich bedrohen. Da dringt die schreckliche Botschaft nach Byzanz, daß sich die Perser Jerusalems bemächtigt haben. Das heilige Kreuz auf Golgatha ist in ihre Hände ge¬ fallen; sie haben es geschändet, ausgerissen und nach Mesopotamien fortgeschleppt. Da eilt der Patriarch, der seit zehn Jahren jede Verbindung mit Heraklios vermieden hatte, zum Kaiser, dem er die Verzeihung des Himmels verspricht, wenn der Monarch das Reich retten und das heilige Symbol zurückerobern könne. Heraklios, durch die Hoffnung begeistert, rafft sich auf. Und nun folgt die glorreiche Periode seines Lebens, eine ununterbrochne Reihe von glänzenden Siegen in den schon einmal von Alexander dem Großen eroberten Ländern. Er bezwingt die Perser, bringt das Kreuz nach Jerusalem zurück und pflanzt es wieder auf Golgatha auf. Aber in dem Augenblick, wo er sich an den Stufen des Kreuzes niederwerfen will, um Gott für die Siege und die ihm gewordne Vergebung zu danken, stürmen seine Heerführer herbei und melden, daß ein neues barbarisches Volk, die Türken, an den östlichen Grenzen seien und, alles vernichtend, sein Werk zerstörten. In der Erkenntnis, daß der Himmel doch unversöhnlich sei, verliert der Kaiser den Verstand. Er wird nach Byzanz zurückgebracht und stirbt, während der Pöbel den Palast stürmt und die schöne Martina sowie die Früchte dieser unheilvollen Ehe niedermetzelt. „Die Bilderstürmer" schildern den großen Konflikt zwischen der neuen, von der genialen Dynastie der Jsaurier geförderten Partei der Aufklärung und dem blinden Obskurantismus der Bildervcrehrer. Diese werden von der bigotten Kaiserin Irene geleitet, während ihr Sohn, Konstantin der Sechste, alle edeln Träume seiner Rasse verkörpert. Neben dieser Mutter steht ihr Neffe Dukas, ein Dämon, der selbst auf den Thron gelangen möchte. Konstantin will eine Hofdame, die schöne Theodoke, zu seiner Gemahlin erheben. Irene begünstigt scheinbar seinen Plan, um den Klerus und das Volk gegen ihren Sohn, den sie haßt, aufzuwiegeln. Konstantin wird durch Dukas Machinationen auf Befehl der eignen Mutter geblendet und stirbt. Der verzweifelten Theodoke bietet Dukas, der nunmehrige Thronerbe, an der Bahre des Hingeopferten die Hand zum neuen Ehebunde. Die Unglückliche erhört ihn scheinbar, aber, zum Thron schreitend, ersticht sie den Vernichter ihres Glucks. Das Volk rächt den Tod des geliebten Kaisers Konstantin, dessen Blendung es erfahren hat. Es stürmt den Palast und proklamiert den Nikephoros zum neuen Kaiser. (Ende des achten Jahrhunderts.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/188>, abgerufen am 04.07.2024.